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Verteidigungsministerium: "Überbestände" an Kleinwaffen vernichten

Eine unvollständige, aber interessante Antwort an eine Anfrage aus der DIGK (Deutscher Initiativkreis gegen Kleinwaffen)

Ende August 2001 richtete Paul Russmann, Sprecher der Initiative "Ohne Rüstung leben"-ORL, Fragen an die Bundesregierung zum Thema Kleinwaffen und Minen. Das Bundesministerium der Verteidigung antwortete in einem Schreiben vom 16. Januar 2002. "Auch wenn die Aussagen des BMVg grundsätzlich positiv zu bewerten sind", schreibt Paul Russmann vor wenigen Tagen in einem e-mail, "lassen die Antworten noch Deutungsspielraum offen. Dieser ergibt sich vor allem aus den 'haushaltsrechtlichen Vorgaben', wonach die rund 400.000 überschüssigen G3-Gewehre 'mit dem größtmöglichen Nutzen zu verwerten sind'. Im Falle der vollständigen G3-Verschrottung plant der DIGK (Deutscher Initiativkreis gegen Kleinwaffen) eine begrüßende Presseerklärung."
Wir dokumentieren im Folgenden die Fragen von Paul Russmann sowie die Antwort aus dem Verteidigungsministerium.


DIE FRAGEN

Dipl.-Theol. Paul Russmann c/o ORL-Informationen,
Arndstr. 31, 70197 Stuttgart

An:
Bundesministerium der Verteidigung
Pressestelle
per Mail
Stuttgart, 29.08.2001

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich schreibe einen Artikel für die ORL-Informationen zu den Themen "Submunitionen" und "Kleinwaffen" und habe dazu eine Reihe von Fragen, um deren Beantwortung ich Sie bis zum 10. September 2001 bitte.
  1. Nach meinen Informationen lieferte DaimlerChrysler bzw. die RTG Euromunition in Unterhaching die Submunitionen MIFF(PAAS) und MUSPA (PATS) an die Bundeswehr.
    Ist diese Information zutreffend und wenn ja - wieviele dieser Submunitionen MIFF und MUSPA befinden sich in den Beständen der Bundeswehr?
  2. Wie hoch ist der Beschaffungswert dieser Munitionen?
  3. Ist die Belieferung abgeschlossen oder sind weitere Bestellungen - und in welchem Umfang - seitens des BMVg vorgesehen?
  4. Wurden oder werden MIFF und MUSPA über das BMVg bzw. die Bundeswehr oder die Herstellerfirmen exportiert?
  5. Wer waren/sind die Empfänger und wie hoch ist der jeweilige Umfang?
  6. Für welche Einsatzoptionen sind die Submunitionen MIFF und MUSPA gedacht?
  7. Die "German Initiative to Ban Landmines" (www.landmine.de) behauptet, das MIFF und MUSPA
    - sich gegen Personen und Fahrzeuge richten
    - durch Personen ausgelöst werden können
    -im Verdacht stehen, gegen die Ottawa-Konvention zu verstoßen
    Wie sehen Sie das?
  8. Trifft es zu, dass Italien die MIFF und MUSPA als Anti-Personen-Minen klassifiziert (hat) und diese Submunitionen aus(ge)sondert und vernichtet (hat)?
  9. Trifft es zu, dass das US-Verteidigungsministerium die MUSPA als Anti-Personen-Mine klassifiziert?
  10. Beabsichtigt das BMVg bzw. die Bundeswehr die Bestände von MIFF und MUSPA auszusondern und zu vernichten?
  11. Trifft die Aussage von Oberstleutnant Klaus Wolf (vgl. Spiegel 15/2001, S. 76) zu, "dass die Bundeswehr in den kommenden drei bis vier Jahren wegen der Umrüstung auf neue Waffen einen Überschuss von 400.000 G3-Gewehren, 50.000 Maschinenpistolen und Pistolen aufbaut?"
  12. Treffen folgende Aussagen der Zeitschrift "Die Woche" vom 6. Juli 2001 zu, wonach das "Verteidigungsministerium die Verschrottung von 400.000 Exemplaren des Standardgewehrs G 3 von Heckler & Koch vorbereitet.....Den Plan, die Waffen - wie eigentlich üblich - an Partnerstaaten zu verkaufen oder zu verschenken, will die Hardthöhe aufgeben".
  13. Wenn ja, an welchen Zeitraum wurde dabei gedacht?
  14. Wenn nein, warum nicht?
  15. Wer entscheidet wie und wann über den Verkauf, Verschrottung oder Schenkung der überständigen G3-Bestände?
  16. Wie läuft das formale Verfahren?
Herzlichen Dank für Ihre Mühen im voraus
Mit freundlichen Grüssen
Paul Russmann


DIE ANTWORT DES BMVG

Bundesministerium der Verteidigung [BMVg],
Rü V 5 Bonn,
16.Januar 2002

Betr.: Ihre Anfrage zu Submunitionen und Kleinwaffen
Ihre Anfrage vom 29.08.01/14.12.01

Sehr geehrter Herr Russmann,
Für Ihr Schreiben vom 14.12.01 danke ich Ihnen. Da zur Beantwortung Ihrer Fragen mehrere Referate eingeschaltet werden mussten, kann Ihnen die Stellungnahme erst heute übersandt werden.

Die Bundeswehr verfügt über die Submunitionstypen MIFF und MUSPA. Angaben über Hersteller, Kosten und Ausstattungsumfänge können hier nicht gemacht werden; weitere Beschaffungen sind allerdings nicht vorgesehen.

Bei dieser Munition handelt sich um Kampfmittel, die aus der Luft abgeworfen werden und gegen gepanzerte Fahrzeuge bzw. gegen rollende Flugzeuge sowie Pistenreparaturfahrzeuge reagieren. Ihre Wirkzeit ist generell auf Stunden begrenzt, danach zerstören sie sich automatisch selbst.

Die Bundesrepublik Deutschland hat auf den Einsatz von Anti-Personen-Minen verzichtet und alle eigenen Bestände an Anti-Personen-Minen - bis auf geringe Mengen zu Ausbildungs- und Testzwecken, wie nach Ottawa-Übereinkommen zugelassen - vernichtet. Die restlichen Minen in der Bundeswehr dienen ausschließlich der Abwehr von Fahrzeugen; sie stellen ein unverzichtbares Mittel der Landesverteidigung dar. Es ist selbstverständlich, dass die Bundeswehr die internationalen Regelungen des Völkerrechts zum Schutz der Zivilbevölkerung umfassend einhält. Die Definition von Antipersonenminen ist im VN-Waffenübereinkommen eindeutig festgelegt und so auch im Ottawa-Übereinkommen übernommen. Submunition der Typen MIFF und MUSPA sind nicht gegen Personen gerichtet und fallen deshalb nicht unter das Verbot des Ottawa-Übereinkommens.-

Der von Ihnen genannte Umfang von "überschüssigen" Waffen stellt eine Größenordnung dar, die sich durch die Einnahme neuer Strukturen sowie durch die Ablösung alter Waffenmodelle durch neue ergibt: diese Ablösung kann jedoch nicht auf bestimmte Jahre begrenzt werden.

Ausgesondertes Material der Bundeswehr ist nach haushaltsrechtlichen Vorgaben mit dem größtmöglichen Nutzen zu verwerten. Bei der Verwertung von Kriegswaffen im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes (KWG) - hier zu gehören zum größten Teil auch Kleinwaffen - sind allerdings neben den Regeln des KWG die "Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern" sowie das Außenwirtschaftsgesetz zu beachten. Dies stellt sicher, daß dem Schutze der Belange der Sicherheit, des friedlichen Zusammenlebens der Völker und der auswärtigen Beziehungen ausdrücklich höhere Bedeutung beigemessen wird als dem rein volkswirtschaftlichen Interesse eines Exportes. Grundsätzlich werden Kriegswaffen der Bundeswehr erst nach Zustimmung durch die Bundesregierung und nur von Regierung zu Regierung (Regierungsverträge) geliefert; privater Waffenhandel ist damit ausgeschlossen.

In der Vergangenheit wurden insbesondere Gewehre G3 und Maschinengewehre an befreundete Staaten unter strenger Berücksichtigung der o.a. Regelungen abgegeben. Seit dem Jahr 2000 ist dies bei Kleinwaffen, die dem Kriegswaffenkontrollgesetz unterliegen, nicht mehr erfolgt.

Derzeit besteht im Bundesministerium der Verteidigung die Absicht, eine Grundsatzregelung herbeizuführen, wonach Überbestände an Kleinwaffen generell nicht mehr veräußert sondern vernichtet werden sollen.

Im Auftrag
Merk


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