Steigt der Meeresspiegel schneller?
In der Erdgeschichte waren die heutigen CO2-Werte mit deutlich höheren Wasserpegeln verbunden
Von Wolfgang Pomrehn *
Zwei britische Wissenschaftler
haben einen Blick in die Vergangenheit
der Erde getan, um den
Zusammenhang zwischen Treibhausgasen
und dem Meeresspiegel
zu verstehen. Und dabei gesehen,
dass die derzeitigen Prognosen
wohl zu optimistisch sind.
Schon bei der jetzigen atmosphärischen
Konzentration von Kohlendioxid (CO2) wird
das Meer im globalen Mittel
innerhalb der nächsten Jahrhunderte
um mindestens zehn Meter steigen. Das schließen
Gavin L. Foster und Eelco J.
Rohling vom britischen National
Oceanography Center in
Southampton aus erdgeschichtlichen
Daten. Bei einem solchen Anstieg müssten Metropolen
wie New York, Alexandria,
Schanghai, Ho-Chi-Minh-Stadt oder auch Amsterdam
aufgegeben werden.
Der Zusammenhang zwischen
Meeresspiegel und
Treibhausgaskonzentration ist
im Grundsatz gut verstanden:
Je mehr CO2 in der Atmosphäre,
desto höher die mittlere
Lufttemperatur. Wird es wärmer,
so schrumpfen die großen
Eismassen auf Grönland sowie
in der Antarktis und das
Schmelzwasser fließt in die
dadurch steigenden Weltmeere.
Der Teufel steckt jedoch im
Detail. Die Gletscher reagieren
nur sehr träge auf die Temperaturänderungen,
es dauert viele Jahrhunderte, wenn nicht
gar Jahrtausende, bis sich ein
neues Gleichgewicht zwischen
verändertem Klima und Gletschervolumen
einstellt.
Das viel diskutierte Ziel, die
globale Erwärmung auf zwei
Grad Celsius zu beschränken,
entspräche einer CO2-Konzentration
von rund 450 Millionstel
Volumenanteilen (ppm).
Doch welche Folgen hat diese
Erwärmung nicht nur in 90
Jahren, sondern in 400 oder
500 Jahren? Foster und Rohling
haben sich genau diese
Frage gestellt und dafür das
Verhältnis zwischen Meeresspiegel
und CO2-Konzentration
in den letzten 40 Millionen
Jahren untersucht. Die Ergebnisse
veröffentlichten sie im
US-Fachblatt »Proceedings of
the National Academy of
Sciences«.
Die CO2-Konzentration lässt
sich für die letzten 550 000
Jahre aus Gaseinschlüssen im
arktischen und antarktischen
Eis bestimmen. Über frühere
Zeiträume geben abgestorbene
Organismen in den Sedimenten
am Meeresgrund Aufschluss.
Dabei fanden die beiden Briten
heraus, dass das Verhältnis
zwischen CO2-Konzentration
und Meeresspiegel nicht linear
ist. Für CO2-Niveaus zwischen
dem derzeitigen von etwa 400
und 650 ppm unterscheidet
sich der Meeresspiegel langfristig
nicht merklich. Doch es
gibt ein großes Aber: Das
Gleichgewichtsniveau für diese
CO2-Konzentration lag in der
Erdgeschichte rund 22 Meter
(Unsicherheit +13 Meter / -12
Meter) höher als heute. Mit anderen
Worten: Soll in den
nächsten Jahrhunderten der
Verlust großer Küstenregionen
verhindert werden, müssen die
Treibhausgasemissionen nicht
nur drastisch reduziert, sondern
auch Teile des bereits
emittierten CO2 wieder aus der
Atmosphäre entfernt werden.
* Aus: neues deutschland, Montag, 14. Januar 2013
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