Was ist die Scharia?
Loya Jirga führt das islamische Rechtssystem, die Scharia, in Afghanistan (wieder) ein. Was bedeutet das?
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Mit Jahresbeginn 2002 wurde in der Provinz Aceh die Scharia, das islamische
Gesetz, eingeführt. Möglich wurde dies durch die
Verabschiedung des Gesetzes für spezielle Autonomie durch das
indonesische Parlament im letzten Jahr. Demnach darf
die Provinz 70 Prozent der Öl- und Gaserträge und 80 Prozent der Erträge aus
Landwirtschaft und Fischerei selbst verwalten und eben
auch die Scharia einführen. Die Autonomie soll der acehnesischen
Separatistenbewegung GAM den Wind aus den Segeln
nehmen. Die praktische Umsetzung des islamischen Rechts ist noch
unklar. Unklar ist auch, ob es für Muslime und
Nichtmuslime gleichermaßen gelten soll. (Information: www.umwaelzung.de)
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Im vergangenen Jahr wurde die Scharia in einem großen Teil Nigerias eingeführt. Im Frühjahr erregte ein Gerichtsurteil weltweites Aufsehen, wonach eine Frau, die vergewaltigt worden war, wegen dieser Schande gesteinigt werden sollte.
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In vielen islamischen Ländern herrschen heute Rechtssysteme, die sich an der Scharia orientieren. Vom Iran oder von Saudi-Arabien ist dies allgemein bekannt, Pakistan gehört auch dazu, ebenso die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten, der Sudan u.v.a.m.
Doch was ist die Scharia? Wir wollen im Folgenden ein paar Informationen aus verschiedenen Quellen bereitstellen. Daraus wird sehr leicht ersichtlich, dass die Meinungen zur Scharia in der Fachwelt doch weit auseinander gehen. Es versteht sich von selbst, dass eine große Lücke klafft zwischen den positiven Auffassungen der offiziellen Interpreten und Vertreter des islamischen Glaubens und den nicht-islamischen Kritikern.
Scharia in Kürze
Die Scharia ist das umfassende Gesetz der Muslime, das von
zwei Quellen abgeleitet wird: a) dem Koran und b) der Sunna,
den Handlungen des Propheten Muhammad. Sie umfaßt alle
Bereiche des persönlichen und gesellschaftlichen Lebens im
Alltag. Das Ziel des islamischen Gesetzes ist der Schutz der
Grundrechte des Menschen als Individuum. Dies schließt das
Recht auf Leben und Besitz, auf politische und religiöse
Freiheit, sowie den Schutz der Rechte der Frau und von
Minderheiten mit ein. Die niedrige Verbrechensrate in
muslimischen Gesellschaften ist auf die Anwendung des
islamischen Gesetzes zurückzuführen.
(www.moschee-online.de)
Die Scharia - das islamische Recht
“Scharia” ist heute eines der meistgebrauchten Schlagwörter, wenn über
den Islam diskutiert wird. Islamisten fordern in ihren
jeweiligen Heimatländern, die Scharia zur Grundlage der staatlichen
Gesetzgebung zu machen. Kritiker des Islam warnen vor
der Grausamkeit der Scharia, wie sie sich einigen Strafen äußere
(Handabhacken bei Dieben, Steinigung von Ehebrecherinnen).
Gleichzeitig ist jedoch “Scharia” einer der am wenigsten klar
definierten Begriffe innerhalb des Islam. Auch wenn der Begriff
schon für Gesetzessammlungen islamischer Staaten angewandt wurde, ist
die Scharia eigentlich mehr: Sie ist kein real
vorliegenden Gesetzbuch, das man ohne weiteres und plötzlich zum Gesetz
eines Staates machen könnte. Vielmehr ist “Scharia”
eine Idealvorstellung vom göttlichen Gesetz, das alle Lebensbereiche des
Muslim regeln soll.
Quellen der Scharia
Ursprünglich meint der arabische Begriff “Scharia” den Pfad in der
Wüste, der zur Wasserquelle führt. Die Scharia ist der
Wegweiser, der den Menschen zu Gott, seiner Quelle führen soll. Im Koran
selbst kommt der Begriff nur einmal vor (Sure
45,18) und heißt dort so viel wie “Ritus”.
Unbestritten gilt dem sunnitischen Islam der Koran als die Quelle der
Scharia. Der Koran enthält jedoch nur einzelne
Anweisungen, die direkt zur Grundlage einer Gesetzgebung zu machen sind.
Schon früh in der islamischen Geschichte trat daher
neben den Koran als Quelle des Rechtes die “Sunna”, das vorbildliche
Handeln und Reden des Propheten Mohammed. Die
Berichte über Verhalten und Worte Mohammeds wurden in den sogenannten
“Hadithen” gesammelt. Später filterten islamische
Theologen aus der unüberschaubaren Fülle dieser Hadithen nach bestimmten
Regeln die als echt anzuerkennenden
Überlieferungen heraus. Es entstanden die weitgehend noch heute
anerkannten Hadith-Sammlungen.
Entstehung des islamischen Rechts
In den ersten Jahrhunderten islamischer Zeitrechnung schufen dann auf
Grundlage von Koran und Hadith islamische
Rechtsgelehrte (die “Fuqaha´”) das, was weithin unter “Scharia”
verstanden wird: eine islamische Rechtssammlung. Da Koran
und Hadith schon für die Fragen der damaligen Zeit nicht immer konkrete
Antworten bereithielten, traten für die frühen
Rechtsgelehrten zwei weitere Quellen der islamischen Rechtswissenschaft
hinzu: “Idschma´”, der Konsens der islamischen
Rechtsgelehrten über ein Thema, sowie “qiyas”, der Analogieschluss.
Dabei wurden neu auftretende Fälle in Anlehnung an
bekannte Fälle entschieden.
Innerhalb des sunnitischen Islams setzten sich im Laufe der Zeit vier
Rechtsschulen durch: Schafiiten, Malikiten, Hanbaliten und
Hanafiten. Diese Schulen sind jeweils nach ihrem Begründer benannt und
sind in verschiedenen Regionen der islamischen Welt
vorherrschend. Sie weichen in vielen Einzelfragen des islamischen Rechts
voneinander ab - in diesem Sinne gibt es also eine
regional unterschiedliche “Scharia”. In den Grundfragen sind sich diese
Schulen jedoch einige. Man erkennt auch die jeweils
anderen Schulen als rechtgläubig an.
Fünf Kategorien für Verhalten
Gemäß dem islamischen Verständnis von Hingabe (“Islam”) an Allah umfasst
die Scharia Regelungen nicht nur für
Familienrecht, Strafrecht, Erbrecht etc. sondern auch genaue Anweisungen
für religiöse Rituale und Pflichten. Die
Rechtswissenschaft hat dabei jede Handlung in ein System von fünf
Kategorien eingeordnet:
-
“Fard” - eine Handlung ist Pflicht für jeden Gläubigen (z.B. das
rituelle Gebet)
- “Haram” - Verbotene Handlungen (z.B. Alkoholgenuss)
- “Mandub” - Empfehlenswert. Eine Handlung ist erwünscht (z.B.
zusätzliche Gebete), das Nichtbefolgen wird jedoch nicht
bestraft
- “Makruh” - Verwerflich oder nicht empfehlenswert.
- “Mubah” - Erlaubt, Handlungen, für die es keine religiöse Beurteilung
gibt (z.B. eine Flugzeugreise).
Scharia in islamisch geprägten Staaten
Es gibt heute in Staaten mit islamischer Bevölkerungsmehrheit sehr
verschiedene Modelle im Blick auf die Bedeutung der
Scharia. Während etwa die Türkei laut Verfassung ein säkularer Staat
ist, dessen Verfassung keinen Bezug auf das islamische
Recht nimmt, haben andere Staaten (etwa Pakistan oder Sudan)
beschlossen, die Scharia zur Grundlage der Rechtsprechung
zu machen. Das kann in der Praxis heißen, dass neue Gesetze von
islamischen Juristen auf ihre Vereinbarkeit mit dem
überlieferten islamischen Recht überprüft werden.
Dazwischen stehen Staaten wie Malaysia, die sich zwar als islamischen
Staat bezeichnen, deren Gesetzgebungsverfahren aber
säkular, also rein aufgrund Mehrheitsentscheidung des Parlamentes
erfolgt. Saudi-Arabien hat den Koran zur Verfassung seiner
Monarchie erklärt, hat in der Praxis natürlich trotzdem andere
Rechtsquellen heranzuziehen.
Heutige Diskussion um die Scharia
Für moderne Islamisten, die im eigenen Land Opposition sind, ist der
Begriff “Scharia” der Ausdruck für die Sehnsucht nach
der goldenen frühen Zeit des Islam im Gegensatz zu den heutigen, oft
uneffektiven und korrupten Regimen. Solche Islamisten
erwarten von der Einführung der Scharia als Grundlage der Rechtsprechung
die Lösung für alle religiösen, wirtschaftlichen und
sozialen Probleme der Gegenwart.
Es gibt jedoch auch (bereits seit dem 19. Jahrhundert) islamische
Denker, die für eine Neudefinition des Verhältnisses von
Scharia und staatlicher Gesetzgebung eintreten. Manche weisen wie der
ägyptische Theologe des 19. Jahrhundert, Muhammad
Abduh, darauf hin, dass es in der gesamten islamischen Geschichte
niemals gelungen sei, ein wirklich “der Scharia
entsprechendes” Staatsgesetz zu formulieren, geschweige denn, es dann
auch wirklich durchzuführen. Oft habe der jeweilige
Herrscher des Landes Gesetze geschaffen, wie sie ihm selbst passten.
Problematisiert wird auch unter modernen islamischen Denkern die
Tatsache, dass es ein wirklich gleichberechtigtes
Zusammenleben von Menschen verschiedener Religionen in einem Staat unter
der Scharia nicht gibt. Daher gibt es Vorschläge,
die Scharia mehr als Lebensweise zu verstehen, die dem Moslem in einem
säkularen Staat die Richtschnur für sein (freiwilliges)
persönliches Leben mit Allah gibt. Der Staat ermöglicht demnach, dass
Muslime gemäß der Scharia leben können, macht sie
aber nicht zur Pflicht für alle Staatsbürger.
Die innerislamische Diskussion über die Scharia ist im Fluss. Das
Ergebnis ist noch nicht abzusehen.
Auszug aus dem "Minikurs Islam"
Quelle: Orientdienst e.V. Wiesbaden (www.orientdienst.de)
Die Scharia: Geschichte und Gegenwart
Von Stephan Massing
Seit der Etablierung eines islamischen Rechtssystems stellt die Scharia
einen Schlüsselbegriff im islamischen Rechtsdenken dar. Die Scharia
kann
bezeichnet werden als "die Gesamtheit der auf die Handlungen des
Menschen bezüglichen Vorschriften Allahs" (Schimmel 1990: 54). Die
Scharia stellt somit ein gottgegebenes Gesetz für den Menschen dar,
welches alle menschlichen Lebensbereiche und die Beziehungen des
Menschen zu Allah für alle Zeiten verbindlich regelt.
Dass es sich bei der Scharia um ein Normensystem handelt, das mit
seinem
Regelungsgehalt über die rein juristische Dimension hinausgeht, wird
sehr
gut in folgender Definition von Bodiveau deutlich:
"In der islamischen Kultur bezeichnet die Scharia das Gesetz in seiner
weitesten Form, d.h. die Gesamtheit der religiösen, moralischen,
sozialen
und rechtlichen Normen, welche im Koran und der prophetischen Tradition
beinhaltet sind." (zit. in Petersohn 1999: 13)
Die Scharia beeinflusst daher die gesellschaftlichen Verhältnisse in
den
muslimischen Staaten wesentlich stärker, als die Rechtssysteme
westlichen
Ursprungs auf die europäischen Gesellschaften einwirken.
Die Quellen der Scharia und somit auch die Rechtsquellen des
islamischen
Rechts wurden im sunnitischen Islam im 9. Jh. n. Chr. durch den
Begründer
der schafiitischen Rechtsschule Schafi'i systematisiert. Die auf ihn
zurückgehende Lehre von den "Grundlagen der islamischen Jurisprudenz"
(usul al-fiqh) nennt als abschließende Quellen der Scharia: den Koran,
die
sunna, den Konsens der Rechtsgelehrten (idschma) und den
Analogieschluss (qiyas).
Der Koran ist das Heilige Buch des Islam. Sein Inhalt ist nach
muslimischer
Überzeugung nicht das Wort eines Propheten, sondern die endgültige
Offenbarung, das unverfälschte Wort Gottes, das nur durch das
Instrument
Mohammed vermittelt wurde. Somit verkündet der Koran nach der
islamischen Theologie nicht nur Gott, sondern ist selbst göttlicher
Natur.
Die in ihm enthaltenen Regeln sind theoretisch universell und zeitlos
gültig.
Für viele Juristen müssen die Verse demzufolge ohne Rücksicht auf die
historische Situation, in der sie verkündet worden sind, nur aufgrund
ihres
Wortlautes ausgelegt werden. Es wäre jedoch falsch, von diesem
theoretischen Anspruch auf eine große Starrheit des islamischen Rechts
zu
schließen: es besteht keineswegs Einigkeit über die Lesart des Koran,
so
dass es strittig ist, was im Koran angeordnet wird und welche Folgen
daraus für den Einzelfall resultieren. Weiterhin wird der
Absolutheitsanspruch des Koran spätestens im Prozess der Anwendung des
Rechts auf den Einzelfall durch den Einsatz anderer Quellen und
Methoden
relativiert.
Die zweite Quelle des islamischen Rechts ist die sunna. Darunter
versteht
man die Gesamtheit der Berichte (hadith, pl. hadithe) über Äußerungen,
Handlungen und stillschweigende Billigung von Geschehnissen des
Propheten Mohammed. Die Einbeziehung der sunna, d.h. der Gewohnheit
des Propheten, in die Rechtspraxis war notwendig, da der Koran nicht
alle
Erfordernisse des täglichen Lebens genügend erklärte. Um die
vorhandenen
Lücken möglichst im Geiste der Religion zu schließen, hielten sich
bereits die
Gefährten Mohammeds und die Generation nach ihm an die Worte und
Handlungen des Propheten.
Das Konzept der sunna, demzufolge dem Vorbild oder den Gebräuchen der
Vorfahren gefolgt werden soll, ist vorislamischen Ursprungs. Auch in
der
Zeit nach Mohammed wurden Rechtsprobleme, die nicht von seinen
offenbarten Regelungen abgedeckt wurden, noch unter Rückgriff auf
vorislamisches Gewohnheitsrecht gelöst.
Da die Worte und Taten Mohammeds gesammelt und über Generationen
hinweg weitergereicht wurden, ist es nicht verwunderlich, dass sich
dabei
im Laufe der Zeit ein großer Teil von unechten Traditionen einschob.
Die
hadithe sind daher "nicht so sehr eine Quelle für die ursprüngliche
Lehre
Muhammeds, sondern spiegeln z.T. die verschiedenen Strömungen innerhalb
des wachsenden Islam wider" (Schimmel 1990: 46). Als Reaktion auf die
große Zahl von Überlieferungen angeblicher Aussagen oder Handlungen des
Propheten wurden Sammlungen von hadithe zusammengestellt, die als
authentisch akzeptiert wurden. Ausschlaggebendes Kriterium hierfür war
insbesondere die Glaubwürdigkeit der Überliefererkette. d.h. der Kette,
derer, die das Wort gehört haben; eine Kette welche bis zu Mohammed
bzw. einem seiner Gefährten führen musste. Besonders hervorzuheben sind
die als verläßlich geltenden hadith-Sammlungen von Bukhârî (gest. 870)
und
Muslim (gest. 875).
Die dritte Quelle des islamischen Rechts ist der Konsens der
Rechtsgelehrten, die idschma. Die Wichtigkeit der Konsensbildung wird
nicht nur im Koran (z.B. Sure 3:110), sondern auch in der hadith
begründet: "Meine umma wird sich auf keinen Irrtum einigen." (Müller
1996:
91)
Das idschma-Prinzip kann auf zwei unterschiedlichen Ebenen angewendet
werden. Zum einen wurde es praktiziert um eine gemeinsame
Interpretation
von Koran und sunna zu erreichen. Zum anderen kann es dort angewendet
werden, wo Koran und sunna als hierarchisch höherstehende Rechtsquellen
keine Regelungen enthalten.
Trotz seiner frühen Entstehung und der theoretischen Klarheit des
Anwendungsbereiches gibt es bis heute Streit über Inhalt und Umfang des
idschma-Prinzips.
Unter dem Begriff qiyas, der vierten Quelle des islamischen Rechts,
versteht
man grundsätzlich eine logische Deduktion, die aus einem bereits
entschiedenen Fall eine Lösung für einen aktuellen Fall ableitet. Auf
das
islamische Recht bezogen bedeutet dies "ein analogisches Vorgehen im
Sinne der Übertragung der Rechtsfolge eines Präzedenzfalles oder einer
bereits bestehenden Regel auf den zu beurteilenden Sachverhalt" (Müller
1996: 92). Obwohl die Stellung des Analogieschlusses, der aus den
ersten
drei Rechtsquellen gewonnen wurde, zu Koran, sunna und idschma
umstritten blieb, wurde er von allen sunnitischen Rechtsschulen
grundsätzlich anerkannt. Als Mittel der Anpassung der materiellen
Rechtsquellen übernahm er eine zentrale Funktion.
Teilweise werden diese Rechtsquellen noch um die folgenden Quellen
ergänzt: al-istihsan (eine Abweichung von der Regel zugunsten eines
Präzedenzfalles), al-istislah (ein Urteil, dass aufgrund eines
öffentlichen
Interesses gefällt wird und ohne Bezug zu Koran oder sunna steht) und
al-urf (Gewohnheitsrecht) (vgl. Kühnhardt 1991: 143).
Schon in der islamischen Frühzeit stellte sich die Frage, wer
berechtigt sein
sollte, das nicht-kodifizierte - nur ein sehr kleiner Teil der 114
Suren hat
den Charakter einer Rechtsvorschrift - göttliche Gesetz auszulegen. Es
entwickelte sich ein eigener Stand aus religiösen Schriftgelehrten
(ulema),
welche sich um die Auslegung des Korans bemühten. Daraus entwickelte
sich die islamische Gesetzeswissenschaft (fiqh), mit der sich die
Rechtsgelehrten (fuqaha, sing. faqih) beschäftigten. Um eine
Systematisierung der Materialien vorzunehmen, fanden sich die
Rechtsgelehrten in Rechtsschulen zusammen.
Die heute noch bestehenden sunnitischen Rechtsschulen sind die
hannafitische, die malikitische, die schafiitische und die
hanbalitische. Die
vier Rechtsschulen unterscheiden sich in der Anerkennung der
Rechtsquellen, erkennen sich aber gegenseitig als gleichberechtigt in
der
Interpretation der Scharia an.
Literatur
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Endreß, Gerhard (1997): Der Islam: Eine Einführung in seine
Geschichte. Dritte, überarbeitete Auflage. München
-
Kühnhardt, Ludger (1991): Die Universalität der Menschenrechte.
Zweite, überarbeitete und erweiterte Auflage. Bonn
-
Müller, Lorenz (1996): Islam und Menschenrechte: Sunnitische
Muslime zwischen Islamismus, Säkularismus und Modernismus.
Hamburg
-
Petersohn, Alexandra (1999): Islamisches
Menschenrechtsverständnis unter Berücksichtigung der Vorbehalte
muslimischer Staaten zu den UN-Menschenrechtsverträgen. Bonn
-
Schimmel, Annemarie (1990): Die Religion des Islam. Stuttgart
Geschrieben im März 2002
Quelle: www.suedasien.net
ZDF: Die Scharia: Gesetz und Pflicht für jeden Muslim
Die Scharia, das islamische Gesetz, wird im
Westen vor allem dann wahrgenommen,
wenn in einem moslemischen Land
drakonische Strafen gegen Leib und Leben
verhängt werden. Dabei ist sie weit mehr als
ein Strafgesetz. Sie regelt auch das religiöse,
soziale und politische Leben der Muslime.
Höchste Autorität für alle sunnitischen
Moslems besitzt die Al-Azhar-Universität in
Kairo.
27.09.2001
Scharia bedeutet auf arabisch
nichts anderes
als 'Gesetz'. Zurückgeführt wird
sie auf Allah
als obersten Gesetzgeber aller
Muslime. Da der
Islam keinen Unterschied
zwischen der
Gemeinschaft aller Muslime, der
'Umma' und
dem Staat macht, ist die Scharia
religiöses und
staatliches Recht zugleich.
Dieser Anspruch wird jedoch nur
in den
wenigsten islamischen Ländern
auch eingelöst.
Fast alle moslemischen Staaten
verfügen über
ein kodifiziertes, vom Staat
aufgestelltes
Rechtssystem aus Zivil- und
Strafrecht. Dort ist
die Scharia vor allem religiöses
Recht und wird
vor allem in
Familienangelegenheiten
herangezogen.
Die vier Wurzeln der Scharia
Die islamische
Rechtsordnung, die sich aus
der Scharia ergibt, basiert
nicht allein auf dem
Koran. Hinzu kommt vor allem die
'Sunna', eine
Sammlung der überlieferten
Äußerungen und
Handlungen des Propheten
Mohammed. In
allen Fällen, in denen weder der
Koran noch
die Sunna Klarheit über die
Behandlung einer
Rechtsfrage geben können, greift
'Kiyas', der
Analogieschluss. So wurde das
Verbot des
Weingenusses im Islam per
Analogieschluss
auf sämtliche alkoholischen
Getränke
ausgedehnt.
Für die ständige Fortentwicklung
des
islamischen Rechts sorgt zudem
das Prinzip der
'Idjma', der Übereinstimmung.
Damit ist der
Konsens der islamischen
Gemeinschaft in
Fragen des Rechtslebens und des
Glaubens
gemeint. Anders ausgedrückt
heißt dies:
Stimmen alle bedeutenden
Rechtsgelehrten
einer Generation in einer Frage
überein, dann
findet dies Eingang in die
Scharia.
Ulama, Muftis und die Fatwa
Rechtsgelehrte, die auf
arabisch 'Ulama' genannt
werden, sammeln die Gesetze und
interpretieren
sie. Verbindliche
Rechtsgutachten dürfen jedoch
nur 'Muftis' anfertigen, die
auf Antrag von
Einzelpersonen, Staatsorganen
oder Gerichten
tätig werden. Die Bedeutung des
Rechtsgutachtens, auch 'Fatwa'
genannt, hängt
jedoch maßgeblich von der
religiösen Autorität des
Muftis ab. Höchste Autorität in
Rechtsfragen
besitzt für die sunnitische
Glaubensrichtung, der
85 Prozent aller Muslime
angehören, die
Al-Azhar-Universität in Kairo
unter Leitung von
Scheich Mohammed Sayyed
Tantawi.
Die Pflichten des Muslim
Alle Handlungen und
Unterlassungen der
Muslime werden von der Scharia
in fünf
Kategorien eingeordnet. Dazu
zählen an erster
Stelle die Pflichten - 'Fard'
genannt - und
verbotene Dinge, die als 'Haram'
bezeichnet
werden. In beiden Fällen wird
sowohl die
Handlung als auch die
Unterlassung bestraft
oder belohnt.
Hinzu kommen so genannte
Empfehlungen
oder 'Mandub', die eine Handlung
bezeichnen,
deren Tun zwar belohnt, deren
Unterlassung
aber nicht bestraft wird.
Umgekehrt kennt die
Scharia auch die Kategorie
Verwerfliches oder
'Makruh'. Dabei handelt es sich
um
Handlungen, deren Tun zwar nicht
bestraft,
deren Unterlassung aber belohnt
wird.
Zuguterletzt gibt es auch noch
die Kategorie
des Unbestimmten, zu arabisch
'Mubah', in die
all jene Dinge fallen, zu denen
die Scharia
keine Meinung hat.
Die fünf Säulen des Islam
Für jeden Muslim gelten vor
allem fünf
Pflichten, denen er nachkommen
muss: Das
Glaubensbekenntnis (Shahada),
das tägliche
Gebet (Salat), die Wohltätigkeit
(Zakat), das
Fasten im Monat Ramadan (Sawm)
und die
Pilgerfahrt nach Mekka (Hadj),
die jeder
Gläubige einmal im Leben
absolvieren muss.
Der Dschihad, der Glaubenskrieg
oder Heilige
Krieg, ist hingegen keine
Grundpflicht für
Muslime, auch wenn dieser
Eindruck oft
erweckt wird. Nur die
Ismailiten, eine
schiitische Sekte, haben den
Dschihad als 6.
Grundpflicht eines Muslim
eingeführt. Zudem
muss der Glaubenskrieg von einem
muslimischen Herrscher oder
einem Imam
ausgerufen werden.
Das Verhältnis zu Nicht-Muslimen
Sehr fein unterscheidet die
Scharia in den
Beziehungen zwischen Muslimen
und
Nicht-Muslimen. Vor allem die
Angehörigen der
jüdischen und der christlichen
Religion fallen
als so genannte
'Schriftbesitzer', denen die
geschriebene Religion schon
vorher übergeben
wurde, in eine besondere
Kategorie.
Mit ihnen sind religiös
gemischte Ehen erlaubt,
wie aus der 5. Sure des Koran
hervorgeht:
»Und ehrbare gläubige Frauen und
ehrbare
Frauen unter den Leuten, denen
vor euch die
Schrift gegeben wurde, wenn ihr
ihnen die
Brautgabe gebt, und nur für eine
Ehe und nicht
für Unzucht und heimliche
Liebschaften.« Diese
Erlaubnis gilt jedoch nur für
Männer, weibliche
Muslime dürfen laut Scharia
keinen
Nicht-Muslimen heiraten.
Quelle: www.heute.t-online.de
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