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Der Anfang vom Ende des verbrecherischen Vernichtungsfeldzugs der deutschen Wehrmacht - Der Angriffskrieg als bleibende Mahnung

Erklärungen der deutschen Sektion von pax christi und der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer (FIR)


Der Feldzug der faschistischen deutschen Armee gegen die Sowjetunion gehört nach dem Holocaust, der Ermordung von sechs Millionen Juden, zu den schlimmsten Menschheitsverbrechen, deren sich Deutschland schuldig gemacht hat. In der alten Bundesrepublik wurden diese Verbrechen jahrzehntelang verschwiegen oder als "normale" Kriegshandlungen verharmlost; dies änderte sich erst mit der "Wehrmachtsausstellung" Mitte der 1990er Jahre. Entschädigung für die Millionen zivilen Opfer und für die Zwangsarbeiter, die in deutschen Fabriken bis zum Tod ausgebeutet wurden, gibt es bis zum heutigen Tag nicht.

Aus Anlass des 70. Jahrestags des Überfalls der NS-Wehrmacht auf die Sowjetunion dokumentieren wir im Folgenden zwei Erklärungen:

Angriffskrieg als bleibende Mahnung

Erklärung des Präsidiums der dt. Sektion pax christi zum 70. Jahrestag des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion am 22.Juni 1941

Am 22. Juni 1941 begann der militärische Überfall des nationalsozialistischen deutschen Reiches auf die damalige Sowjetunion. Mit diesem „Unternehmen Barbarossa“ genannten Angriff trat der Zweite Weltkrieg in Europa in eine neue Phase der Eskalation, die zu Recht als Vernichtungskrieg bezeichnet wird.

Sein Ziel war die militärisch und wissenschaftlich geplante und vorbereitete Eroberung eines „Lebensraums im Osten“ für das nationalsozialistische Deutschland.

In einem bis dahin nicht gekannten Ausmaß wurden gegenüber den Soldaten des Gegners kriegsvölkerrechtliche Regeln überschritten und militärische Mittel auch gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt. Die Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener war bewusst mit Abstand schlechter als die von westlichen alliierten Truppenangehörigen, die Politik der „verbrannten Erde“ zerstörte in großem Umfang die Lebensgrundlage der Bevölkerung und fordert in der ehem. Sowjetunion die mit Abstand höchste Zahl an Opfern unter der Zivilbevölkerung aller am II. Weltkrieg beteiligten Staaten.

Der militärische Angriff setzte aber auch den Rahmen für die erste Stufe der Vernichtung der europäischen Juden. Mit Duldung, in Zusammenwirken oder mit direkter Beteiligung ermöglichte die deutsche Wehrmacht diesen Massenmord der sog. Einsatzgruppen und anderer Sondereinheiten, etwa die Hälfte aller im Holocaust getöteten jüdischen Bewohner Osteuropas kamen hierbei um.

Über 10 Millionen Menschen wurden zur Zwangsarbeit in den besetzten Gebieten eingesetzt oder in das Deutsche Reich verschleppt. Ihre Geschichte wurde am längsten verdrängt, galt doch ihr Schicksal als am wenigsten bedeutsam und nicht besonders tauglich, um heroische Narrative in den jeweiligen Gesellschaften zu begründen. Für etliche der zur Zwangsarbeit eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen und italienischen Militärinternierten ist auch noch keine Entschädigung erfolgt.

70 Jahre nach den Ereignissen werden die persönlichen Erinnerungen in Deutschland wie in beteiligten Ländern – heute vor allem Russland, Weißrussland und die Ukraine – Geschichte, sind Bestandteil eines kollektiven Gedächtnisses und unterschiedlicher Erinnerungskulturen. Mit der Einheit Deutschlands, dessen Teilung durch den Krieg verursacht wurde, ist die „Nachkriegszeit“ abgeschlossen und die Möglichkeit eröffnet, die Geschichte gemeinsam anzuschauen.

Dies kann geschehen, indem die Gräber der sowjetischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter bewusst besucht und in der Öffentlichkeit deutlicher wahrgenommen werden. Denn auch nach einer in den letzten Jahren abgeschlossenen gewissen materiellen Entschädigung bleibt es eine dauerhafte Aufgabe, diese Toten des Krieges nicht in Anonymität oder Vergessen ein zweites Mal zu verlieren. Die Erhaltung des Andenkens an sie in Deutschland bedeutet den Menschen in ihren jeweiligen Herkunftsländern in Osteuropa viel.

Zum Wissen um die Kriegsereignisse und Militärgeschichte gehört auch die Anerkennung der Deserteure und Kriegsgegner - etwa 30 000 Kriegsdienstverweigerer, Deserteure und wegen Kriegsverrat Verurteilte wurden hingerichtet - und der wenigen Kriegsdienstverweigerer aus dem Bereich der katholischen Kirche. Namentlich sind bisher nur einige bekannt, zu nennen sind hier Max-Josef Metzger, Franz Jägerstätter, Michael Lerpscher, Josef Ruf, Richard Reitsamer, Ernst Volkmann und Franz Reinisch. In einer katholischen Kirche, die zwischen Anpassung und Widerstand schwankend, letztlich Teil einer mobilisierten Kriegsgesellschaft war, hatten sie keinen Rückhalt, ihre juristische Rehabilitierung kam spät.

An der Kriegsführungsfähigkeit des NS-Staates waren die Kirchen nicht unbeteiligt. Durch Aufrechterhaltung eines moraltheologisch mit Eid und Gehorsam begründeten Verständnisses soldatischer Pflichterfüllung und eines Verständnisses von Krieg als quasi-natürlichem Recht des Staates wurde - auch bei Ablehnung des Nationalsozialismus als Ideologie – ihr Beitrag zu einer durchgreifend mobilisierten Kriegsgesellschaft geleistet. Umso bedeutsamer wäre auch heute noch eine Erklärung deutscher Bischöfe an – wenn auch nur wenige noch lebende – ehemalige Soldaten, sich in der Beurteilung des Krieges entscheidend geirrt zu haben.

Die historische Erfahrung der Eskalation des Krieges ist aber auch Mahnung und Korrektiv im Hinblick auf die Veränderung der Bundeswehr zu einer „Armee im Einsatz“. Gerade wenn bei der Neukonzipierung von verteidigungspolitischen Richtlinien und ähnlicher Militärdoktrinen wirtschaftliche Belange und Interessen Deutschlands wieder in den Vordergrund rücken, kommt es entscheidend darauf an, militärische Mittel strikt an internationales Recht zu binden und Kriege sowohl durch zivile Krisenprävention wie auch durch Eindämmung von Rüstungsproduktion und -export zu verhindern.

Quelle: Website von pax christi; www.paxchristi.de


Zum 70. Jahrestag des faschistischen Überfalls auf die Sowjetunion

Erklärung der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) – Bund der Antifaschisten

Am 22. Juni 1941 überfielen die Truppen Hitlerdeutschlands und ihrer Verbündeten die Sowjetunion. Damit begann das letzte Kapitel der Aggression des deutschen Faschismus gegen alle europäischen Völker. Doch dieser Krieg war nicht allein ein Eroberungskrieg um Raum und Ressourcen, es war von der Ideologie und Kriegsplanung ein Vernichtungskrieg gegen den „jüdisch-bolschewistischen“ Feind, in dem die Regeln der Haager Landkriegsordnung von Anfang an außer Kraft gesetzt waren. Die Generalität der Deutschen Wehrmacht machte mit dem Kommissarbefehl und dem Generalplan Ost, sowie dem Wirken der Einsatzgruppen deutlich, dass sie dieses Konzept des Vernichtungs-kriegs von Anfang an unterstützten. Dieser Vernichtungswille zeigte sich in zahlreichen Mordaktionen, die reguläre Wehrmachtseinheiten und Einsatzgruppen des SD (Sicherheitsdienst der SS) gegen jüdische und slawische Bevölkerungsgruppen in den okkupierten Gebieten verübten. Allein dem Massaker von Babi Jar fielen im September 1941 über 30.000 Menschen zum Opfer.

Trotz anfänglicher Verluste und einem notwendigen Rückzug gelang es der sowjetischen Armee im Laufe des Jahres 1941 immer besser, der Wehrmacht militärisch entgegenzutreten. Im Dezember 1941 brachte sie in der Schlacht vor Moskau den Vormarsch der deutschen Truppen endgültig zum Stehen. Die Illusion eines „Blitzsiegs“ war geplatzt.

In dieser Zeit vereinigten sich alle positiven Kräfte der Völker der Sowjetunion im gemeinsamen Kampf gegen die Aggression. Dazu gehörten
  • die mutig kämpfenden Truppen der Roten Armee. Nach dem Überfall meldeten sich tausende Freiwillige für die Verteidigung der Heimat.
  • die Heimatfront, die durch enorme Anstrengungen in der Rüstungsproduktion den Truppen die notwendige Ausrüstung bereit stellte.
  • die Partisaneneinheiten, die im Rücken der vorgerückten deutschen Einheiten begannen, die Versorgungswege zu blockieren und durch eigene militärische Aktionen eine große Zahl von Einsatzkräften im Hinterland banden.
  • die heldenhafte Bevölkerung der Stadt Leningrad, die seit dem Herbst 1941 eine Blockade von 900 Tagen aushielt, bevor es gelang, die faschistischen Aggressoren zu vertreiben.
Im Februar 1943 siegte die sowjetische Armee unter riesigen Opfern unter Soldaten und Zivilisten in der Schlacht von Stalingrad. Die Schlacht von Stalingrad stellte einen historischen Wendepunkt in der Auseinandersetzung der

Anti-Hitler-Koalition mit dem expansionistischen Anspruch des deutschen Faschismus dar und leitete die endgültige militärische Niederlage des Hitlerfaschismus und seiner Verbündeten ein.

In dieser Phase des Kampfes wurde die sowjetische Armee unterstützt von allen Kräften der Anti-Hitler-Koalition: von militärischen Verbänden der Länder, die noch vom deutschen Faschismus okkupiert waren, und selbst von deutschen Antifaschisten, die als Frontbeauftragte des „Nationalkomitees Freies Deutschland“ versuchten, auf die deutschen Soldaten Einfluss zu nehmen. Dieser gemeinsame Kampf endete erst im Mai 1945 mit der vollständigen militärischen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht.

Mit voller Berechtigung begehen daher die Völker Russlands und der anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion den 9. Mai als „Tag des Sieges“.

Die FIR grüßt alle ehemaligen sowjetischen Kriegsveteranen und Veteranen des antifaschistischen Kampfes, wir trauern um alle, die in diesem Kampf ihr leben lassen mussten, und danken allen, die mit ihrem Handeln zum antifaschistischen Sieg beigetragen haben.

Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) – Bund der Antifaschisten

Quelle: Website der VVN-BdA Frankfurt a.M.; www.vvn-bda-ffo.de


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