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Berlin bezieht Stellung

Vertreter von 30 Staaten berieten in Berlin über Kampf gegen "Islamischen Staat"

Von Karin Leukefeld *

Die Regierung des Libanons bekommt von der Bundesregierung 55 Millionen Euro überwiesen, um die Lage der syrischen Flüchtlinge in dem Land zu verbessern. Mehr als 1,2 Millionen Syrer haben vor dem Krieg in ihrer Heimat Zuflucht in dem kleinen, unter wirtschaftlichen und politischen Problemen leidenden Nachbarstaat gefunden. Das nun bereitgestellte Geld soll für die Wasserversorgung, Nahrungsmittel und Schulen verwendet werden, hieß es aus dem Auswärtigen Amt in Berlin. Seit Anfang 2012 hat Deutschland 250 Millionen Euro für Hilfsprojekte an Beirut gezahlt.

62 Staaten engagieren sich derweil in der von den USA geführten »Anti-IS-Koalition«, die seit August 2014 im Irak und Syrien Stellungen der Dschihadisten des »Islamischen Staats«, arabisch Daesch, bombardiert. 8,5 Millionen US-Dollar kostet die Operation nach Angaben des Pentagon täglich; ein Mandat des UN-Sicherheitsrates gibt es dafür nicht.

Vertreter von 30 dieser Staaten nahmen am Mittwoch in Berlin an einem Treffen der »Arbeitsgruppe Stabilisierung der Internationalen Anti-IS-Allianz« teil, das von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier eröffnet wurde. Wenn die Gebiete, die derzeit Daesch-Kämpfer besetzten, »zurückgewonnen« seien, käme es darauf an, »Vertrauen und die Unterstützung der Bevölkerung wiederzugewinnen«, hieß es in einer Erklärung des Auswärtigen Amtes.

»Wasserversorgung, Krankenhäuser und Schulen« seien »so schnell wie möglich wiederherzustellen. Dafür bieten wir gemeinsam mit unseren internationalen Partnern Unterstützung an.« Die »Stabilisierung« fragiler Staaten sollten zukünftig »noch stärker Teil unseres außenpolitischen Werkzeugkastens werden«, erklärte das Außenministerium. Die Bundesrepublik habe »Erfahrungen und Kompetenzen, die wir noch systematischer entwickeln und einbringen wollen«, hieß es weiter.

2011 hatte sich eine etwas anders zusammengesetzte Arbeitsgruppe in Berlin getroffen. Damals debattierten syrische Oppositionelle unter Federführung des vom Auswärtigen Amt finanzierten Instituts für Wissenschaft und Politik über ein Konzept für den »Tag danach«. Gemeint war der damals erwartete Sturz des syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad. Die Teilnehmer der Arbeitsgruppe Stabilisierung der Anti-IS-Allianz sprachen nun darüber, wie »der Tag nach der Befreiung vom IS« im Irak und in Syrien aussehen könne.

Während man »die irakische Regierung dabei unterstützen will, die nationale Einheit, Frieden und Sicherheit« zu erlangen, geht es in Syrien um anderes. Dort kooperiert man nicht mit der Regierung in Damaskus. Denn »Assad hat bisher wenig Begeisterung gezeigt, gegen IS zu kämpfen«, sagte Steinmeier in seiner Eröffnungsansprache.

Berlin setzt demnach auf die in der Türkei ansässige »Nationale Koalition«, mit deren Präsidenten, Khaled Khoja, der Bundesaußenminister sich zuvor getroffen hatte. »Wir haben schon einige Instrumente installiert, die bei den Bemühungen um eine Stabilisierung Syriens hilfreich sein werden«, sagte Steinmeier. Eines dieser Instrumente ist ein Finanzfonds mit rund 50 Millionen Euro, der von Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten kontrolliert wird.

Khoja fordert mehr Waffen für »moderate« Kämpfer und finanzielle Unterstützung für die von seiner »Nationalen Koalition« eingesetzte »Exilregierung«. Waffenhilfe gibt es unter anderem von den USA. Washington will in den kommenden drei Jahren 15.000 Kombattanten in der Türkei, Jordanien und Saudi-Arabien trainieren und ausrüsten.

Flankierend dazu stellt das Auswärtige Amt finanzielle Hilfe und politische Beratung für die »Exilregierung« zur Verfügung. Das Schattenkabinett mit Sitz im türkischen Gaziantep soll, wenn der IS vertrieben ist, in den »befreiten Gebieten« im Norden und Osten Syriens die Macht übernehmen und den Wiederaufbau organisieren.

Diese Pläne zur Spaltung Syriens sind Teil einer Drohkulisse gegen Damaskus, wie sie auch von US-Außenminister John Kerry unlängst aufgebaut wurde. In einem CBS-Interview, das am vergangenen Sonntag ausgestrahlt wurde, hatte er zwar erstmals wieder »Verhandlungen« über Syrien ins Spiel gebracht. Doch ging es ihm weniger um Gespräche mit dem syrischen Präsidenten Al-Assad, als darum, dass dieser »seine Vorstellungen von Verhandlungen ändern« müsse. Er sei »zuversichtlich, dass es mit den Anstrengungen unserer Bündnispartner mehr Druck auf Assad geben wird«, sagte Kerry.

* Aus: junge Welt, Freitag, 20. März 2015


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