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Zähes Ringen

Nach einem heftigen Schlagabtausch zwischen Entwicklungs- und Industrieländern konnten die Klimaschutzverhandlungen eine kleine Hürde nehmen

Von Wolfgang Pomrehn *

Nun können die internationalen Klimagesprächen doch noch weitergehen. In der alten westdeutschen Hauptstadt Bonn haben Vertreter von 181 Länder zwei Wochen lang heftig über einen Fahrplan für die weiteren Verhandlungen über den Schutz des globalen Klimas gerungen. Die Gespräche, die zur Vorbereitung des diesjährigen UN-Klimagipfels dienten, waren von einer Konfrontation zwischen den Industriestaaten und der Mehrzahl der Entwicklungs- und Schwellenländer gezeichnet. Nun hat man sich zumindest für die nächsten Jahre über den Vorsitz in der Arbeitsgruppe geeinigt, die in den nächsten Jahren die Verhandlungen für einen neuen Klimaschutzvertrag organisieren soll. Auch gab es einige Fortschritte bei der Etablierung eines Klimatechnologiezentrums und beim sogenannten Grünen Klimafonds, mit dessen Mitteln Entwicklungsländern geholfen werden soll, ihre Industrialisierung mit emissionsarmen und erneuerbaren Energieträgern voranzutreiben. Schließlich einigten sich die Länder auf die Grundzüge eines Entwurfes für ein Anpassungsprogramm. Mit diesem soll den am wenigsten entwickelten Ländern, eine im UNO-Rahmen fest definierte Gruppe, zu der 48 Staaten gehören, bei der Anpassung an jenen Teil des Klimawandels geholfen werden, der nicht mehr aufgehalten werden kann. Eine entsprechende Vereinbarung soll im Dezember auf dem nächsten UN-Klimagipfel verabschiedet werden.

Ebenfalls auf dem Programm des Gipfels, der in diesem Jahr am Persischen Golf in Doha stattfindet, wird die Verlängerung des Kyoto-Protokolls stehen. Dieses Protokoll ist sozusagen die Ausführungsbestimmung der Rahmenkonvention. In ihm ist festgelegt, was es mit der in der Konvention genannten »gemeinsamen aber unterschiedlichen Verantwortung« der Staaten auf sich hat. Die Industriestaaten – mit den wesentlichen Ausnahmen der USA, die nicht ratifiziert haben, und Kanadas, das kürzlich ausgetreten ist, – verpflichten sich darin, ihren Treibhausgasausstoß um einen festen Prozentsatz gegenüber dem Niveau von 1990 zu reduzieren. Der Satz variiert von Land zu Land etwas. Das Problem des Kyoto-Protokolls: Es läuft zum Ende des Jahres aus und hätte längst verlängert werden sollen. Weil aber die USA sich weigern, doch noch beizutreten, kamen die Verhandlungen lange Zeit nicht voran.

Ende letzten Jahres haben sich die 195 Mitglieder der Konvention (194 Staaten und die EU) schließlich auf ein zweigleisiges Vorgehen geeinigt. Zum einen soll das Kyoto-Protokoll verlängert werden, zum anderen bis 2015 ein vollkommen neues Papier ausgehandelt werden, das dann 2020 in Kraft tritt. Damit bleiben die Staaten allerdings deutlich hinter dem zurück, was die Klimawissenschaftler als notwendig erachten. Soll die globale Erwärmung auf zwei Grad über dem vorindustriellen Niveau begrenzt werden, wie die meisten Staaten vereinbart haben, muß der weitere Anstieg der Treibhausgasemissionen noch in diesem Jahrzehnt gestoppt und anschließend zurückgefahren werden.

Danach sieht es aber bisher gar nicht aus. Länder wie Kanada, Japan und Rußland weigern sich, unter dem Kyoto-Protokoll weitere Verpflichtungen einzugehen. Wobei Kanada und Japan schon die alten Ziele des Abkommens nicht eingehalten haben und die USA es gar nicht erst ratifizierten. Aber auch die von der EU angebotene Reduktion ihrer Emissionen um 20 Prozent gegenüber 1990 bis 2020, die vermutlich angesichts der gegenwärtigen Krise sogar ein Selbstläufer sein wird, ist viel zu wenig.

Derweil sind 2011 die Emissionen von Kohlendioxid (CO2), dem mit Abstand wichtigsten Treibhausgas, auf neue Rekordwerte geklettert. Wie die Internationale Energieagentur in Paris letzte Woche verkündete, wurden durch die Verbrennung von Kohle, Erdölprodukten und Erdgas 31,6 Milliarden Tonnen CO2 freigesetzt.

Kräftig gewachsen sind vor allem die Emissionen der Entwicklungsländer und zwar um rund sechs Prozent. Der Treibhausgasausstoß der Industriestaaten ist hingegen nur ganz leicht um 0,6 Prozent zurückgegangen. Eigentlich, so hatte man vor 20 Jahren mit der Rahmenkonvention vereinbart, sollten die Industriestaaten ihre Emissionen rasch zurückfahren, um den wachsenden Ausstoß der Entwicklungsländern zu kompensieren. Das würde diesen, so der Plan, Spielraum für Industrialisierung und Überwindung der Armut geben, ohne daß das globale Klima allzu sehr belastet würde. Einer der Streitpunkte in Bonn war, daß sich die Industriestaaten vehement dagegen sperrten, Verweise auf dieses Prinzip in die verabschiedeten Dokumente aufzunehmen.

* Aus: junge Welt, Samstag, 2. Juni 2012


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