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"Heiter, friedvoll und leicht"

Die Internationale Versammlung der Nonviolent Peaceforce in Nairobi

Von Stephan Brües, Nairobi *

Der Ort hätte besser nicht gewählt werden können: Im KCCT Conference Center, in dem sich in der letzten Septemberwoche etwa 200 Friedensaktivisten aus über 40 Ländern zur Internationalen Konferenz der Nonviolent Peaceforce (NP) versammelten, fanden bereits zweimal erfolgreiche Friedensverhandlungen statt, die die kriegerischen Konflikte in Somalia und im Südsudan vorerst beendeten.

Gewaltfrei zum Frieden hat sich die Nonviolent Peaceforce (gewaltlose Friedenskraft) zur Maxime gesetzt. Sie ist eine internationale Organisation, die ausgebildete Friedensfachkräfte in Konfliktregionen schickt, um lokale Friedens- und Menschenrechtsgruppen durch ihre Präsenz zu unterstützen und so von Gewalt bedrohte Menschen zu schützen. So war denn auch der »Zivile, gewaltfreie Schutz« das Thema des offenen Konferenzteils.

Höhepunkte der Konferenz waren die Rede der Friedensnobelpreisträgerin Mairead Maguire und Liam Mahonys Präsentation seiner Studie, die zivile Interventionen in Konflikten durch UNOrganisationen und Nicht-Regierungsorganisationen wie Peace Brigades International und Nonviolent Peaceforce analysierte. Weiterhin wurde die Arbeit der Afrikanischen Union vorgestellt. Leider waren deren Exekutivdirektor für Frieden und Sicherheit sowie Vertreter von den UN- oder EU-Gremien, die die Möglichkeiten der Stärkung des zivilen, gewaltfreien Schutzes der Menschen hätten diskutieren sollen, den Einladungen nicht gefolgt.

In ihrer mitreißenden Rede verwies Mairead Maguire darauf, dass es in Afrika eine lange Tradition gewaltfreier Konfliktaustragung gegeben habe. Als »menschliche Familie« müssten wir Gerechtigkeit durch Mittel der Gerechtigkeit schaffen. Die Situation in Irak habe gezeigt, dass militärische Mittel nicht funktionierten, um Konflikte zu entschärfen, ja sie hätten sie verschärft. Dialog sei das einzige Mittel. »Ich würde mit jedem reden, wenn dadurch ein Menschenleben gerettet werden würde«, sagte sie.

Der Mord an der Familie ihrer Schwester habe aus ihr eine Pazifistin gemacht. Und in den letzten Jahrzehnten hatte sie es zusammen mit anderen geschafft, den Konflikt in Nordirland Schritt für Schritt zu beenden. »Wir haben Frieden geschaffen, ist das nicht außergewöhnlich, ist das nicht ein Grund, hier in den Gängen zu tanzen?«, rief sie. Die Arbeit der Nonviolent Peaceforce, die beispielsweise in Sri Lanka in den Konfliktgebieten arbeiten und bedrohte Menschen schützen, nannte sie »Präsenz der Liebe und des Vertrauens«. Im Interview mutmaßte sie, dass, wenn es bereits in den siebziger Jahren eine solche Organisation gegeben hätte, der Konflikt in Nordirland früher beendet worden wäre.

In der Mitgliederversammlung wurden die derzeitigen Projekte der NP (Sri Lanka, Mindanao/Philippinen, Guatemala und Uganda), die geplanten Projekte (Kolumbien) vorgestellt und mögliche zukünftige diskutiert, beispielsweise im Nigerdelta in Nigeria und in Bir-ma/Myanmar. Die aktuellen Proteste der gewaltfreien Bewegung in Myanmar, angeführt von buddhistischen Mönchen, wurden in einer Arbeitsgruppe behandelt und es wurde eine Solidaritätserklärung für die Demokratiebewegung verabschiedet. Es gibt Überlegungen, diese durch aktive Präsenz zu unterstützen.

Angesichts der Nachfrage nach Friedensfachkräften in vielen Konfliktregionen dieser Welt stellte sich den Delegierten die Frage, wie diese innerorganisatorisch bewältigt werden könnten. So wurde ein langfristiger Plan verabschiedet, der die Ziele für die nächsten Jahre festlegt und erste Schritte auf dem Weg dorthin vorstellt, die in den nächsten Monaten weiter konkretisiert werden müssen.

Beeindruckend war in diesen Tagen, etwas über die Arbeit vieler Friedensgruppen auf allen Kontinenten zu erfahren: von den Trainings zur Gewaltfreiheit in den Slums von Nairobi, die die gastgebende Organisation der Versammlung, Chemchemi ya Ukweli (Springbrunnen der Wahrheit), durchführt oder von der Kampagne der palästinensischen Organisation »Middle East for Nonviolence and Democracy«, die mit einem Aufkleber, der eine Orange zeigt, dafür wirbt, »smarter without violence«, also cooler ohne Gewalt zu sein. Oder von der pakistanischen Organisation »Foundation for Democracy« (Stiftung für Demokratie) im Punjab, die an der Grenze zu Afghanistan Journalisten ausbildet, um objektiv über die Konflikte zu berichten.

Mairead Maguire rief die versammelten Friedensfachkräfte und Friedensaktivisten auf, »heiter, friedvoll und leicht« zu sein. Diese Haltung konnte man in diesen Tagen spüren. Sie ist auch notwendig, um die zukünftigen Aufgaben zu meistern.

* Aus: Neues Deutschland, 9. Oktober 2007


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