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Kinder sind keine Soldaten

Eine Broschüre von terre des hommes

Die "Koalition für die Beendigung des Einsatzes von Kindersoldaten" hat eine lesenswerte Broschüre herausgegeben. Die Studie "Kinder sind keine Soldaten" enthält folgende Kapitel:
  • Kindersoldaten ­ Ein Überblick
  • Es wird immer schlimmer
  • Warum sollten "Unter-18jährige" nicht zu den Waffen dürfen?
  • Kindersoldaten: Eine Form der Kinderarbeit
  • Die rechtlichen Standards
  • Staaten, die unter 18-jährige in den Streitkräften rekrutieren
  • Vorschlag der Koalition für ein effektives Zusatzprotokoll
  • Die Umsetzung der Standards in die Praxis
  • Die Koalition für die Beendigung des Einsatzes von Kindersoldaten
  • Ausgewählte Bibliografie
  • Kontaktadressen

Vorwort
Kindersoldaten: ein Überblick


1997/98 waren weltweit schätzungsweise 300 000 Kinder ­ Mädchen wie Jungen ­ in bewaffnete Auseinandersetzungen involviert. Weitere Hunderttausende sind in die Armeen von Regierungen oder bewaffneten Oppositionsgruppen eingebunden und können jederzeit zum Kämpfen gezwungen werden. Viele werden nach den Gesetzen ihres Landes legal eingezogen, nicht wenige Kinder wurden entführt, sie wurden Opfer von Erpressung und Mißhandlung oder aber sie sind anderen Formen von Zwang ausgesetzt.

Das Leben für die jungen Rekruten ist hart. Oft werden sie zuerst als Boten, Träger und Spione eingesetzt, nicht selten enden sie an der Front. Im Irak-Iran-Konflikt in den 80er Jahren wurden Kinder als Kanonenfutter und in den Minenfeldern an der Front "verheizt", um den ausgebildeten Soldaten den Weg zu bahnen. Als Mitglieder bewaffneter Einheiten verlieren ­ nach den Genfer Konventionen ­ Kinder ihren Schutz als Teil der Zivilbevölkerung. Militärische Angriffe auf sie sind völkerrechtlich erlaubt. Im Kampf sind Kinder wegen ihrer relativen Unreife gefährdeter als Erwachsene; Drogen und Alkohol, zu deren Einnahme sie oftmals gezwungen werden, vergrößern das Problem. Selbst in Regierungstruppen werden Kinder oft brutal behandelt, und die Strafen für Fehler können sehr hart sein. Nach einer Untersuchung der Vereinten Nationen (UNO) kann versuchte Desertion zu Gefängnis oder sogar zu summarischen Hinrichtungen führen.

Selbst Mädchen werden rekrutiert, oft gewaltsam, wenn auch in geringerer Zahl als Jungen. Sie werden gewöhnlich als Köchinnen und/oder Prostituierte eingesetzt ­ manches Mädchen wird gezwungen sein, die sexuellen Bedürfnisse vieler Soldaten im Lager zu befriedigen. Mitunter werden sie auch bei Kampfhandlungen eingesetzt. Eine ehemalige kolumbianische Guerillakämpferin wurde mit 13 Jahren "eingezogen". Sie berichtete dem Menschenrechtsbeauftragten der kolumbian-ischen Regierung, daß sie mit Pistolen, AK-47`s, Galil-MP's, M-16 Sturmgewehren, R-15`s, UZI's, Ingrams und einer 357-Magnum umgehen kann. "In der Organisation lernst du schnell, daß deine Waffe dein Leben ist, sie ist deine Mutter, die Tag und Nacht für dich wacht." Untersuchungen zeigen, daß zumindest in der Vergangenheit Mädchen eher in bewaffneten Oppositionsgruppen als in Regierungsarmeen zu finden sind. So stellten zum Beispiel Mädchen und Frauen in Äthiopien zwischen 25 und 30 Prozent der bewaffneten Oppositionstruppen.

Die Kinder, die in abgelegenen Konfliktgebieten oder in Flüchtlingslagern heranwachsen, sind besonders gefährdet, von bewaffneten Einheiten ausgebeutet zu werden. Oft wurden ihre Familien auseinandergerissen, die Kinder blieben sich selbst überlassen im Ort zurück. Die dörflichen Unterstützungsstrukturen funktionieren nicht mehr, es herrscht soziale und wirtschaftliche Unsicherheit. Die Flüchtlinge sind oft von der Gnade bewaffneter Gruppen abhängig, angesichts der desolaten Situation finden sie leicht neue Kämpfer. Die spezielle Verwundbarkeit der entwurzelten Kinder, speziell der in Flüchtlingslagern, wird in zunehmendem Maße durch die internationale Gemeinschaft beobachtet. Diese Kinder sind in Gefahr, zu Kämpfern zu werden. Je näher das Konfliktgebiet, desto höher ist das Risiko.

Zusätzlich zum Risiko von Tod oder ernster Verletzung im Kampf müssen die Kinder die harten Lebensbedingungen des militärischen Alltags in Kauf nehmen. Jüngere Kinder bekommen durch das häufige Tragen schwerer Lasten Rücken- und Schulterschmerzen, Dauerschäden sind die Folge. Sie leiden darüberhinaus an Unterernährung, an Hör- und Sehproblemen, an Infektionen der Atemwege und der Haut sowie an Geschlechtskrankheiten. Aids ist keine Seltenheit. Hinzu kommen schwerwiegende psychologische Folgen, wenn Kinder aktiv an Feindseligkeiten teilnehmen, Grausamkeiten miterleben beziehungsweise selbst an ihnen beteiligt sind. Die volle Bedeutung dieser Schäden für die betroffenen Kinder, aber auch für die Gesellschaft, wird erst langsam deutlich.

Der Einsatz von Kindersoldaten hat außerdem Rückwirkungen auf die Entwicklung der anderen Kinder in der Konfliktzone. Wenn bestimmte Kinder für militärische Zwecke eingesetzt werden, geraten letztlich alle Kinder in Verdacht. Das ist gefährlich: Kinder werden getötet, gefangen, verhört oder vorzeitig rekrutiert. Außerdem stellen Kindersoldaten ein Risiko für die ganze Zivilbevölkerung dar: In angespannten Situationen können sie weniger als Erwachsene dem Druck standhalten und sind "schießfreudiger". Um diesen Gefahren zu begegnen, haben die Vereinten Nationen für ihre UN-Friedenstruppen ein Mindestalter von 18 Jahren erlassen. Das Mindestalter für die Teilnahme an Friedensoperationen in Konfliktgebieten wurde auf 21 Jahre heraufgesetzt.

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