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Afrikanische Staaten würden auf Atomkraft setzen

Energiekonzerne locken mit wirtschaftlichem Aufschwung und Arbeitsplätzen

Von Kristin Palitza, Kapstadt *

Deutschland und die Schweiz wollen den Atomstrom abschalten. Afrika hat ihn für sich entdeckt. Momentan gibt es zwar nur ein Atomkraftwerk auf dem Kontinent – in der Nähe des südafrikanischen Kapstadt – doch das soll sich ändern.

Zwei Drittel der Bevölkerung südlich der Sahara müssen noch immer ohne Strom leben. Atomenergie soll das ändern. Vom Norden bis zur Südspitze des Kontinents signalisieren immer mehr Regierungen Interesse, trotz der Japan-Krise. Denn Afrika hat seine eigenen Sorgen: die Entwicklung des Kontinents. Und dafür wird Strom gebraucht.

Derzeit wird weniger als drei Prozent von Afrikas Elektrizität mit Hilfe von Atomenergie hergestellt. Doch seitdem die Rohölpreise 2003/2004 drastisch anstiegen, ist auch in afrikanischen Ländern das Interesse am Atomstrom gewachsen. Viele Staaten haben bereits begonnen, gesetzliche Rahmenbedingungen für den Einstieg zu schaffen.

Marokko bereitet sich für den Atomeinstieg in 2017 vor, Namibia in 2018. Nigerias und Ägyptens erste Kraftwerke sollen bis 2020 gebaut werden. Kenia hat 1,5 Millionen Euro als Startfinanzierung für den Bau eines Reaktors zur Seite gelegt. Ghana gründete vor kurzem eine nationale Atomaufsichtsbehörde. Riesige Uranvorkommen

Auch Angola, Algerien, Nigeria, Marokko, Tunesien, Uganda und Kenia erwägen Atomenergie. Selbst Afrikas ärmste Nationen Burundi, Kongo und Kap Verde sind der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) beigetreten.

Die Produktion von Kernbrennstoff ist für viele Länder des bodenschatzreichen Kontinents das kleinste Problem. Namibia, Niger und Südafrika haben riesige Uranvorkommen und produzieren zusammen rund 15 Prozent des weltweiten Bedarfs. Doch auch viele ihrer Nachbarn bauen das radioaktive Metall ab. Anlagen zur Urananreicherung gibt es auf dem Kontinent allerdings noch nicht.

Südafrika ist der klare Vorreiter in Sachen Atomenergie: das Land will bis 2023 sechs neue Kernkraftwerke bauen und auf diese Weise fast ein Viertel seines Energiebedarfs decken. Der Rest des Kontinents soll mitziehen. »Südafrika würde seine neu gewonnene Expertise gern an andere Länder verkaufen und versucht diese anzuwerben«, sagt der südafrikanische Energieexperte David Fig.

Die Risiken, die Atomenergie mit sich bringt, werden dagegen kaum debattiert. Der Kontinent ist von anderen Sorgen geplagt. So klammert man sich an Versprechen der Atomkraftlobby von wirtschaftlichem Aufschwung, Arbeitsplätzen und Energiesicherheit. Bedenken über Sicherheit, Abbau von Uran und Lagerung des Atommülls finden kaum Gehör. Die Pro-Atom-Propaganda läuft in Afrika besonders heiß, seitdem es für Nuklearunternehmen immer schwieriger wird, ihre Technologie in Industrieländern an den Staat zu bringen. Französische, russische und chinesische Atomenergiekonzerne rangeln deshalb um Geschäftsmöglichkeiten in Afrika. »Atomenergiekonzerne versuchen krampfhaft neue Kunden zu finden und locken afrikanische Regierungen mit schmackhaften Angeboten«, erklärte Fig.

Senegal will »atomfreie Zone«

Die einzige Ausnahme ist Senegal. Das westafrikanische Land hat nach Fukushima seine Pläne für ein erstes Atomkraftwerk in 2020 rückgängig gemacht. Präsident Abdoulaye Wade will außerdem einen Antrag an die Afrikanische Union (AU) stellen, um den Kontinent zur »atomfreien Zone« zu erklären. Doch seine Erfolgschancen sind dünn. Der Rest des Kontinents bleibt auch nach der Katastrophe in Japan störrisch pro-nuklear.

Für den Atomeinstieg muss Afrika allerdings noch einige Hürden nehmen. Bevor ein Kraftwerk steht und erste Rendite verbuchen kann, müssen Regierungen Millionen vorstrecken, selbst wenn ausländische Investoren finanzielle Unterstützung anbieten. Viele Länder unterschätzen die Kosten.

Ein weiteres Hindernis ist der Mangel an technischem Know-how. Zwischen 200 und 1000 Wissenschaftler braucht man im Durchschnitt pro Atomkraftwerk. Dabei gibt es in ganz Afrika nicht einmal 10 000 qualifizierte Leute. »Es wird noch lange dauern bis Afrika die notwendige Expertise hat«, glaubt Tristen Taylor, Umweltexperte der Organisation Earthlife. »Die meisten Länder besitzen noch nicht einmal ein ausreichend großes Stromnetz, um einen Reaktor anzuschließen.« So könnte sich das Projekt Atomenergie in Afrika von selbst erledigen, hofft er.

* Aus: Neues Deutschland, 4. Juli 2011


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