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Sieg ohne Frieden

Kreuzzug gegen die UdSSR / Neuordnung der Welt

Von Dietrich Eichholtz *

Vom Potsdamer Abkommen in den Kalten Krieg

Die Potsdamer Konferenz der Chefs der drei Großmächte – USA (Präsident Harry S. Truman), Sowjetunion (Staats- und Parteichef ­Josef W. Stalin) und Großbritannien (Premier Winston Churchill) – fand vom 17. Juli bis zum 2. August 1945 statt. In der antifaschistischen Welt herrschte das Hochgefühl des Sieges über den deutschen Faschismus.

Das knappe »Kommuniqué« und die »Grundsätze« der Konferenz zeigten das vielleicht ehrliche Bemühen, die ungeheuren, opferreichen Anstrengungen der Völker der Antihitlerkoalition zu würdigen. Die markantesten Sätze sind heute noch vielfach bekannt:

»Der deutsche Militarismus und Nazismus werden ausgerottet (…) jeder nazistischen und militaristischen Betätigung und Propaganda ist vorzubeugen (…)«. »Die Ziele der Besetzung Deutschlands (…) sind: Völlige Entwaffnung und Entmilitarisierung Deutschlands und die Beseitigung der gesamten deutschen Industrie, welche für Kriegsproduktion benutzt werden kann«.

Umso erschreckender ist der Zustand unserer heutigen Welt, nach Jahrzehnten des sogenannten Kalten Krieges, der 1945, buchstäblich noch während der Potsdamer Konferenz, von den westlichen Siegermächten in Gang gesetzt worden ist, ehe noch die Tinte unter den Konferenzdokumenten trocken war.

Vorbereitungen der Sieger

Als die Wehrmacht am 8. Mai offiziell den Kampf einstellte, verlief die Linie, auf der sich Rote Armee und Westalliierte trafen, einige Dutzend Kilometer östlich von derjenigen, die im September 1944 in Quebec beschlossen worden war, und erstreckte sich im Norden bis Wismar, in der Mitte bis über Leipzig hinaus und bis vor Potsdam, im Süden ins Böhmische bis zur Höhe von Karlsbad.

Churchill machte sich den unverhofften Tod von Franklin D. Roosevelt am 12. April 1945 zunutze, um Roosevelts Nachfolger Harry S. Truman zu bedrängen, diesen zentralen Raum in der Mitte Deutschlands nicht, wie vereinbart, zu räumen, sondern ihn besetzt zu halten, bis die UdSSR die Forderungen der Westalliierten nach Zurückdrängung des sowjetischen Einflusses in Polen, Rumänien, Bulgarien, Ungarn und den baltischen Ländern, ferner nach Öffnung der Tschechoslowakei und des eroberten Wiens für freien westalliierten Verkehr erfüllt hätte.

Der britische Premier war seit geraumer Zeit in seine jahrzehntealte Rolle als wütender Kommunistenhasser zurückgefallen, seit er die Vorherrschaft Großbritanniens im Nachkriegseuropa mit dem Vordringen der Roten Armee an Elbe und Oder in Gefahr und Wien und Berlin in sowjetischen Händen sah.

Churchill plante, Beutewaffen zu sammeln und alles für den Fall vorzubereiten, daß man früher oder später der »russischen Gefahr« werde begegnen müssen. Unter dem Codewort »Operation Unthinkable« ließ er noch im Mai 1945 seine Stabschefs einen erst 53 Jahre später veröffentlichten Geheimplan für einen kurzfristig – vor Potsdam! – zu beginnenden Krieg gegen die Sowjetunion ausarbeiten. Dieses ungeheuerliche Vorhaben rechneten die Stabschefs auf der Basis von 47 britischen und US-Divisionen, zehn polnischen und zehn reaktivierten deutschen Divisionen durch. Sie rieten Churchill davon aber schließlich wegen des Risikos eines »totalen«, schwer zu gewinnenden Krieges ab.

Truman indessen konnte in seiner noch schwachen Position von dem seit 1943 vorgegebenen Kurs Roosevelts (Sicherung des Zusammenhalts der Antihitlerkoalition; langfristige Kooperation mit der Sowjetunion in der Friedenssicherung, besonders in den Vereinten Nationen) nur nach und nach abrücken. Er rechnete vor allem mit der baldigen Zündung der ersten amerikanischen Atombombe, die in Zukunft die Überlegenheit der USA über die UdSSR sicherstellen würde und mit deren Drohpotential man diese leichter werde erpressen können.

Die Potsdamer Konferenz

Für die weltweit mit Spannung erwartete Potsdamer Friedenskonferenz hatte die vorangegangene Jaltaer Konferenz (4. bis 11. Februar 1945) nach Meinung der Beteiligten in wichtigen Fragen der geplanten Behandlung Deutschlands nach dem Sieg einige klare Vorgaben gemacht. Aber was eine Unzahl von Fragen betrifft, besonders solche der konkreten Besetzung und Verwaltung Deutschlands, so waren sie offen geblieben.

Eine wesentliche, schon seit längerem diskutierte Frage war die nach einer möglichen Aufteilung des Landes in selbständige Teilstaaten. Einem solchen Vorschlag war seit Teheran von keiner der drei Mächte widersprochen worden. Hier schuf Stalins Siegesrede vom 9. Mai 1945 eine neue Basis, der sich die Westmächte, einigermaßen erleichtert, anschlossen: »Die Sowjetunion feiert den Sieg, auch wenn sie sich nicht anschickt, Deutschland zu zerstückeln oder zu vernichten.« Richtig prognostizierten hier Stalin und die deutsche Kommunistische Partei unter Führung von Wilhelm Pieck, daß eine Bildung mehrerer deutscher Staaten es wahrscheinlich den westlich besetzten unter ihnen erleichtern würde, sich aus den gemeinsamen Verpflichtungen zu stehlen, seien es die Reparationen für die UdSSR, seien es aber auch die grundlegenden der Vernichtung des Faschismus und der Umerziehung der Deutschen.

Gerade was die Frage der Reparationen betraf, war die Abneigung US-amerikanischer wie britischer politischer und wirtschaftlicher Kreise unübersehbar, der durch vierjährigen Krieg und zerstörerische Verwüstung während der deutschen Okkupation verarmten Sowjetunion angemessene Entschädigung zuzubilligen. In Jalta war die Rede von zwanzig Milliarden Dollar deutscher Reparationen gewesen, von denen 50 Prozent an die ausgeblutete und ausge­powerte UdSSR gehen sollten. Schon im Vorfeld von Potsdam wurde diese gemeinsame Festlegung intern bis zur Unkenntlichkeit verwässert. Für Reparationen, so hieß es im U.S. War Ministry, solle nur das letztlich undefinierbare deutsche »Kriegspotential« genutzt werden, und zwar mit Zustimmung des künftigen Zonenbefehlshabers. Was indessen unter sowjetische »Kriegsbeute« fiel, sollte, nach britischer Meinung, auf die Reparationen angerechnet werden.

US-Kriegsminister Henry L. Stimson, dessen enge Beziehungen zur Wirtschaftswelt bekannt waren, setzte bei Präsident Truman umgehend den Schutz der westdeutschen Kohlenproduktion durch und sogar, in letzter Minute, vermutlich unter dem Einfluß durchaus benennbarer industrieller Kreise, die fortgesetzte Produktion von synthetischem Treibstoff, Buna, Aluminium und Magnesium in Deutschland »für den Bedarf der Besatzungsstreitkräfte«. Von der früher erwogenen Internationalisierung des Ruhrgebiets, der Rüstungsschmiede des Deutschen Reiches, und der Entnahme von Reparationen aus seinem bedeutenden industriellen Potential war schon keine Rede mehr. Schließlich sollten Reparationen für andere Länder, etwa Frankreich, Belgien und die Niederlande, von den Anteilen der drei Großmächte abgezogen werden

Damit war dem Problem, wie die weitgehend verwüstete Wirtschaft der UdSSR westlich der Wolga zu stärken und dem erschütternden Elend großer Bevölkerungsteile abzuhelfen sei, in einem wesentlichen Punkt die Basis entzogen, wie sich in Potsdam zeigen sollte.

Den Vorsitz der Konferenz hatte Truman übernommen. Churchill wurde zu dieser Zeit als britischer Premier in Großbritannien abgewählt und mußte vor Ende der Konferenz seinen Platz für Clement Attlee (Labour) räumen. Er hatte seine Politik schon seit 1944 immer feindseliger auf die Zurückdrängung der »russischen Gefahr« in Europa konzentriert. Attlee aber, ohne im geringsten sowjetfreundlich zu sein, hatte kein Interesse daran, den äußeren Erfolg der Konferenz mit der gleichen starren Haltung zu gefährden. Truman indessen spielte bei erster Gelegenheit den Trumpf der gelungenen ersten amerikanischen Atombombenexplosion aus, der bei Stalin allerdings nicht die gewünschte Aufmerksamkeit zeitigte.

Die Ära Truman

Knapp 70 Jahre nach Kriegsende muß der kritische Historiker zur Kenntnis nehmen, daß die hehren Ziele des Kampfes gegen den mörderischen deutschen Faschismus, für ein einheitliches, demokratisches Deutschland und für einen dauerhaften Weltfrieden, wie sie von der Antihitlerkoalition, von Stalin und namentlich auch von Roosevelt, vertreten wurden, längst vergessen, ja verraten worden sind. Dieses beklemmende Eingeständnis wird von Fachleuten, Politikern, betroffenen und interessierten Laien, soweit sie überhaupt eine ehrliche Erklärung suchen, vollständig verschieden interpretiert. Der Autor dieses Beitrags kann eigene Überlegungen hier nur in äußerster Kürze skizzieren.

Die deutlichen Anfänge eines Neubeginns des offenen, weltumspannenden Kampfes zwischen Imperialismus und Sozialismus waren schon in den späten Jahren der Antihitler­koalition auszumachen, vorrangig auf britischer Seite und insbesondere bei Churchill, dem extremen Verfechter der britischen Weltreichidee und der Verdrängung des »russischen Kommunismus« aus Europa. In den USA spülten nach Roosevelts Tod die Nachkriegskonjunktur und die mit ihr verbundenen Probleme neue, aggressive Kräfte in Politik und Wirtschaft nach oben. Als eine Schlüsselfigur für den Übergang zum Kalten Krieg gilt hier Harry S. Truman, der von 1945 bis 1953 die Präsidentschaft innehatte.

Truman kam aus bescheidenen Verhältnissen in der Landwirtschaft von Missouri, wo er seine Lern- und Ausbildungsjahre als Landwirt (»dirt farmer«) verbrachte, ehe er in den europäischen Krieg zog (1917–1919), von wo er dekoriert zurückkehrte. Mit 50 wurde er Senator für Missouri; erst im Frühjahr 1945, 60 Jahre alt, trat er den Posten als Vizepräsident an, ohne noch mit Roosevelt vor dessen Tod am 12. April 1945 in engeren Kontakt treten zu können. 1948 gewann er überraschend die zweite Präsidentschaft.

Anfangsgründe der Außenpolitik lehrte ihn Churchill, den er in Potsdam näher kennenlernte. Er lauschte am 5. März 1946 als Gast Churchills berüchtigter Fulton-Rede gegen die UdSSR und betrachtete die USA von nun an als die führende Gegenkraft gegen das »sowjetisch-kommunistische Regime« über Europa und dessen »Fünfte Kolonnen in der ganzen Welt«.

Ein Grundproblem der westlichen Welt nach dem zerstörerischen und kräftezehrenden Krieg war es, daß sie am US-Tropf hing, militärisch, wirtschaftlich und politisch. Dies schlug von Anfang an zum beispiellosen Gewinn der US-Wirtschaft aus, die ihre jahrelange Konjunktur während des Krieges hinüberrettete in eine lang­andauernde Nachkriegskonjunktur. Sie stellte fast mühelos die enormen Mittel bereit, mit denen der europäische Wiederaufbau langfristig erfolgreich kreditiert werden konnte.

Diese Operation verbarg sich in der öffentlichen Wahrnehmung weitgehend hinter wohlorganisiertem mörderischen Antikommunismus – einer erschreckend erfolgreichen Kriegshetze gegen den Sowjetstaat, der, wie schon erwähnt, nach seinem unerhört opferreichen Kampf gegen den Faschismus gefährlich geschwächt war.

Noch vor der Potsdamer Konferenz setzten Truman und seine Scharfmacher ihre Hebel an, mit denen sie der Sowjetunion die ökonomische Überlegenheit der USA und ihre Abhängigkeit von US-Aufbauhilfe demonstrieren wollten. Im April 1945 war im US-Kongreß entschieden worden, daß die Lend-Lease-Lieferungen an die UdSSR sofort aufhören sollten, soweit sie für den Wiederaufbau nach dem Krieg verwandt werden konnten. Als die zuständige Verwaltung den Stopp fast aller Lieferungen anordnete, mußte sie allerdings auf Moskauer Protest hin im Mai bereits geladene Schiffe noch fahren lassen.

Langfristige Kreditwünsche der Sowjetunion für die Nachkriegszeit, die mit Roosevelt schon 1943 besprochen und seit Anfang 1945 angemeldet worden waren, kürzte der Kongreß von sechs Milliarden auf eine Milliarde Dollar herunter – und erhöhte die Zinsen aufs Doppelte. Im Herbst verschwanden sie vollständig von der Agenda der US-Außenhandelsverwaltung.

»Kalter Krieg« und Marshallplan

Schon zu dieser Zeit, also unmittelbar nach der Potsdamer Konferenz, verwandelte sich das Verhältnis zwischen den großen Mächten, die einige Jahre vordem gemeinsam gegen den aggressiven deutschen Imperialismus gekämpft und für ihren Sieg Ströme von Blut vergossen hatten, in ein neues, feindliches der erbitterten Gegnerschaft des Kalten Krieges, eines Krieges, der von Anfang an mit der amerikanischen Drohung der Atomwaffe verbunden war und tiefe und dauernde Spuren in der Welt hinterlassen hat wie kein anderes Ereignis. Und kein anderes ist wohl als Weltphänomen so wenig erforscht und in seinen Ursachen und in seinem Verlauf so unklar geblieben wie dieses. Es bleibt die Drohung mit dem Atomkrieg seit damals, die seit fast 70 Jahren die Menschheit immer noch gefangenhält, so sehr sich die internationalen Verhältnisse inzwischen auch gewandelt haben mögen.

Die wesentlichen Schritte zum Kalten Krieg unternahm die Truman-Regierung in kürzester Zeit und baute sie in wenigen Jahre zu einer Bedrohung der UdSSR, ihrer Verbündeten und ihrer Anhängerschaft in der ganzen Welt aus. Den Grundstein zur »Truman-Doktrin« legte Truman selbst in einer Kongreßrede vom März 1947. Er forderte, »freie Völker« vor kommunistischer »Unterwerfung« zu retten; zunächst meinte er Griechenland und die Türkei, für die er Mittel einwarb. George C. Marshall, im Krieg Generalstabschef, damals Außenminister (Secretary of State), schuf 1947/48 als Kernstück der Truman-Doktrin (die nach außen hin inzwischen »Containment« – »Eindämmung«, nämlich des Kommunismus – genannt wurde) jenes »European Recovery Program« (ERP), bis heute als Marshallplan bekannt. Dessen Schöpfer erhielt übrigens 1953 den Friedensnobelpreis.

Mit dem Marshallplan, als Gesetz am 3. April 1948 verabschiedet, flossen viele Dutzende Milliarden Dollar in die Länder Westeuropas. Die ersten 13 Milliarden gelangten bis 1952 in Form von Lebensmitteln, Industriegütern, Treibstoff, Medikamenten und anderen lebensnotwendigen Waren dorthin, davon nach Westdeutschland und Westberlin 1,6 Milliarden, außerdem 1,7 Milliarden für Besatzungskosten. In der Bundesrepublik entstand aus den ERP-Mitteln und ihren Rückflüssen (als Darlehen) bis 1990 ein sogenanntes ERP-Sondervermögen von über 70 Milliarden Deutscher Mark.

Die Sowjetunion und die von ihr kontrollierten Länder lehnten diese amerikanische Auslandshilfe ab, die ohne politische Abhängigkeiten nicht zu bekommen war und die sie für Jahrzehnte schwer zu kontrollierenden Kredit-, Kreditverwendungs- und Rückzahlbedingungen unterworfen hätte. Die Folge war die langwährende Armut gerade der vom Krieg besonders schwer betroffenen Länder, in erster Linie der UdSSR selbst. Überall war das opferreiche Bemühen erschwert, trotz der diesen Staaten aufgezwungenen Hochrüstung ein auskömmliches Lebensniveau für die Masse der Bevölkerung zu sichern.

Gründung der NATO

Die NATO (North Atlantic Treaty Organization) stellt seit ihrer Gründung in Washington im April 1949 die wichtigste Bedrohung der Welt mit atomarem Krieg dar. Bis in die sechziger Jahre war dieses Kriegsbündnis von ursprünglich zwölf (heute 28) Staaten unter Führung der nuklear bewaffneten USA die alleinige Atommacht. Damals offiziell als notwendige Abschreckung angesichts der »sowjetisch-kommunistischen« Weltgefahr deklariert, ist das Bündnis seit Untergang der Sowjetunion gegen alle möglichen Feinde der »freien Welt« gerichtet. 1955 ist die westdeutsche Republik, schon von Anfang an unter den Fittichen der westlichen Sieger, Mitglied der NATO geworden, 1990 mitsamt der annektierten DDR. Die Kernbewaffnung, heute in zahlreichen Ländern als Drohkulisse vorhanden, ist mit ihrer geballten Zerstörungskraft noch heutzutage in der Lage, die Menschheit und den ganzen Erdball zu vernichten. Die UdSSR hat seit den 50er Jahren der NATO-Drohung begegnen müssen, so daß das »nukleare Patt« seitdem die Gefahr eines Atomschlags zu mindern scheint, sie aber wohl eher steigert.

Inzwischen sind die USA mit jeweils wechselnden Pakten und entsprechenden Mitgliedsstaaten (SEATO; CENTO) in der Lage, jedes Land der Nicht-NATO-Welt mit Krieg und Vernichtung zu überziehen. Sie unterhalten in allen Erdteilen Raketenbasen und Kommandostellen. Von den Kriegen, die unter Mitwirkung der NATO bzw. von NATO-Mitgliedern geführt wurden, haben mehrere mit peinlichen Niederlagen für die USA geendet (Korea, Vietnam). Ihre Anstifter sind den überfallenen und bedrohten Völkern tief verhaßt. Allein im Vietnamkrieg kamen mehr als eine Million vietnamesische Opfer ums Leben.

Die NATO besteht nach wie vor als gewaltiges internationales Unterdrückungs- und Kriegsinstrument unter US-amerikanischem Oberbefehl. Nicht genauer definiert finden wir bis heute ihre unauflösliche Verbindung mit dem Pentagon im Rahmen der US-amerikanischen militärischen Weltdominanz. Im Weltmaßstab gefährlich ist ihre außenpolitische Entscheidungsanmaßung, die sie bei internationalen Konflikten und Kriegen beansprucht und mit der sie die Organisation der Vereinten Nationen matt setzt, das heißt: de facto überflüssig macht.

CIA und Propagandaschlacht

Zu den Instrumentarien des Kalten Krieges gehört seit den ersten Nachkriegsjahren (1947) die berüchtigte CIA (Central Intelligence Agency) des US-Präsidenten, heute wohl schärfer kontrolliert und konkurriert von dessen National Security Council – jener mächtige, weltweit agierende Geheimdienst, der bekanntermaßen Kriege anzettelt und vorbereitet und zahllose aufrechte Gegner von Krieg, Expansion, imperialistischer Ausbeutung und Unterdrückung verfolgt hat. Er war an der Ermordung hunderttausender progressiver Menschen beteiligt, von denen nur sehr wenige bekannt sind (etwa 1961 Patrice Lumumba; 1967 Ernesto Che Guevara, 1973 Salvador Allende Gossens, 1978 Aldo Moro).

Die unendliche Reihe von verbrecherischen Aktivitäten der CIA im Kalten Krieg wird noch Jahrzehnte im Dunkel der geheimen Archive bleiben, ähnlich wie die des Pentagons, ehe ihre vollständige Geschichte geschrieben werden kann. Noch vielfach unentdeckt ist die Rolle der von der CIA gelenkten Geheim­armeen, die in aller Herren Länder für Einschüchterung, Terror und Mord sorgten und sorgen.

Zu den Mitteln des Kalten Krieges zählte für die Truman-Administration nicht zuletzt eine weitere, weltweit wirksame, vom US-Kongreß abgesegnete und finanzierte Waffe, die in ihrer Gefährlichkeit von den Abermillionen Menschen, gegen die sie eingesetzt wird, selten erkannt oder doch unterschätzt wurde und wird. Das sind die Funksender, die seit Jahrzehnten in Zentren wie München oder Berlin, später auch Prag, in zahlreichen Sprachen senden, massiven Antikommunismus, »Freiheit« und »Kultur« der westlichen Welt verbreiten und in ungezählten Ländern zu vernehmen sind (seit 1949: Radio »Free ­Europe«; später Radio Liberty; RIAS; AFN u.a.).

Verrat des Westens

Zehn Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, Mitte der fünfziger Jahre, war das Grund­szenarium des Kalten Krieges schon vollständig vorhanden, als das Werk einer Generation von Politikern um Truman und Churchill und ihrer Nachfolger. Die Bezeichnung »Kalter Krieg«, obwohl in der Geschichte fortlebend und bis heute sehr lebendig als Gegenwart von Kriegen und der ständigen Drohung eines Weltkrieges, war und ist aber irreführend. Es handelte sich von Anfang an um einen Kreuzzug gegen den Sozialismus und um die Rücknahme der von der UdSSR mit unerhörten Opfern erkämpften Ergebnisse ihres Befreiungskrieges von 1941 bis 1945. Churchill benannte seinerzeit seinen Freund und Adepten Truman als denjenigen, der »mehr als jeder andere Mensch die Westliche Zivilisation gerettet« habe.

War vor Potsdam jener Sieg der Sowjetunion in Europa der entscheidende Beitrag zum Triumph der Antihitlerkoalition über den deutschen Faschismus gewesen, so müssen der Verrat und die Heimtücke der westlichen »Alliierten« unmittelbar im Anschluß an das Potsdamer Abkommen deutlich benannt werden, gleichviel wie man die sowjetische Nachkriegspolitik und die »Gefahr aus dem Osten« bewertet.

Schwächung und Zerstörung der UdSSR

Den Krieg des deutschen Faschismus und seiner Hilfstruppen siegreich zu bestehen, war die schwerste, verlustreichste Prüfung der Sowjetunion und der bolschewistischen Revolution seit ihrer Existenz. Die hilfreiche Zusammenarbeit in der Antihitlerkoalition erleichterte den Sieg über die deutsche Wehrmacht. Er wurde im Mai 1945 weltweit gefeiert. Auf der Potsdamer Konferenz im Juli faßten die drei großen Mächte deutliche Beschlüsse über die Ausrottung von Faschismus und Militarismus in Deutschland und über die Bestrafung der Kriegsverbrecher. Für Millionen Menschen schienen sie und die noch von Roosevelt geschaffenen Vereinten Nationen der Welt einen dauerhaften Frieden zu versprechen.

Die Generationen, die die langen Nachkriegsjahrzehnte erlebt haben, sind um diese wichtigsten Ergebnisse des Krieges betrogen worden. Die akute Gefahr von Kriegen, ja von atomaren Kriegen besteht nach wie vor. Der »Kalte Krieg« der »westlichen Welt« und der von den USA beherrschten NATO scheint mit einem umfassenden Sieg zu Ende gegangen zu sein: Die UdSSR als sozialistischer Staat hat aufgehört zu bestehen. Der politische Einfluß des Kommunismus, einst weltweit, ist marginalisiert. Eine solche »Eindämmung« (Containment) erschien vor Jahrzehnten noch unausdenkbar. Wie nie zuvor hat der Rüstungswahnsinn die Welt erfaßt.

In Potsdam hatte es Stalin nach Möglichkeit vermieden, von der Erschöpfung des Landes und der Not des Volkes zu sprechen, wenn er auch auf Anerkenntnis entsprechender Wiedergutmachungsforderungen rechnete. Bald war ihm klar, daß seine früheren Verbündeten längst auf den Kalten Krieg zusteuerten. Ob ihm die Lage in seinem eigenen Land und die Not der Bevölkerung ganz zu Bewußtsein kamen, erscheint ungewiß. Jedenfalls verließen ihn in den wenigen folgenden Jahren bis zu seinem Ableben wenn nicht die Klarheit hierüber, so doch die Kräfte, dem Elend gegenzusteuern. Selbst einer funktionierenden Regierung arbeitsfähiger Marxisten/Leninisten wären außerordentliche Kräfte abverlangt worden, um den Kriegsfolgen in absehbarer Zeit zu begegnen. Stalin starb 74jährig im März 1953. Am schwersten wog für Jahre und Jahrzehnte, daß er keinen Kreis von fähigen Nachfolgern hinterließ, den heranzubilden er während 30 Jahren weder Neigung noch Fähigkeit gezeigt hatte.

Abhilfe verlangten nach dem Krieg im eigenen Land zuallererst:
  • die Armut und der Hunger der Masse der Bevölkerung, nicht nur in den westlichen Landesteilen,
  • die Schwäche der Ernährungsbasis,
  • der Mangel an arbeitsfähigen Männern,
  • die Begrenztheit der Ressourcen für Investitionen (außer derjenigen für Rüstung).
Nirgends in den befreiten und sowjetisch besetzten Ländern konnten sozialistische politische Strukturen vorgefunden werden, ganz zu schweigen von starken, erfahrenen kommunistischen Parteien. Keinem besetzten und beherrschten Land konnte der sowjetische Staats- und Sicherheitsapparat übergestülpt werden; wo es versucht wurde, gelang das nicht. Wirtschaftliche und Versorgungsnormalität, derer sich die Marshallplan-Welt bald erfreute, war für Jahre nicht zu erwarten. Im Gegenteil. Mittel und Kräfte flossen, soweit Reparationsleistungen, vor allem in die Rüstung ab, in das Atomwettrüsten, was in der verarmten Bevölkerung nur auf wenig Verständnis stoßen konnte.

Dem Drang nach »Tauwetter« in der eigenen Intelligenz, in den einzelnen Nationalitäten des Sowjetreichs und in den befreiten europäischen Ländern war keine lange Frist beschieden. Den Sicherheitsorganen wurden unter dem Druck der Bedrohung aus dem Westen neue Aufgaben übertragen. Schwere Mißgriffe kamen dabei vor, besonders als Hunderttausende sowjetischer Kriegsgefangener und Zwangsarbeiter heimkehrten, die als mögliche Spione des Westens verdächtigt und gedemütigt wurden. Als eine enorme innenpolitische Hypothek erwiesen sich die unzähligen Straf- und Arbeitslager, das sogenannte Gulag-System, mit ihren zu langjähriger Verbannung verurteilten hunderttausenden politischen und kriminellen Häftlingen (von Wjatscheslaw Molotow mit 600000 sicher grob unterschätzt). Explosivstoff genug barg allein schon die Auflösung der Lager nach Stalins Tod. Es ergaben sich unübersichtliche Probleme im ganzen Land, sowohl in sicherheitspolitischer als auch in parteipolitischer Hinsicht, deren Umfang und Wirkung nicht untersucht sind.

Niedergang der Parteiführung

Die größte historische Tragödie seit dem Zweiten Weltkrieg war der Untergang der UdSSR Anfang der 90er Jahre und des von ihr verkörperten Vorbilds für eine dauerhaft friedliche Welt. Dessen innere Ursachen sind weitgehend ungeklärt, vor allem wegen der Unmöglichkeit, sich bisher umfassende, rücksichtslose Klarheit über die inneren Verhältnisse der Sowjetunion und der sozialistischen Theorie und Ideologie seit 1945 zu verschaffen, die den Zusammenbruch erklären könnten. Damals der größte Staat der Erde, unter der Führung der stärksten Kommunistischen Partei, zerbrach die UdSSR schließlich und verschwand als eine der führenden Weltmächte.

Das seit Lenin gültige höchste Entscheidungsrecht der Führung der Kommunistischen Partei in allen grundsätzlichen Fragen war längst ausgehöhlt durch die rigorosen Vollmachten Stalins und des Sicherheitsapparats und durch die verheerenden Auswirkungen des Personenkults. Die Wahrheit ist, daß die Partei in der unglaublich schwierigen Lage des ihr aufgezwungenen Kalten Krieges nicht zurückfand zu Leninscher revolutionärer Politik. In der Parteiführung lösten einander, ohne auf ernsthaften Widerstand leninistischer Kräfte zu stoßen, revisionistische Usurpatoren (Chruschtschow, Nikita S., 1953–1964), unfähige Altfunktionäre (Breshnew, Leonid I., 1964–1982) und schließlich erklärtermaßen offene Zerstörer und Verräter der Partei und des Sozialismus ab. Unter Gorbatschow (Michail S., 1985–1991) als Generalsekretär wurde die Führungsrolle der KPdSU abgeschafft, unter dem »Präsidenten« der russischen Teilrepublik (RSFSR) Jelzin (Boris N., 1991–1999) die Partei verboten, der Staatenbund der UdSSR aufgelöst (1991/92) und die sozialistische Planwirtschaft in hohem Tempo privatisiert und zur Ausbeutung durch ausgewählte Geschäftemacher freigegeben.

Ohne den »Kalten Krieg« der imperialistischen Welt gegen den Sozialismus ist weder der Untergang der UdSSR in historisch kurzer Zeit noch die gleichzeitig ablaufende Zerstörung der kommunistischen Weltbewegung zu verstehen. Zu Unrecht überschätzen Kritiker des unsäglichen Opportunismus und Revisionismus der Jahrzehnte nach 1953, als Theorie und Praxis des Kommunismus angegriffen wurden, mitunter die gefährliche Rolle und Ausstrahlung solcher Sozialismusfremdlinge und marxismusferner Parteiführer wie Chruschtschows und seiner Nachfolger. Doch die Zerstörung des Weltsozialismus und seine Zersetzung sind nur auf dem Hintergrund der langfristig abgestimmten Strategie des Kalten Krieges zu verstehen, – zerstörerisch nicht nur gegenüber der UdSSR und in Europa, sondern auch in Asien (Indochina, Indonesien, Philippinen), in Afrika, in Mittel- und Südamerika.

Fortsetzung des Kalten Krieges?

Zuerst im Alleinbesitz der Atomwaffe, stellten es sich die Westmächte 1945 vor, die Sowjetunion zurückdrängen zu können, wenigstens bis in ihre Außengrenzen von 1938 (!). Doch schon im August 1949 gelang in der UdSSR der erste Atombombenversuch. Als die USA 1952 die erste thermonukleare (Wasserstoff-)Bombe zündeten, war ein Jahr später auch die UdSSR so weit. Damit war das berühmte atomare »Patt« geschaffen, das von da an den Kalten Kriegern die Entfesselung eines Kernwaffenkrieges als zu riskant erscheinen ließ. Dieser Umstand hat es auch zuwege gebracht hat, daß heute, wo die beiden Atomgroßmächte schon allein jeweils über viele tausend Atomsprengköpfe verfügen, jene Gefahr bisher trotz aller waffentechnischen Vorbereitungen der westlichen Welt gebannt blieb.

Bis heute ist die Welt ungeachtet dessen niemals frei von Kriegsdrohung und Kriegsfurcht gewesen und der Gefahr imperialistischer Kriege und atomarer Morddrohungen nicht entgangen. Der geschilderte riesige Mechanismus des Kalten Krieges unter Führung der USA, nun vor fast 70 Jahren entstanden, existiert weiter mit keineswegs vermindertem Drohpotential, mit neuen Strategien, mit vermehrten Waffen und neuen Waffengenerationen. Er ist höchst lebendig, obwohl sich in den letzten Jahrzehnten vieles in der Welt verändert hat.

Zerstörung und Zerfall der UdSSR werden zwar allgemein als Beleg für den »Rollback« des Sozialismus/Kommunismus in der Welt und damit für den wichtigsten Erfolg des Kalten Krieges angesehen. Gründlicher als je vorstellbar ist mit der Auflösung der UdSSR auch die sozialistisch-kommunistische Weltbewegung und mit der Oktoberrevolution die Erinnerung an die größte Errungenschaft des vorigen Jahrhunderts versunken.

Aber die kommunistische Welt ist nicht, wie es eine Zeitlang schien, zur Gänze untergegangen. Sie hat langsam an Widerstandskraft gewonnen, wenn auch nicht frei von Schwierigkeiten und Rückschlägen. Einstweilen können nur China und das kleine, stets bedrohte Kuba als sozialistische Länder unter kommunistischer Führung bezeichnet werden – die inzwischen als marxistisch geführt in Asien und Amerika und darüber hinaus wachsende Anerkennung genießen und der imperialistischen Feindschaft der gesamten »westlichen Welt« nun schon ein halbes Jahrhundert widerstehen. China ist in historisch kurzer Zeit zu einer Großmacht herangewachsen, vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet, und ist hier im Weltmaßstab zu einem ernsthaften Konkurrenten der imperialistischen Mächte geworden. Das riesige Reich hat allerdings nach einer jahrelangen und schwierigen Anfangsphase (»Großer Sprung«) trotz enormem wirtschaftlichen Wachstumstempo existentielle soziale Probleme zu bewältigen, die höchste Anforderungen an die Geschlossenheit und Zielstrebigkeit der marxistischen Partei stellen.

Restrußland – heute »Russische Föderation« – ist mit seiner schieren Größe und seiner gemischt privatwirtschaftlich-staatlich kontrollierten Wirtschaft immerhin eine von den imperialistischen Ländern feindselig beobachtete Großmacht, die auch militärisch ein nicht zu unterschätzendes Potential darstellt. Wie eng die Verbindung der Russischen Föderation zu anderen Teilen der früheren UdSSR, etwa in der GUS (Gemeinschaft Unabhängiger Staaten), und wie groß der gegenseitige Einfluß aufeinander ist, bleibt unklar. Jedenfalls ist ihr Widerstand gegen eine Unterordnung unter die imperialistischen Mächte erheblich.

Als sozialistisch können weder Staat noch Wirtschaft der Russischen Föderation noch sonst eines Reststaates der früheren UdSSR heute bezeichnet werden, wenn auch gewisse Kreise der Bevölkerung, zum Beispiel der Intelligenz, dem Sozialismus anhängen und auch einige wenig einflußreiche Kommunistische Parteien existieren. Anderweit herrscht hingegen offene antirussische Feindseligkeit (baltische Staaten, Georgien).

Die Möglichkeiten des US-Imperialismus, Süd- und Mittelamerika als seinen »Hinterhof« in wirtschaftlicher, militärischer und terroristischer Botmäßigkeit zu halten, sind inzwischen im Schwinden begriffen. Länder wie Venezuela, Bolivien und Brasilien gelangen zu Unabhängigkeit und internationalem Einfluß.

Veränderungen der NATO-Strategie

Seit den 90er Jahren redet die imperialistische Propaganda vom Ende des Kalten Krieges, dieses blutbeladenen Lügenbegriffes. Seine amerikanischen Urheber sind sich inzwischen der Unantastbarkeit ihrer alleinigen Weltmachtstellung sicher. Allerdings haben sich die globalen Bedingungen ihrer Weltherrschaft stark verändert und verändern sich weiter. Die Strategen des Kalten Krieges sind bemüht, ihren durchaus noch funktionsfähigen Apparat diesen Bedingungen anzupassen. Ihr bisheriges Erfolgsrezept hat sie bisher nach eigenen Aussagen (William Clinton; George W. Bush) »Billionen Dollar« gekostet. Die Interessen der an solchen Ausgaben beteiligten Verbündeten sind inzwischen stark diversifiziert und auf eigene imperialistische Ziele gerichtet. Wenn die US-Amerikaner ihren Herrschaftsbereich jetzt vorrangig in Asien und in der Pazifikregion ausdehnen wollen, ohne den Nahen Osten oder auch Südostasien und den Indischen Ozean zu vernachlässigen (siehe jW vom 23. bis 25.3.2013), so läßt das schon an eine neue Phase der US-Weltherrschaft denken, die Indien, Indochina, Japan, Australien und, wie auch immer, China einzubeziehen plant.

Die Bemühungen, neben der Nordatlantik-Strategie auch diese Räume in ihr System beherrschender Ausbeutung einzubeziehen, sind seit Ende des 20. Jahrhunderts aktenkundig. In den 90er Jahren entstand der sogenannte No-Rival-Plan, nach dem als oberstes strategisches Gebot galt und gilt, keinen ernsthaften Konkurrenten oder gar Widersacher für die USA je hochkommen zu lassen. Unter George W. Bush war dieser Plan als »Bush-Doktrin« bei gegebener Gelegenheit bereits präzisiert worden. Die seit jener Zeit so bezeichneten »Schurkenstaaten«, vor allem im Mittleren Osten, müßten auch »präventiv« innerhalb von Tagen und Wochen »tödlich und mobil« bekämpft werden können. Der »Krieg gegen den Terror« ist bis heute die gängige Form des Kalten Krieges.

Zu Beginn des jetzigen Jahrhunderts bestimmte die Obama-Administration vor aller Welt die hauptsächliche geopolitische und geographische Zielsetzung des Kalten Krieges neu. Die USA werden, so Obama Ende 2012 bei seinem Staatsbesuch in Australien, »unsere Präsenz und unsere Missionen im asiatischen Pazifik zur Top­priorität machen« – unter Hinterlassung von bis dahin mehr als zwei Millionen Todesopfern in Irak, Afghanistan und Pakistan! »Die USA sind eine pazifische Macht – und wir sind hier, um zu bleiben.« Viel ist dabei die Rede von der »neuen Weltordnung«, aber die Vermehrung der US-Flugzeugträger, U-Boote und Bomber in der Region schon seit geraumer Zeit zielt eindeutig auf den heranwachsenden Konkurrenten ­China. Chinas militärische Verteidigungsausgaben wachsen, allerdings in der bescheidenen Größenordnung von jährlich vielleicht fünf Prozent der US-amerikanischen. Die Russische Föderation erklärt seit längerer Zeit, sie werde die Vermehrung der NATO-Basen rings um Rußland nicht hinnehmen und droht, ein zusätzliches Rüstungsprogramm aufzulegen, das in den nächsten zehn Jahren jeweils 75 Milliarden US-Dollar kosten soll, d.h. die Hälfte der jährlichen US-Ausgaben für Neubewaffnung.

Die nördlichste Stadt Australiens, Darwin, werde, so Obama, zum US-Großstützpunkt mit Hafen und Großflughafen eingerichtet. Von Begeisterung der Australier wird nichts berichtet. Die bisher wichtigsten pazifischen Stützpunkte der USA sind diejenigen auf Guam und in Japan. Das Pentagon scheint seit 2011 speziell gegen China eine hochmoderne, umfassende Strategie vorzubereiten (Air-Sea-Battle-Doktrin).

Die neue Strategie genießt bisher die Unterstützung Japans. Die USA rüsten ihre Militärbasen im pazifischen Raum auf (Südkorea; Diego Garcia) und festigen ihre Verbindungen zu Taiwan, Singapur, Thailand und den Philippinen.

Sozialismus oder Barbarei

Gar keine Frage, daß der US-Ausschließlichkeitsanspruch auf Herrschaft und Ausbeutung auf Widerstand stoßen wird. Schon die »­Billionen« für die Fortsetzung des Kalten Krieges bereitzustellen stößt bei den bisherigen Hilfsvölkern und Verbündeten auf Schwierigkeiten und Unwillen. Die europäischen NATO-Verbündeten tragen schon seit Jahren ungern oder nicht mehr die zwei Prozent des gewohnten Beitrags (vom BIP). Gerade Deutschland als »Schlüsselstaat« des Kontinents, so beschwerte sich neuestens ein US-Experte (2012), leiste nur 1,3 Prozent und scheue »die politische und auch militärische Führung«.

Es ist nicht im einzelnen vorauszusehen, wie die USA die pazifische Welt »neu ordnen« wollen. Für Wohltätigkeit und Entwicklungshilfe werden sie dort wohl kaum sorgen, eher werden sich kolonialistische Ausbeutung, Einschüchterung, Gewaltherrschaft und Blutvergießen, Rassen- und Religionsterror ausbreiten. Widerstand gegen eine solche Herrschaft gibt es und wird es geben. Aber ohne einheitliches Vorgehen und zielbewußte Führung der Völker werden nur zeitlich und örtlich begrenzte Erfolge zu erzielen sein.

Steht uns eine Welt ohne Sozialismus bevor – eine ausgelieferte Welt, die den Kalten Krieg für die ihr gemäße Existenzform hält und die drängenden Menschheitsprobleme (Klima­katastrophe, Umwelt- und Energiekatastrophe, Armut, Hunger und Seuchen) zu bewältigen nicht in der Lage ist?

* Von Dietrich Eichholtz erschien an dieser Stelle zuletzt »Die große Wende im Osten. Das Kriegsjahr 1943: Anfang vom Ende faschistischer Besatzung« (jW-Thema vom 15.1.2013). Beiträge unseres Autors finden sich in der jW-Broschüre »›Barbarossa‹. Raubkrieg im Osten« (5,80 Euro, im jW-Shop erhältlich).

Dieser Beitrag erschien in zwei Teilen am 1. und 2. August 2013 in der "jungen Welt"



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