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"Zusammenarbeit mit dem Militär beenden"

Die Bundeswehr sponsert eine Friedenstagung der evangelischen Akademie. Ein Gespräch mit Rainer Schmid


Rainer Schmid ist evangelischer Pfarrer, Mitglied des Versöhnungsbunds, der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) und der Ökumenischen Initiative zur Abschaffung der Militärseelsorge.

Ausgerechnet eine Tagung der Evangelischen Akademie in Berlin unter dem Titel »Menschen geschützt – gerechten Frieden verloren?« die von Donnerstag bis Samstag in Berlin stattfindet, wird von der Bundeswehr gesponsert. Wie bewerten Sie diesen Umstand?

Wir müssen wachsam sein, wenn die Bundeswehr versucht, sich in die Kirche einzuschleichen, salonfähig zu werden und Werbung für sich zu machen. Diese Veranstaltung ist Teil des gemeinsamen Projekts »Dem Frieden der Welt zu dienen« der Evangelischen Akademien in Deutschland (EAD). Die darin zusammengeschlossenen fünf Akademien nehmen Geld von der Arbeitsgemeinschaft Ethische Bildung in den Streitkräften (AEBIS), die von der Evangelischen Militärseelsorge gegründet wurde. Es ist so: Die Bundeswehr hat viel Geld zur Verfügung, die Akademien haben wenig. Bestechung wäre sicher das falsche Wort, aber es besteht die Gefahr der Einflußnahme. Einerseits werden dort wichtige Persönlichkeiten sprechen. Unter anderem Renke Brahms, Friedensbeauftragter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Fernando Enns, Leiter der Arbeitsstelle »Theologie und Friedenskirchen« an der Universität Hamburg und Professor an der Universität Amsterdam und der Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke Paul Schäfer. Zugleich werden aber Dirk Rademacher vom Evangelischen Kirchenamt für die Bundeswehr sowie der Militärdekan Dirck Ackermann sprechen. Es ist doch klar: Die Bundeswehr gibt nicht einfach so Geschenke! Gegenleistung wird erwartet.

Welche Brisanz liegt in diesem Fall?

Die besteht darin, daß der Kongreß in Berlin die 10. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen, des World Council of Churches (WCC), vorbereiten soll, der am 30. Oktober in Busan/Korea beginnt. Dort wird es um die Frage gehen, wie man Kriege und Gewalt überwinden kann. Dabei will das Militär gerne mitreden. Unser Anliegen ist, daß die Kirche endlich die traditionelle Zusammenarbeit mit dem Militär beendet.

Wie ist zu erklären, daß kirchliche Institutionen Militärsponsoring nicht ablehnen?

Seit den Zeiten des römischen Kaisers Konstantin im vierten Jahrhundert haben Thron und Altar gemeinsame Sache gemacht. Heute erleben wir deren Ausläufer: Es gibt Geld, und die Kirchen unterliegen dieser Versuchung.

Welche Funktion hat die Militärseelsorge?

Die Militärseelsorge ist ein untergeordneter Bereich des Bundesverteidigungsministeriums. Ähnlich wie andere Dienststellen dort, beispielsweise die Truppenpsychologie, die Militärmusik, die Feldküche und der Sanitätsdienst, erfüllt sie eine Rolle innerhalb des Militärs – ein kleines Rad in der großen Militärmaschine. Pfarrer, die dort tätig sind, haben ihre Büros in der Kaserne, fahren mit militärischen Fahrzeugen, im Ausland und auf Kriegsschiffen tragen sie militärische Kleidung. Es gibt eine Kammerdienermentalität. Sie reden und denken wie das Militär vom vermeintlichen Schutz von Menschenrechten und Minderheiten. Außerdem legitimieren sie die Kriegseinsätze, indem sie die Soldaten begleiten. Die denken dann nämlich, daß das, was sie hier tun, nicht so schlimm sein kann.

Welche Schritte zur Abschaffung der Militärseelsorge fordert die Ökumenische Initiative?

Die Kirche soll sich in eigener Verantwortung, eigenen Räumlichkeiten, mit eigenen Finanzen um die Soldaten kümmern; so wie es in der DDR war: Pfarrer sollen nicht dem Militär unterstellt sein. Unsere Initiative hat sich im Herbst 2012 gegründet. Unter anderem unterstützen uns der Internationale Versöhnungsbund, deutscher Zweig; der Bund der Religiösen Sozialistinnen und Sozialisten Deutschlands (BRSD), der Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Christinnen und Christen bei den Grünen. Wir knüpfen derzeit auch ein internationales Netz, weil es in vielen Ländern der Welt das Problem gibt, daß das Militär und die Kirche eng zusammenarbeiten.

Interview: Gitta Düperthal

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 12. Juni 2013


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