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Sonniger Systemwechsel

Zweite Ausschreibungsrunde für Solarstromanlagen auf Freiflächen beendet. Künftig gilt veränderte Vergütung von Energie aus erneuerbaren Quellen

Von Tatiana Abarzúa *

Bei der Vergütung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen ändert sich einiges: Statt wie bisher einen festgelegten Betrag pro Kilowattstunde einzustreichen, müssen Betreiber von Solarstromanlagen für Projekte auf Freiflächen nun auf Ausschreibungen reagieren. Die zweite Runde endete am Montag. Im Laufe der nächsten Woche wird die Bundesnetzagentur die Auswertung der eingereichten Gebote veröffentlichen. Erst vor wenigen Tagen verkündete das Bundeswirtschaftsministerium, dass ab Ende 2016 auch Windkraftanlagen an Land und Photovoltaikanlagen auf Dachflächen ausgeschrieben werden sollen.

Bereits im vergangenen Jahr hat die Bundesregierung beschlossen, dass Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien nicht mehr generell eine Vergütung nach dem Gesetz für erneuerbare Energien (EEG) erhalten sollen. Statt dessen soll bis spätestens 2017 die Höhe der Förderung über Ausschreibungen ermittelt werden. Dies stellt innerhalb des EEG einen Systemwechsel dar. Die Ausschreibungen für Photovoltaikanlagen auf Freiflächen (PV-Freiflächen) sind ein erster Schritt in diese Richtung. Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) begründet dies mit der Einordnung des EEG als Beihilfe. Die Leitlinien für Energie- und Umweltbeihilfen legen Ausschreibungen fest. Diese Sichtweise ist unter Juristen umstritten, da der Europäische Gerichtshof im März 2001 mit Bezug auf geltendes EU-Recht genau gegenteilig urteilte. Die EU-Kommission schloss sich 2002 dieser Wertung an.

In der zweiten Runde war ein Ausschreibungsvolumen von 150 MW vorgesehen, für dessen Angebotseinholung die Bundesnetzagentur zuständig war. Bei diesem Durchgang gibt es noch ein Einheitspreisverfahren. Der Höchstwert für den Zuschlag beträgt für diesen Termin 11,18 Cent pro Kilowattstunde. Langfristig solle der Systemwechsel dazu führen, dass erneuerbarer Strom nur in der Höhe vergütet wird, »die für einen wirtschaftlichen Anlagenbetrieb erforderlich ist«, wie das BMWi auf seiner Internetseite schreibt.

Am vergangenen Freitag veröffentlichte das Ministerium die »Eckpunkte« für die geplanten Ausschreibungen für Anlagen zur Nutzung von erneuerbaren Energien. In diesem Konzept werden Angebotseinholungen für Anlagen ab ein Megawatt Nennleistung vorgeschlagen. Diese sollen mehrmals im Jahr stattfinden. Bei der Windenergie sollen zunächst nur Flächen für Windkraftanlagen an Land in das Verfahren integriert werden. Für Windenergie auf See sollen Ausschreibungen erst in 2021 (Ostsee) und 2024 (Nordsee) eingeführt werden. Anders als zuvor veröffentlicht, soll die Methode nicht bei Geothermieanlagen angewendet werden. Wasserkraft und Bioenergie sind ebenfalls ausdrücklich von dem Modell ausgenommen.

Das Bild der Energiewende in Deutschland wird geprägt von einer Vielzahl an Bürgersolarkraftwerken und -windparks. Insgesamt gibt es im Bundesgebiet etwa 900 Energiegenossenschaften, bei den Neugründungen ist allerdings ein rückläufiger Trend zu verzeichnen (siehe jW vom 21. Juli), und auch Branchenbeobachter weisen darauf hin, dass sich die Konstellation ändern könnte. Das Instrument der Ausschreibung könnte eine zu große Hürde für Genossenschaften darstellen. Dabei ist der Gesetzgeber laut EEG dazu verpflichtet, bei der Umstellung der Methode die Akteursvielfalt zu erhalten. Das BMWi hat deshalb eine Unterarbeitsgruppe zum Thema eingerichtet, die sich seit März dreimal getroffen hat. Diese soll die Auswirkungen des neuen Verfahrens auf die sogenannte Bürgerenergie untersuchen. Eine in diesem Rahmen von der Bundesgeschäftsstelle der Energiegenossenschaften vorgelegte Studie zeigt, dass das Ausschreibungsmodell kleinere Akteure durchaus abschreckt, da sie den zu erzielenden Preis im Vorfeld nicht abschätzen können und ein Engagement, das mit finanziellen Risiken verbunden ist, scheuen, wenn unsicher ist, ob sie den Zuschlag erhalten.

So haben bei der ersten Ausschreibungsrunde im April vier Genossenschaften Gebote eingereicht. Die meisten der 25 Bieter waren Unternehmen mit einer Rechtsform als Kommanditgesellschaft oder GmbH. Die Auswertung dieser Runde zeigt, dass alle 25 Bieter, die den Zuschlag für die Errichtung ihres Solarparks erhielten, juristische Personen sind. 40 Prozent des Ausschreibungsvolumens gingen an die Tochterunternehmen einer einzigen Firma, der Sybac Solar GmbH. Alle PV-Projekte, die einen Zuschlag erhalten haben, waren größer als ein Megawatt (MW). Bei diesem ersten Durchgang wurde jedem erfolgreichen Gebot exakt die gebotene Förderhöhe zugeteilt. Der höchste erfolgreiche Gebotswert lag bei 9,43 Cent pro Kilowattstunde. Große Unterschiede weist die regionale Verteilung auf: Die meisten Zuschläge haben Projekte in Brandenburg (67 MW) und Sachsen-Anhalt (35 MW) erhalten. Das Ausschreibungsvolumen von 150 MW war mit 715 MW mehr als vierfach überzeichnet. Gebote, die bei der ersten Runde keinen Erfolg hatten, konnten bei der zweiten Runde erneut eingereicht werden. Eventuell kommen dieses Mal auch kleinere Projekte wie Genossenschaften zum Zug.

* Aus: junge Welt, Freitag, 7. August 2015


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