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Tag für Tag Tausend Tote durch Kleinwaffen

Amnesty fordert strenges internationales Waffenhandelsabkommen

Von Olaf Standke *

Durch Handfeuerwaffen sterben nach Angaben von Amnesty International (AI) jeden Tag 1000 Menschen. Vor allem in Krisengebieten werde die Gewaltspirale durch den unkontrollierten Gebrauch von Kleinwaffen unnötig angeheizt, heißt es in einem am Mittwoch vorgelegten Report der Menschenrechtsorganisation.

»Die Situation ist dramatisch«, so Mathias John, Rüstungsexperte der deutschen Amnesty-Sektion. »Bei etwa drei von vier schwer wiegenden Menschenrechtsverletzungen werden heute Kleinwaffen oder leichte Waffen verwendet.« Allein durch ihren Einsatz kommen nach AI-Schätzungen inzwischen täglich 1000 Menschen zu Tode. Laut einer soeben vom UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) in Genf veröffentlichten Studie sterben insgesamt jedes Jahr weltweit rund 740 000 Menschen an den direkten und indirekten Folgen von Waffengewalt, drei Viertel davon in zehn Ländern, allen voran Afghanistan, Irak, Somalia und Sudan. Und der Waffenhandel heizt die blutigen Konflikte vor allem in den Krisengebieten zusätzlich an.

Nicht nur für Jürgen Grässlin, Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), sind Kleinwaffen längst die »eigentlichen Massenvernichtungswaffen« unserer Zeit. Wie andere Nichtregierungsorganisationen verlangt deshalb auch Amnesty in seinem Report ein internationales Waffenhandelsabkommen, das als »Goldene Regel« zumindest Rüstungstransfers verbietet, die zu schwer wiegenden Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts beitragen könnten. Die 63. Generalversammlung der Vereinten Nationen, die jetzt in New York begonnen hat, will im Oktober über einen solchen Vertrag beraten.

Schon im Dezember 2006 hatte das Plenum mit großer Mehrheit dafür gestimmt, auf einen weltweiten Arms Trade Treaty (ATT) hinzuarbeiten. In gemeinsamen Erklärungen haben bereits 118 Länder anerkannt, dass Lieferungen von konventionellen und Kleinwaffen verweigert werden sollten, wenn ein begründetes Risiko von Menschenrechtsverletzungen besteht. Inzwischen existieren auch regionale und multilaterale Instrumente, die Rüstungstransfers regeln und ein spezielles Menschenrechtskriterium enthalten, etwa der Verhaltenskodex der Zentralamerikanischen Staaten, eine ECOWAS-Konvention (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) oder die EU-Regelungen für Waffenausfuhren. Doch gibt es noch immer zahlreiche Schlupflöcher und Schwachstellen. Vor allem aber handelt es sich meistens nur um politische Willensbekundungen. Um wirklich effektiv zu sein, so Amnesty, müssten sie endlich in einem globalen, rechtlich verbindlichem Abkommen zusammengefasst werden, das alle konventionellen Waffen und damit verbundenen Aktivitäten betrifft.

Von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier fordert die Menschenrechtsorganisation, sich bei den UNO-Verhandlungen für die Unterstützung der »Goldenen Regel« durch alle Länder einzusetzen. Denn einige Staaten, darunter die USA, China, Ägypten, Indien, Pakistan und Russland, versuchten die bisherigen Empfehlungen zu verwässern. Deutschland selbst ist einer der weltweit größten Waffenlieferanten. Die letzten Rüstungsexportberichte der Bundesregierung vermerkten einen sprunghaften Anstieg der Exporte deutscher Kleinwaffen. In vielen Ländern ist etwa das automatische G3-Sturmgewehr aus der Waffenschmiede Heckler & Koch eines der am meisten verbreiteten Mordwerkzeuge. Rund zehn Millionen Exemplare machen inzwischen die Welt unsicher.

So agiert Berlin ausgesprochen janusköpfig. Einerseits unterstützt die Bundesregierung die Einführung eines internationalen Waffenhandelsabkommen. Zugleich jedoch genehmigt sie Rüstungslieferungen in Länder, in denen die Menschenrechtssituation besorgniserregend ist. Im Vorjahr wurden beispielsweise Exporte von Maschinenpistolen nach Ägypten, Malaysia und Mexiko zugelassen, Schnellfeuergewehre können nach Mexiko, an die Philippinen und Saudi Arabien verkauft werden. »Amnesty fordert seit Jahren eine klare gesetzliche Menschenrechtsklausel bei deutschen Rüstungsexporten«, betont Mathias John. »Zusätzlich brauchen wir mehr Transparenz und eine Kontrolle durch das Parlament.« Keiner der drei letzten Rüstungsexportberichte der Bundesregierung wurde im Plenum des Bundestages debattiert.

* Aus: Neues Deutschland, 18. September 2008

Dokumentation

NEUER BERICHT ZEIGT NOTWENDIGKEIT FÜR INTERNATIONALES WAFFENHANDELSABKOMMEN

"GOLDENE REGEL" GEGEN GESCHÄFTE MIT DEM TOD

17. September 2008 - Täglich sterben 1.000 Menschen allein durch Kleinwaffen. Der Handel mit Handfeuerwaffen blüht und schürt weltweit blutige Konflikte. Das belegt ein heute veröffentlichter Bericht von Amnesty International. Darin zeigt die Menschenrechtsorganisation, dass die Gewaltspirale in Krisengebieten wie im sudanesischen Darfur oder im Irak durch den unkontrollierten Gebrauch von Kleinwaffen angeheizt wird. Amnesty fordert ein internationales Waffenhandelsabkommen, das als "Goldene Regel" Rüstungstransfers verbietet, die zu schwerwiegenden Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts beitragen könnten.

"Die Situation ist dramatisch", sagte der Rüstungsexperte der deutschen Amnesty-Sektion, Mathias John. "Bei rund drei Vierteln schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen, werden Kleinwaffen oder leichte Waffen verwendet." Die Vereinten Nationen (UN), die gestern zu ihrer 63. Vollversammlung zusammen gekommen sind, werden im Oktober über ein internationales Waffenhandelsabkommen beraten. Von Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier fordert Amnesty International sich bei den UN-Verhandlungen für die Unterstützung der "Goldenen Regel" durch alle Länder einzusetzen. Denn einige Staaten, darunter die USA, China, Ägypten, Indien, Pakistan und Russland, versuchen die bisherigen Empfehlungen zu verwässern.

Deutschland ist einer der weltweit größten Rüstungsexporteure. Zwar unterstützt die Bundesregierung die Einführung eines internationalen Waffenhandelsabkommen. Doch genehmigt sie auch Waffenlieferungen in Länder, in denen die Menschenrechtssituation besorgniserregend ist. So wurden im Jahr 2007 Exporte von Maschinenpistolen nach Ägypten, Malaysia und Mexiko zugelassen und Schnellfeuergewehre können aus Deutschland nach Mexiko, die Philippinen und Saudi Arabien verkauft werden. "Amnesty fordert seit Jahren eine klare gesetzliche Menschenrechtsklausel bei deutschen Rüstungsexporten", sagte John. "Zusätzlich brauchen wir mehr Transparenz und eine Kontrolle durch das Parlament."

Quelle: Website von amnesty international Deutschland, www.amnesty.de

Eine Zusammenfassung des Berichts (BLOOD AT THE CROSSROADS - SUMMARY) ist hier herunterzuladen: http://www.amnesty.de/downloads/blood-crossroads-summary?




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