Ein Christ gegen Krieg
Düsseldorf ehrt den antifaschistischen Geistlichen Joseph Rossaint
Von Hans Canjé *
In einer gemeinsamen Feierstunde der katholischen Kirche Düsseldorf, der Mahn- und Gedenkstätte
Düsseldorf und der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes-Bund der Antifaschisten (VVNBdA)
wird heute in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt an der Kirche Maria Empfängnis
eine Gedenktafel für den antifaschistischen Geistlichen Dr. Joseph Rossaint angebracht.
Das Datum ist nicht zufällig gewählt: Am 28. April 1937 verurteilte der faschistische Volksgerichtshof
den 35-jährigen Geistlichen als Hauptangeklagten im »Berliner Katholikenprozess« wegen
»Vorbereitung zum Hochverrat« und der »versuchten Bildung einer Einheitsfront zwischen
Katholiken und Kommunisten« zu elf Jahren Zuchthaus unter »erschwerten Bedingungen«.
Der am 2. August 1902 in Herbesthal/Kreis Eupen (Belgien) geborene Rossaint war nach seinen
Theologie- und Philosophiestudium 1927 zum Kaplan in Oberhausen und ab 1932 in Düsseldorf
bestellt worden. Schon vor 1933 war er als führender Vertreter des Katholischen
Jungmännerbundes aktiv gegen die mit dem aufkommenden Faschismus verbundene Gefahr eines
Krieges eingetreten, der »mit all seiner neuen Technik das grässlich-grandiose Leichenbegräbnis
Europas« sein würde. Dazu suchte und fand er auch das Bündnis mit Funktionären des
Kommunistischen Jugendverbandes (KJVD), die er zu Veranstaltungen des Jungmännerbundes
einlud. Er sprach mit dem Jungkommunisten Max Reimann und Ewald Kaiser, dem Vertreter des
KJVD im französischen Exil, über Möglichkeiten der Zusammenarbeit von Kommunisten und
Katholiken.
Nach dem morgendlichen Gottesdienst am 29. Januar 1936 wurde er in Düsseldorf beim Verlassen
der Kirche Maria Empfängnis von der Gestapo verhaftet. »Hochverrat katholischer Priester –
katholisch-kommunistische Einheitsfront« titelte die Oberhausener »Nationale Zeitung«. Welche
Bedeutung das Regime dem am 7. April vor dem »Volksgerichtshof« der Prozess gegen den
»Sowjetapostel« Rossaint und sieben weitere Angeklagte eröffneten Prozess beimaß, lassen
Tagebucheintragungen von Joseph Goebbels erkennen. »Dieses Gezücht muss man mit Stumpf
und Stiel ausrotten«, hatte der Reichspropagandaminister am 10. April notiert. Sein Kommentar vom
23. April, die Anklage hatte 15 Jahre Zuchthaus für Rossaint beantragt: »Hoffentlich bekommt das
Schwein sie auch.«
Als am 28. April nach einem dreiwöchigen, international stark beachteten Schauprozess das Urteil
gefällt wurde, hatte sich die Spitze der deutschen katholischen Kirche längst von Rossaint und den
anderen Angeklagten distanziert. Schon unmittelbar nach der Verhaftungsaktion hatte der Kölner
Erzbischof Karl-Joseph in Kanzelverkündungen verlauten lassen, durch die Verhaftungen könnte die
»vor aller Welt offenkundige Tatsache nicht beseitigt werden, dass der Katholische
Jungmännerbund seit drei Jahrzehnten getreu des katholischen Glaubens gegen Marxismus und
Kommunismus in vorderster Front kämpft«. Erzbischof Kardinal Michael Faulhaber, Vorsitzender der
Bayerischen Bischofskonferenz, erklärte am 4. November 1936 bei seinem Treffen mit Hitler,
»Entgleisungen« werde es immer geben. Und er versicherte dem Reichskanzler, dass »alle
deutschen Bischöfe und alle amtlichen Stellen der Kirche davon überzeugt sind, der Bolschewismus
kann nur Chaos und Ruin des religiösen Lebens bringen«, und diese daher mit allen Mitteln, »ohne
ins Politische sich zu verirren, gegen den Bolschewismus anzukämpfen bereit sind.«
Die Kirche blieb auch nach 1945 auf Distanz zu Rossaint. Als jener nach acht Jahren Zuchthaushaft
beim Kölner Erzbischof Kardinal Joseph Frings um Übertragung einer Pfarrei nachsuchte, stellte der
die Bedingung. er müsse alle Beziehungen zu seinen kommunistischen Mithäftlingen abbrechen und
sich künftig nicht mehr politisch betätigen. Der tiefgläubige Katholik lehnte diese Forderung ab. Er
wurde Mitglied der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, war lange Jahre einer ihrer
Präsidenten und bis zu seinem Tod am 16. August 1991 ihr Ehrenpräsident.
Die heutige Ehrung des Geistlichen ist so die verdiente, wenn auch für Düsseldorf späte Ehrung für
einen Mann, der, so Stadtdechant Msgr. Rolf Steinhäuser bei einer Gedenkveranstaltung anlässlich
des 100. Geburtstages von Rossaint im August 2002, »ganz gerade und aufrecht war, der sich auch
unter Druck nicht hat verbiegen und korrumpieren lassen«.
* Aus: Neues Deutschland, 28. April 2010
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