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Die schwarze IS-Fahne verbrennen

Im Internet machen viele Muslime gegen den Terror der Hardcore-Islamisten mobil

Von Gerrit Hoekman *

Überall auf dem Globus machen Muslime gegen die menschenverachtende Ideologie der Hardcore-Islamisten des »Islamischen Staats« (IS) mobil. Am vergangenen Freitag etwa haben Imame in fast allen Moscheen der Republik gegen die Terroristen gepredigt.

Ein großer Teil des Protests läuft – wie heute üblich – über die sozialen Medien. Dort gibt es neuerdings auf Twitter eine »Burn ISIS Flag Challenge«, bei der User die schwarze IS-Fahne verbrennen und Fotos und Videos davon ins Internet stellen, was in den Augen dieser Islamisten wohl ein Sakrileg sein dürfte.

Sanfter, aber nicht weniger wirkungsvoll, ist der Hashtag »#NotInMyName«, wo junge Muslime aus Großbritannien ihren Abscheu über die Taten der Gotteskrieger kundtun und deutlich sagen: »Nicht in meinem Namen!« Ins Leben gerufen hat die Aktion eine islamische Wohlfahrtsorganisation namens »Active Change Foundation« mit Sitz in London. »Die Muslime müssen sich gegen die Extremisten und ihre Sympathisanten zusammentun. Das hat unser Prophet uns befohlen«, erklärt der Gründer Hanif Qadir auf seiner Facebook-Seite.

Viele Frauen outen sich als Gegnerinnen der radikalen Islamisten. Kein Wunder: Sie müssen am meisten um ihre Freiheit fürchten. »Wir müssen diese Gruppe stoppen, sie beschädigt den Islam und die Muslime«, erklärt eine junge Muslima in einem Trailer. »Ihr sprecht nicht in meinem Namen, weil Euer Führer ein Lügner ist!«, schreibt eine andere. Klare Worte an den selbsternannten Kalifen von Rakka, Abu Bakr Al-Bagdadi, Chef der Terrormiliz.

Kritik an den radikalen religiösen Bewegungen, die gerade den Nahen Osten und Nordafrika unsicher machen, gibt es in der arabischen Öffentlichkeit schon seit langem. Hohe Geistliche haben von Anfang an dem »Islamischen Staa« jede Rechtgläubigkeit abgesprochen, kaum jemand erkennt Al-Bagdadi als Kalifen an. Gutachten, so genannte Fatwas, verbieten es, ihm zu folgen. In den europäischen Medien kommt davon aber so gut wie nichts an.

In den Talkshows von Damaskus bis nach Rabat verurteilen Intellektuelle die Terrororganisation. Arabische Kabarettisten und Stand-Up-Comedians machen sich über rückwärtsgewandte Islamisten lustig, stellen sie als weltfremd und dumm dar. Legendär ist der Schabernack, den Bassem Youssef (eine Art ägyptischer Harald Schmidt) mit dem Muslimbruder Mohammed Mursi getrieben hat, als der noch Präsident war.

Wegen seiner Witze wurde Youssef verhaftet, seine Sendung abgesetzt. Der beliebte Moderator hatte über den beim Staatsbesuch in Berlin auf Englisch radebrechenden Präsidenten lustig gemacht. »Gas and alcohol don’t mix«, sagte Mursi damals in seiner Rede. Youssuf veralberte ihn in seiner Sendung, und halb Ägypten lachte Tränen. »Er hat recht«, spottete Youssef: »Gas und Alkohol, don’t mix. Genauso wie Englisch und Arabisch, don’t mix. Genauso wie Religion und Politik, don’t mix.« Ein Mitschnitt der Passage ist bei Youtube zu sehen und auch ohne Kenntnis der arabischen Sprache lustig (siehe Link unten).

Auch in Syrien und dem Libanon machen sich die Menschen über den »Islamischen Staat« lustig, der auf Arabisch abgekürzt »Daish« heißt. Inzwischen ändern viele den Namen zu »Dschahish«, was auf deutsch so viel heißt wie »Arsch«. Plakate tauchen auf, die einen Eselskopf mit langem Bart zeigen und die Aufschrift »Staat der Esel im Irak und Syrien«.

* Aus: junge Welt, Donnerstag 25. September 2014


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