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CO2-Emissionen so hoch wie nie

Die Welt blies im vergangenen Jahr 31,6 Gigatonnen in die Luft

Von Kurt Stenger *

Der weltweite Ausstoß von Kohlendioxid hat im vergangenen Jahr nach vorläufigen Schätzungen der Internationalen Energie-Agentur (IEA) ein neues Allzeithoch von 31,6 Gigatonnen erreicht. Dies bedeutete einen Anstieg um 3,2 Prozent oder eine Gigatonne gegenüber 2010. Die neuen Daten lieferten einen »weiteren Nachweis«, dass sich die Tür zum Erreichen des Zwei-Grad-Zieles »zu schließen beginnt«, erklärte IEA-Chefökonom Fatih Birol am Donnerstag bei der Vorstellung der Zahlen.

Die Staatengemeinschaft hat sich bei ihrem Kampf gegen den Klimawandel die Begrenzung der Erderwärmung auf 2 °C gegenüber der vorindustriellen Zeit auf die Fahnen geschrieben. Voraussetzung dafür wäre eine deutliche Reduzierung der Treibhausgasemissionen in den Industrieländern. Außerdem müsste laut IEA die Entwicklung der CO2-Emissionen vom Wachstum des globalen Bruttoinlandsproduktes (BIP) abgekoppelt werden. Danach sieht es aber noch immer nicht aus, wie die aktuellen Zahlen belegen: Der CO2-Ausstoß stieg stärker als das BIP.

Laut IEA ist die Kohle mit einem Anteil von 45 Prozent noch immer Hauptquelle der Emissionen im Energiesektor. Es folgen Erdöl (35 Prozent) und Erdgas (20 Prozent). Während die Mitgliedsländer der OECD, also die Industriestaaten, ihren Ausstoß nur leicht um 0,6 Prozent verringerten, gab es bei Entwicklungs- und Schwellenländern eine massive Zunahme um 6,1 Prozent. Allein China, der weltgrößte Emittent, stieß wegen des höheren Kohleverbrauchs 0,72 Gigatonnen CO2 (plus 9,3 Prozent) mehr aus als im Jahr davor. Allerdings lobt die IEA, dass sich gerade im Reich der Mitte die massiven Anstrengungen im Bereich der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien positiv bemerkbar machten. Ohne diese hätte der Anstieg 1,5 Gigatonnen betragen.

Die zweit- und drittgrößten Emittenten der Welt, die USA und die EU, verzeichneten Rückgänge um 1,7 bzw. 1,9 Prozent. Bei der EU lag dies an der Wirtschaftskrise und dem relativ warmen Winter. In den USA machte sich bemerkbar, dass Kohle zunehmend von Erdgas ersetzt wird. Dieses freilich wird immer stärker mit der umstrittenen Fracking-Technologie gewonnen.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 26. Mai 2012


Fragiler Klimaschutz

Von Kurt Stenger **

Dass der weltweite Ausstoß des Klimagases CO2 auf ein neues Rekordhoch angestiegen ist, wäre eigentlich schon schlimm genug. Doch der aktuelle Bericht der Internationalen Energie-Agentur birgt selbst in vermeintlich positiven Passagen schlechte Nachrichten: In der EU sanken die Emissionen vor allem, weil die Euro-Krisenstaaten in die Rezession taumelten; in den USA ging der Ausstoß zurück, weil bei der Energieproduktion weniger Kohle und mehr Schiefergas verfeuert wird, weil vermehrt Biosprit statt Erdöl in den Autotank kommt. Und der weltgrößte Emittent China legte trotz Anstrengungen bei Energieeffizienz und Erneuerbaren wegen des starken Wirtschaftswachstums deutlich zu.

Die Fakten belegen, dass das bisherige globale Klimaschutzregime offenbar nicht in der Lage ist, sein Ziel zu erreichen, die Erderwärmung auf ein noch verkraftbares Ausmaß zu begrenzen. Es ist eben eine fragile Sache, den Klimaschutz vom Auf und Ab der Märkte abhängig zu machen; und der Umstieg auf CO2-ärmere Energien kann neue Umweltprobleme schaffen. Die Frage ist, ob es überhaupt möglich ist, den CO2-Ausstoß vom Wirtschaftswachstum abzukoppeln und ob es nicht vielmehr um eine Transformation des Wirtschaftsmodelles der Industriestaaten gehen müsste. Davon will die Staatengemeinschaft freilich nichts wissen. Beim bevorstehenden UN-Gipfel Rio+20 soll das marktwirtschaftliche Konzept der »Green Economy« im Mittelpunkt stehen. Neue schlechte Nachrichten über CO2-Emissionen sind also vorprogrammiert.

** Aus: neues deutschland, Samstag, 26. Mai 2012 (Kommentar)


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