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La Niña im Süden, Schmelze im Norden

Extreme Wetterlagen Ursachen der Regenfälle und Überschwemmungen

Von Martin Koch *

Schon seit Tagen wird der Nordosten Australiens von starken Regenfällen und großflächigen Überschwemmungen heimgesucht. Im Bundesstaat Queensland stehen weite Teile des Landes unter Wasser, und die Flut bedroht inzwischen die Millionenstadt Brisbane. Meteorologen machen für diese extrem feuchte Witterung vor allem das Klimaphänomen »La Niña« verantwortlich, das schon im letzten Sommer den Indischen Monsun verstärkt und zu Überschwemmungen in Pakistan geführt hat.

La Niña tritt alle drei bis fünf Jahre mit unterschiedlicher Intensität in Erscheinung. Während es dabei im Westpazifik zu einer starken Erwärmung der Meeresoberfläche kommt, kühlt sich gleichzeitig das Wasser vor der südamerikanischen Küste ab. In der Folge verstärken sich die Ost-Passatwinde über Indonesien. Aufsteigende heiße Luft sorgt hier für heftige Regenfälle, die häufig mit starken Gewittern verbunden sind. »Die aktuelle La Niña-Situation ist ungewöhnlich stark ausgeprägt. Sie wirkt sich voraussichtlich noch bis in den australischen Herbst aus, also mindestens bis März«, meint Gudrun Rosenhagen, die Leiterin des Maritimen Monitoring Centers des Deutschen Wetterdienstes (DWD).

Allein an der Wetterstation Makowata, 160 Kilometer von der australischen Stadt Rockhampton entfernt, registrierten Meteorologen bisher eine Niederschlagsmenge von 820 Litern pro Quadratmeter (l/qm). Das ist mehr als die mittlere Jahressumme in weiten Teilen Deutschlands. Ein solch intensives La Niña-Phänomen gab es zuletzt im Jahr 1998. Gleichwohl war es nicht das stärkste seiner Art. Noch feuchter war es in Australien zwischen 1973 bis 1976. Während dieser Zeit regnete es mit wenigen Unterbrechungen fast 34 Monate lang. Und auch damals standen große Teile der jetzt betroffenen Regionen unter Wasser.

In Deutschland sind seit Tagen ebenfalls viele Flüsse über die Ufer getreten. Denn die ungewöhnlich großen Schneemengen, die im Dezember vom Himmel fielen, schmelzen nun infolge des Tauwetters dahin. Aber nicht nur die Schneeschmelze lässt die Pegelstände wachsen. Seit Mitte der vergangenen Woche wird unser Wetter maßgeblich von Geschehnissen über dem Atlantik bestimmt, die immer wieder Niederschläge bringen. So sind seit dem letzten Donnerstag im Westen und Südwesten der Bundesrepublik örtlich über 50 l/qm Regen gefallen. Das macht an einigen Wetterstationen über die Hälfte des durchschnittlichen Sollwertes für Januar aus.

Und noch ist kein Ende dieser Witterung in Sicht. An der Südflanke einiger Tiefdruckgebiete, die sich vom Atlantik bis nach Nordeuropa ausbreiten, festigt sich eine südwestliche Grundströmung, die milde und feuchte Luft nach Mitteleuropa lenkt. Der Schwerpunkt der Regenfälle liegt dabei im Westen und in der Mitte Deutschlands. Der Norden bleibt aller Voraussicht nach von stärkeren Niederschlägen verschont.

Zwar sind einzelne Wetterereignisse noch kein sicherer Beleg für den von Wissenschaftlern seit längerem prognostizierten Klimawandel. Was jedoch für eine globale Erderwärmung spricht, ist die steigende Zahl von teilweise heftigen Überschwemmungen, die sich auch aus entsprechenden Klimamodellen ableiten lässt. Allein in Deutschland kam es in den letzten Jahren gleich zu zwei sogenannten Jahrhundertfluten: 1997 an der Oder und 2002 an der Elbe. Beide Male waren die Schäden immens.

Das alles freilich ist kein Vergleich zu den gegenwärtigen Überschwemmungen in Australien, wo man das Kyoto-Protokoll wohl unterzeichnet hat, es aber mit der konkreten Klimapolitik nicht ganz so ernst nimmt. Und sich damit beruhigt, dass es Überschwemmungen schon immer gegeben habe. Es sei zwar richtig, dass Dürre- und Hochwasserperioden sich in Australien zyklisch ablösten, sagt Meteorologe Jeff Sabburg. Es deute jedoch alles darauf hin, dass der Klimawandel diesen Prozess verstärke: »Der Norden des Kontinents wird immer nasser, der Süden dagegen immer heißer und trockener.«

* Aus: Neues Deutschland, 13. Januar 2011


Brisbane geht langsam unter

Anwohner zum Verlassen der Flutgebiete aufgefordert / 57 Evakuierungszentren

Von Daniel Kestenholz **


Das von Jahrhundertüberflutungen bedrohte Brisbane war am Mittwoch zu einem strahlend blauen Sommertag erwacht. Die Idylle täuschte, die drittgrößte Stadt Australiens befand sich im Ausnahmezustand. In der Nacht auf Donnerstag wurde ein Rekordstand des Brisbane Rivers erwartet. Ein kleiner Lichtblick war, dass Meteorologen ihre Vorhersagen revidierten. Die schlammig-braunen Wassermassen sollten unter der zunächst befürchteten Höchstmarke von 5,5 Metern bleiben.

Bisher ertranken in der Region zwölf Menschen, Tausende wurden evakuiert. Bürgermeister Campbell Newman rechnet mit 20 000 überfluteten Häusern. Verkehrsampeln verschwanden in den Fluten. Doch anders als am Montag im Hinterland, als ein Festlandtsunami mindestens ein Dutzend Menschen in den Tod riss, stieg der Pegel in und um Brisbane gemächlich. In 57 Evakuierungszentren fanden 3500 Menschen Zuflucht. 25 Helikopter brachten Eingeschlossene in Sicherheit. Mit Kameras wurden überflutete Häuser aus der Luft nach eingeschlossenen Opfern abgesucht.

In Vororten war von Häusern nur noch der Giebel zu sehen, doch ließen sich Schaulustige nicht beeindrucken. Zwar zerstörten die Fluten prominente Gebäude, darunter das berühmte Drift Café am Brisbane River, auch die Vergnügungsmeile am Eagle Street Pier, ein riesiges Sportstadion und Stadtpärke standen tief unter Wasser. Dennoch säumten Hunderte noch trockene Stellen entlang der innerstädtischen Wasserlandschaft, als gelte es, ein Jahrhundertspektakel nicht zu verpassen. Queenslands Regierungschefin Anna Bligh blieb nur zu sagen: »Das ist keine Touristenattraktion, das ist eine äußerst ernste Sache.« Bligh, die die Solidarität der Bevölkerung lobt, wird von den Medien mit Lob für ihre Präsenz und Umsicht überhäuft, während Australiens Premierministerin Julia Gillard schlecht wegkommt. Gillard wirkt bei Auftritten steif und verhaspelt sich, während Bligh souverän die Aktionen von Behörden und Rettungskräften koordiniert und die Bevölkerung mit regelmäßigen Pressekonferenzen über den Stand informiert.

Von den Fluten bedrohte Anwohner wurden von Blighs Krisenstab gewarnt, nicht bis zur letzten Minute mit der Flucht zu warten: »Wir brauchen keine Leute, die um Mitternacht um ihr Leben kämpfen. Die Leute sollten spätestens am Nachmittag aus ihren Häusern sein«, sagte der für die Rettungsdienste zuständige Neil Roberts. Die Polizei forderte Anwohner pausenlos zur Evakuierung auf. In der Innenstadt entlang der beständig steigenden Wasserlinie vertrieb sie vor Sonnenuntergang zahllose Schaulustige. Nur langsam verwandelte sich Brisbane in eine Geisterstadt. Der »Untergang« Brisbanes lieferte nicht die dramatischen Bilder wie am Montag, als Menschen bei Toowoomba in reißenden Fluten um ihr Leben kämpften. Dort wurde die Nation Zeuge, wie eine dreiköpfige Familie auf dem Dach ihres Autos in einem tosenden Fluß auf Rettung wartete. Bligh bestätigte inzwischen, Mutter und Kind seien gerettet worden, vom Vater fehle jede Spur. Ganze Familien gehören zu den noch rund 40 Vermissten.

Aus der überfluteten Stadt Ipswich wurden überdies Plünderer gemeldet, was den lokalen Polizeichef zur wütenden Bemerkung verleitete, wenn er diese Kerle erwische, werde er sie als »Markierung« verwenden. In Brisbane sind über Nacht Polizisten mit Schnellbooten im Einsatz. Wer die Katastrophe für Raub nutze, so Bligh, spiele mit dem Leben.

** Aus: Neues Deutschland, 13. Januar 2011


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