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Geht Bangladesch unter?

Grönlands Gletscher schmelzen bedenklich schnell ab

Von André Anwar, Stockholm *

Die lange als stabil geltenden nordöstlichen Gletscher Grönlands verlieren gigantische Eismengen. Der weltweite Anstieg des Meeresspiegels könne so deutlich schneller vor sich gehen, warnen die Forscher.

Die Gletscher Grönlands schmelzen bedenklich ab. Nur die nordöstlichen galten lange als verschont von der Erderwärmung. Doch auch sie verlieren enorme Eismassen. Laut der im Magazin »Nature Climate Change« veröffentlichen Studie der Technischen Universität Dänemark verliert der nordöstliche Eisstrom jedes Jahr zehn Milliarden Tonnen Eis. Der Eisverlust in der Gegend hat sich laut der Studie von April 2003 bis April 2012 verdreifacht. Ein am nordöstlichen Küstenrand der Insel liegender Gletscher soll sich in den vergangenen zehn Jahren um knapp 20 Kilometer zurückgezogen haben. Das ist viel mehr als bei den schmelzenden Gletschern im Südwesten Grönlands. Beim Jakobshavngletscher wurde ein Rückgang von 35 Kilometern in 150 Jahren gemessen.

Mit Hilfe von vier Satelliten und Grönlands GPS-Netzwerk, das 50 Stationen an den Küsten der Insel umfasst, konnten Wissenschaftler die Eisdicke untersuchen und feststellen, dass die 25 Jahre lang gemessene Stabilität seit 2003 nicht mehr gegeben ist. Der Effekt könnte verheerend sein. Denn der nordöstliche Eisstrom zieht sich 600 Kilometer in das Innere der Insel, wo er mit dem Herzen des grönländischen Eisreservoirs verbunden ist. »Das nordöstliche Eis hat das Potenzial, die totale Massenbalance der Eisdecke Grönlands in der nahen Zukunft signifikant zu verändern«, warnt Shfaqat Abbas Khan von der TU Dänemark. »Veränderungen an den Rändern könnten also auch das Eis tief im Zentrum beeinflussen.« Auch andere Universitäten in den USA, Großbritannien, Hongkong und den Niederlanden waren an der Studie beteiligt.

Beim Eisverlust auf Grönland spielt die Erderwärmung eine wichtige Rolle. Auch Wetterschwankungen und wechselnde Luftströme in der Atmosphäre gelten als wichtige Einflussfaktoren. In einigen der zehn letzten Jahre etwa ging deutlich weniger Eis verloren, weil kältere Luftströme zu deutlich mehr Schneefall geführt haben. Allerdings befürchten dänische Forscher anhand der Eisentwicklung der vergangenen Jahre, dass ein Wendepunkt bald erreicht sein könnte, an dem günstige Luftströmungen das wärmer werdende Klima nicht mehr ausgleichen können. Nach einem solchen Wendepunkt könnte sich der Eisverlust pro Jahr noch um ein Vielfaches verstärken.

Bereits 2011 hatten Forscher des Dänischen Meteorologischen Institutes resigniert vorausgesagt, dass die Eismassen Grönlands nicht mehr zu retten seien, selbst bei radikaler Verringerung des weltweiten CO2-Ausstoßes. Sollte das Eis auf der größten Insel der Welt komplett schmelzen, ohne dass das Wasser andernorts wieder gebunden wird, wird mit einem globalen Meeresspiegelanstieg von sechs bis sieben Metern gerechnet. Das wäre für viele tief liegende Länder wie Bangladesch der Untergang.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 19. März 2014


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