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"Von Altmaier war viel Eigenlob zu hören"

In Warschau ging erneut ein Weltklimagipfel ohne klar definierte Zielmarken zu Ende. Ein Gespräch mit Antje von Broock *


Antje von Broock leitet den Bereich Klimapolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und nahm als Beobachterin am Klimagipfel in der polnischen Hauptstadt teil.


Seit fast 25 Jahren schleppen sich die internationalen Klimaschutzverhandlungen dahin. Wo hat es diesmal gehakt?

Erschütternd war zum Beispiel, daß Japan verkündet hat, sich nicht mehr an seine Zusagen aus dem 1997 beschlossenen Kyoto-Protokoll halten zu wollen. Statt seine Treibhausgas­emissionen zu reduzieren, will Tokio sie sogar über das Niveau von 1990 erhöhen. Wir haben also nicht nur Stillstand, sondern Rückschritt.

Ein anderes bezeichnendes Erlebnis war, daß die Teilnehmer schon im Eingangsbereich von einem großen Banner des polnischen Ölkonzerns Lotos begrüßt wurden. Es war, als ob nicht die polnische Regierung, sondern der Ölkonzern der Gastgeber wäre. Daß große Unternehmen, die fossile Ressourcen verbrauchen, großen Einfluß auf die Verhandlungen nehmen, war nicht unbedingt etwas Neues. Aber daß es so offensichtlich und unverschleiert geschieht, ist eine neue Qualität.

Aber immerhin wurde über »Loss and Damage«, also über Entschädigungen für die von den Industrieländern mit dem Klimawandel angerichteten Schäden, verhandelt …

Bereits seit dem letztem Jahr wird über dieses Thema gesprochen. Das war seinerzeit ein Fortschritt, aber dieses Jahr sind wir darüber nicht hinausgekommen.

Wie sind die Aussichten für ein neues Klimaschutzabkommen? Ist der Abschluß in zwei Jahren – wie eigentlich geplant – noch zu schaffen?

In Warschau wurden mit Sicherheit nicht die notwendigen Schritte unternommen. Es hätte ein konkreter Fahrplan für die Verhandlungen verabschiedet werden sollen, in dem zum Beispiel steht, wann die Industriestaaten ihre Emissionsminderungsziele vorlegen oder wann die Zusagen für den Klimafonds gemacht sein müssen. Klar ist: 24 Monate sind keine lange Zeit.

Die Zeit wird knapp, sagen die Klimawissenschaftler seit einigen Jahren. War in Warschau etwas von dieser Dringlichkeit zu spüren?

Interessanterweise hat jeder einzelne Minister den Menschen auf den Philippinen sein Beileid ausgedrückt und gesagt, er oder sie sei von den Zerstörungen durch den Taifun »Haiyan« erschüttert. An Lippenbekenntnissen hatte es keinen Mangel, nur folgte aus ihnen nichts.

Zuletzt ist in der BRD wieder vermehrt Braunkohle verbraucht worden. Dadurch sind seit zwei Jahren die Kohlendioxidemissionen wieder angestiegen …

Die Braunkohle ist wirklich ein gravierendes Problem. Daran sieht man auch, wie fragil Deutschlands Vorreiterrolle ist.

Wie schätzen Sie die Verhandlungsführung der Bundesregierung und die Rolle von CDU-Umweltminister Peter Altmaier ein?

Altmaier ist am Mittwoch zur Konferenz gekommen, hat seine Rede gehalten und ist dann am gleichen Tag wieder abgereist. Wenn überhaupt, dann hat er nur sehr gering zur Verhandlung beigetragen. Wir hatten gehofft, daß er sich in Warschau dafür stark macht, daß die EU ihr Treibhausgasreduktionsziel anhebt. Das heißt, daß die Emissionen bis 2020 nicht wie bisher geplant um 20, sondern um 30 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 vermindert werden. Aber das hat er unterlassen. Wir wissen aber aus Brüssel, daß eine öffentliche und deutliche Positionierung Berlins viel bewirken könnte, weil viele EU-Regierungen darauf warten. Zu hören war von Altmaier statt dessen zum Beispiel viel Eigenlob in Sachen Energieeffizienz. Allerdings hat Deutschland noch nicht einmal die entsprechende EU-Richtlinie umgesetzt. Das wissen viele Regierungen natürlich und lassen sich daher nicht durch derlei Sonntagsreden blenden.

Was halten Sie in diesem Zusammenhang von den energiepolitischen Plänen von SPD und CDU/CSU?

Unter anderem wird in den Koali­tionsverhandlungen über eine Deckelung des Ausbaus der erneuerbaren Energien gesprochen. Das würde die Energiewende massiv ausbremsen. Eigentlich hatten wir gehofft, daß die SPD mehr Einfluß nimmt.

Der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger hat mehr Kampagnenfähigkeit für Ihre Organisation gefordert. Was heißt das für den Klimaschutz?

Als nächstes beteiligen wir uns zum Beispiel am kommenden Samstag an der bundesweiten Demonstration in Berlin zur Verteidigung der Energiewende.

Interview: Wolfgang Pomrehn

* Aus: junge welt, Montag, 25. November 2013


Ergebnisse des Klimagipfels

WELTKLIMAVERTRAG: Es gibt einen konkreten Zeitplan, um einen weltweiten Klimaschutzvertrag bis zum UN-Gipfel 2015 in Paris auszuarbeiten. Die Staaten sollten entsprechend ihrer Entwicklung faire Klimaschutzziele vorlegen, die alle dieselbe Verbindlichkeit haben. Der Streitpunkt, wie stark die Rechtsverbindlichkeit sein soll, wurde allerdings vertagt.

WALDSCHUTZ: Die Konferenz hat zum Schutz der Wälder ein Rahmenwerk geschaffen. Ärmere Staaten sollen Geld dafür bekommen können, wenn sie ihren Urwald erhalten. Sie müssen dabei die in Wäldern lebenden Ureinwohner ebenso berücksichtigen wie die Artenvielfalt. Die Abholzung trägt zu etwa 20 Prozent zum Treibhauseffekt bei.

VERLUSTE UND SCHÄDEN: Die Konferenz stellte den »Warschau-Mechanismus« auf, der noch sehr unkonkret ist. Industrieländer sollen ärmere Staaten bei der Bewältigung klimabedingter Verluste und Schäden unterstützen. Zunächst soll ein Gremium Wissen sammeln und die Zusammenarbeit entsprechender Institutionen fördern.

FINANZEN: Die Industrieländer hatten bereits einen Anstieg der Klimaschutzfinanzierung in ärmeren Staaten auf 100 Milliarden Dollar jährlich im Jahr 2020 zugesagt. Konkrete Zwischenschritte nannten sie in Warschau nicht, obwohl Entwicklungsländer darum gebeten hatten. Eine Hauptquelle der Aufstockung ist der »Green Climate Fund« (Grüner Klimafonds). Für diesen soll rasch ein fester Rahmen geschaffen werden, damit im Sommer 2014 erste Zahlungen fließen können.

ANPASSUNGSFONDS: Der schon bestehende und in Geldnöte geratene Fonds zur Anpassung ärmerer Staaten an die Klimawandelfolgen erhält noch 2013 von ein paar Industriestaaten eine Finanzspritze von insgesamt rund 100 Millionen Dollar, damit er arbeitsfähig bleibt. Das ist vor allem ein Signal an die Entwicklungsländer, damit sie das Vertrauen in den Verhandlungsprozess nicht verlieren.

CLEAN DEVELOPMENT MECHANISM: Der CDM ist ein Klimaschutz-Instrument unter dem Dach des Kyoto-Protokolls. Industriestaaten, die in Entwicklungsländern Projekte zur Treibhausgasreduktion finanzieren, können sich diese gutschreiben lassen. Besonders beliebt waren Projekte mit besonders klimaschädlichen HFC-Gasen, die bei bestimmten chemischen Prozessen entsehen und in Klimaanlagen zum Einsatz kommen. Da es zu zahlreichen Betrugsfällen gekommen ist, wurde in Warschau beschlossen, HFC-Projekte nicht mehr über den CDM zu fördern. (nd)




Alles später

Von Kurt Stenger **

Der philippinische Delegationsleiter Yeb Sano war einer der Protagonisten beim UN-Klimagipfel in Warschau. Zu Beginn trat er unter dem Eindruck der Taifun-Katastrophe in seinem Land in einen Hungerstreik, um auf ein »bedeutendes Ergebnis« bei den Verhandlungen zu dringen. Viele Gipfelteilnehmer drückten ihm ihr Bedauern aus. Doch nach Abschluss der Konferenz sagte Sano enttäuscht in die Mikrofone, etwas Bedeutendes sei nicht herausgekommen.

Wieder einmal, muss man noch ergänzen. Alle Klimakonferenzen der letzten Jahre endeten mit mauen Kompromissen – die Hauptarbeit der Teilnehmer bestand darin, an nichtssagenden Formulierungen für die Abschlussdokumente zu feilen, denen alle zustimmen können. Aus dem Blick gerieten dabei die zentralen Fragen: Wie kann der Klimaschutz so vorangebracht werden, dass die Erderwärmung in einem noch einigermaßen zu bewältigenden Ausmaß bleibt? Und wie kann armen Ländern beim Ausbau der Erneuerbaren, beim Deichbau und bei der Bewältigung von Schäden durch Stürme, Überschwemmungen und Dürren geholfen werden? Die Festlegung in Warschau lautete wie bei früheren Gipfeln: Alle wichtige Entscheidungen sollen zu einem späteren Zeitpunkt getroffen werden.

So deprimierend dies alles ist: Es gibt keinen anderen Rahmen, in dem sich die Staaten auf verbindliche Klimaschutzmaßnahmen einigen können. Yeb Sano nimmt inzwischen wieder Nahrung auf und wird wahrscheinlich in einem Jahr beim nächsten UN-Gipfel wieder dabei sein.

** Aus: neues deutschland, Montag, 25. November 2013 (Kommentar)


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