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Was ist dran am "Kampf der Kulturen"?

Alfred Hackensbergers "Lexikon der Islam-Irrtümer" klärt über Vorurteile gegenüber dem Islam auf

Von Ralf Streck *

Ein neues Buch des Journalisten Alfred Hackensberger versucht, mit Vorurteilen und Missverständnissen über den Islam aufzuräumen. Ein lohnenenswertes und insgesamt gelungenes Unterfangen.

Der Islam wird seit den Anschlägen auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 besonders heftig angegriffen. Aktionen fanatischer Islamisten scheinen die These vom »Kampf der Kulturen« zu bestätigen. Laut Umfragen sieht die Mehrheit der Deutschen einen ernsten Konflikt zwischen Christentum und Islam. Allein damit begründet sich der Bedarf eines Lexikons der Islam- Irrtümer, in dem der Journalist Alfred Hackensberger 100 »Vorurteile, Halbwahrheiten und Missverständnisse« kommentiert, die von Al-Andalus, über Ehrenmorde bis zur Zeitehe reichen.

Die Beiträge lesen sich locker und basieren oft auf persönlichen Eindrücken des Journalisten, der in Marokko lebt. Er tritt dem Bild eines aggressiven, rückschrittlichen Islams, der mit Demokratie und Fortschritt unvereinbar sei, entgegen und gibt einen tieferen Einblick in gesellschaftliche Vorgänge. »Den Islam« gibt es ohnehin nicht, denn er wird von »rund 150 verschiedenen Glaubensrichtungen und Sekten« gebildet, die in 1400 Jahren entstanden. Sie sind »über Kontinente und auf Kulturkreise verteilt«, deren Islaminterpretationen »können so widersprüchlich sein, dass sie sich gegenseitig der Häresie beschuldigen«.

Bisweilen wünscht man sich mehr Genauigkeit, denn auch Hackensberger wartet mit Halbwahrheiten auf. Er beginnt: »Spanien wurde im 8. Jahrhundert von den Arabern erobert.« Er klärt zwar, dass es keine Araber waren, die Al-Andalus begründeten, sondern »Berber«, die heute in Nordafrika nur noch eine Minderheit bilden. Dabei übernimmt er den Begriff »Barbaren«, den die Römer ihnen in der Antike verpasst hatten. Sie selbst bezeichnen sich als »Imazighen« (Freie). Unhistorisch übernimmt er auch den Spanien-Mythos. Das Land gab es nicht, große Teile der iberischen Halbinsel wurden damals über 200 Jahre lang von den Westgoten beherrscht. Spanien wurde erst im 15. Jahrhundert gegründet und große Teile wie Katalonien, wurden erst im 18. Jahrhundert gewaltsam unter die Krone gezwungen.

Ein »idealisiertes Geschichtsbild« von Al-Andalus als Ort der Toleranz zwischen Christen, Muslimen und Juden bis 1492, relativiert er als Mythos. Neben Beschreibungen von »Eroberungen, Rückeroberungen, Raubzügen, Thronkämpfen und Aufständen« wäre es auch nötig zu klären, dass der Mythos in der Gegenüberstellung zu den brutalen Vorgängen während und nach der angeblichen spanischen »Rückeroberung« entstand: ethnische Säuberungen durch den katholischen Fundamentalismus, zunächst gegen die »Moros«, wie die Muslime noch heute abschätzig genannt werden, danach gegen die Juden.

Bisweilen vermisst man kritische Distanz. Die Tatsache, dass Kopftuch und Ramadan an Bedeutung gewinnen, dass sich ein wachsender religiöser Einfluss auch in der säkularen Türkei manifestiert, wird durch die rosa Brille analysiert. Das Kopftuch sei »Ausdruck einer neuen islamischen Populärkultur« und ein »Zeichen der Befreiung und Selbstbestimmung«. Zwar gibt es diese Strömungen, aber viele Frauen werden auch mit Gewalt unter die Burka oder das Kopftuch gezwungen.

Es ist legitim, wenn Hackensberger dem Westen den Spiegel vorhält und darauf hinweist, dass auch hier Frauen zu Opfern ihrer Partner werden, was meist ebenfalls nichts mit der Religion zu tun hat. Öffentliche Steinigung oder Erhängen sind aber nicht »das gleiche Niveau« wie die zu kritisierenden Todesstrafen in den USA, zumal wenn Frauen wegen Ehebruchs oder Männer wegen Homosexualität hingerichtet werden. Relativierungen oder absurde Vergleiche zwischen Al-Qaida und der radikalen Linken, bei der die »dehumanisierende Dichotomie nicht Arbeiterklasse und Bourgeoisie, sondern Gläubige und Ungläubige« laute, lassen Zweifel an den lesenswerten Beiträgen aufkommen. Wer sich aber ein reales Bild von den komplexen Vorgängen im Islam machen will, der muss aus vielen Quellen schöpfen. Hackensberger steuert eine dazu bei.

Lexikon der Islam-Irrtümer. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main. 2008. 274 Seiten, 19,95 Euro

* Aus: Neues Deutschland, 23. September 2008


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