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Das Unheil begann 1939

Vor siebzig Jahren sank Dresden infolge alliierter Luftangriffe in Schutt und Asche. Verantwortung für den tausendfachen Tod tragen diejenigen, die den Krieg vorbereitet und begonnen hatten

Von Kurt Pätzold *

In jenen Abendstunden des 13. Februar 1945, in denen sich die Besatzungen der zu den strategischen britischen Luftstreitkräften gehörenden Flugzeuge für ihren Start mit dem »Angriffsziel Dresden« fertigmachten, stand ich in einer dichtgedrängten Menschenmasse auf einer Treppe des Görlitzer Bahnhofs, die zu dem Bahnsteig führte, von dem aus ein Zug mit Flüchtlingen aus dem Osten via Dresden ins Reichsinnere fahren sollte. Ich habe den Bahnsteig nicht erreicht. Der hoffnungslos überfüllte Zug gelangte ohne mich in die Elbestadt und geriet in den Bombenhagel jener Nacht, den ersten von vier Angriffen. Der letzte fand zur Mittagszeit des 15. Februar statt. An ihnen waren auch US-amerikanische Luftverbände beteiligt. Es vergingen nahezu sechs Jahrzehnte, in denen über die ohnehin erschreckende Zahl der Getöteten phantastisch überhöhte Angaben gemacht wurden, bis ein Oberbürgermeister der Stadt für die Berufung einer Historikerkommission sorgte, die sich mit dem Hergang der Angriffe befassen und die Zahl der Opfer möglichst genau ermitteln sollte. Das tat sie in sechsjähriger Arbeit. Ihr Bericht, am 17. März 2010 vorgelegt, nennt als Obergrenze für die Zahl der Umgekommenen 25.000 Menschen, die sich in der Stadt aufhielten, darunter ein nicht genau zu ermittelnder Teil, der auf dem Weg nach Westen bis Dresden gelangt war.

Dresden, in dem die Trümmermasse auf 15 Millionen Kubikmeter geschätzt wurde, war eine der in der Schlussphase des Krieges in Schutt und Asche gelegten deutschen Städte. Deren Liste ist lang: Nürnberg, Saarbrücken und Magdeburg im Januar 1945. Cottbus und Pforzheim im Februar, Zweibrücken, Würzburg, Hanau, Heilbronn und Hildesheim im März, noch im April Nordhausen und Potsdam. Die auf dem Dresdner Altmarkt aus toten Menschenkörpern geschichtete Scheiterhaufen, mit Benzin übergossen und entzündet, gehören zu den ergreifendsten Zeugnissen eines Kriegsgeschehens, das immer wieder mit dem Wort Wahnsinn benannt worden ist.

Keine humanen Anwandlungen

Wer verantwortet dieses Morden? In erster Linie alle, die diesen Krieg vorbereitet und begonnen hatten. Und nach und mit ihnen jene führende deutsche Militärclique um ihren Oberbefehlshaber Adolf Hitler, die sich geweigert hatte, selbst in einem Augenblick, da es an der unabwendbaren deutschen Niederlage keinen Zweifel mehr gab, sich geschlagen zu geben, wenngleich sie nicht einmal darauf setzen konnte, dass ihr das glimpfliche Kapitulationsbedingungen eintragen würde.

Das unterschied die Feldmarschälle und Generale mit dem Hakenkreuz von denen des Deutschen Kaiserreiches. Die rangen sich, nachdem sie 1918 noch eine aussichtslose deutsche Großoffensive befohlen hatten, dann doch zu dem Schritt durch, den Krieg militärisch verloren zu geben und den zivilen Führern dringend aufzuerlegen, einen Weg zur raschen Beendigung der Kämpfe zu finden und zu beschreiten, sprich um Waffenstillstand zu bitten. Aus späten humanen Anwandlungen, etwa aus Rücksicht auf das Leben der eigenen Soldaten, die in den nahezu vier Jahren, die der Krieg schon dauerte, zu Hunderttausenden elend zugrunde gegangen waren, war das nicht geschehen. Die erkennbare Demoralisierung der eigenen Truppen, deren Rückzüge, Befehlsverweigerungen und Auflösungserscheinungen ließen die Militärs fürchten, dass der Krieg in Bälde nicht mehr auf französischem und belgischem Boden, sondern im Reich stattfinden werde. Das hätte das Desaster des Kaiserheeres für jedermann offensichtlich und jede Propaganda vom »im Felde unbesiegten« Heer unmöglich, ja lächerlich gemacht.

Hitlers Generale haben sich zu einem solchen verspäteten Schritt, wiewohl sie das »Vorbild« kannten, nicht entschlossen. Nach dem Scheitern der Revolte des Grafen von Stauffenberg und seiner Mitverschworenen hatten sie sich demonstrativ und geschlossen zum »Führer« und damit zur Kriegsverlängerung bekannt. Selbst als der im eingeschlossenen Berlin im Bunker unter der Reichskanzlei sie mit seinen Bütteln nicht mehr erreichen konnte und auch als er sich aus dem Leben und der Verantwortung gestohlen hatte, war ihr erster Schritt nicht etwa ein Zeichen der Bereitschaft zur Kapitulation. Wer von den Toten des Luftkrieges und den Zerstörungen durch sogenannte Bombenteppiche spricht, hat folglich zuerst von den deutschen Durchhaltestrategen, denen mit den höchsten Orden und den roten Biesen, zu reden, die mit wenigen Ausnahmen lebend und gesund in Gefangenschaft gingen. Wie oft ist in den vergangenen sieben Jahrzehnten das aber geschehen und Anklage erhoben worden? Wie oft jedoch darüber geschwiegen worden? Statt von ihrer Rolle wurde vorzugsweise von den militärischen Führern Großbritanniens und der USA und den Männern in den höchsten Stäben von deren Luftflotten gesprochen.

Fragen der Schuld

Wir werden auf sie zurückkommen, doch zunächst noch einen Augenblick bei Deutschland und den Deutschen bleiben. Die hatten in ihrer großen Mehrheit den Krieg nicht gewollt und, wenn sie auch Hitler nicht für einen Friedensstifter halten mochten, seinen vielen Beteuerungen, den Frieden zu wollen, geglaubt und darauf gesetzt, dass ihr vermeintlich genialer Anführer seine Ziele ohne Krieg oder jedenfalls an dessen Rande operierend durchsetzen werde. Österreich, die Sudetengebiete, dann das »Protektorat« Böhmen und Mähren schienen das zu bestätigen. Dann sahen sie sich am 1. September 1939 gleichsam überrumpelt, der »Führer« ließ jetzt »zurückschießen«, wie ihnen erklärt wurde.

Nichts korrumpiert so sehr wie der Erfolg, sei es ein realer oder ein vermeintlicher. Als Polen besiegt, Dänemark und Norwegen besetzt, die Niederlande und Belgien eingenommen, schließlich Frankreich unterworfen war, sahen Millionen Reichsbürger den Endsieg in greifbarer Nähe. Nun »bleibt nur noch ein Feind – England«, so lautete der letzte Satz im Siegesbericht des Oberkommandos der Wehrmacht vom 25. Juni 1940. Das Inselreich musste womöglich gar nicht erobert werden, es war denkbar, dass es sich allein durch verheerende Luftbombardements zur Aufgabe zwingen ließ. Mit dieser Hoffnung richteten Millionen den Blick auf das Morden, das Ende August mit der deutschen Luftoffensive gegen Großbritannien begann.

Das war kein ferner Krieg. Die deutschen »Volksgenossen« wurden über seinen Fortgang täglich durch die Berichte des Oberkommandos der Wehrmacht unterrichtet. Im Juli und August 1940 geschah das mit ausdrücklicher Betonung, dass nur bewaffnete Handelsschiffe, Häfen, Tanklager, Flugplätze, Rüstungswerke und Eisenbahnverbindungen das Ziel der deutschen Attacken seien. Ab dem 8. September wurden sie dann »Vergeltungsangriffe« genannt, die angebliche Antwort auf die Bombenabwürfe britischer Verbände, die wahllos zivile Ziele angreifen würden. Die waren bis nach Mitteldeutschland vorgedrungen, hatten aber, den OKW-Meldungen zufolge, keine oder nur geringe Sachschäden verursacht. Es seien auch nur wenige Menschen umgekommen. Hannover, Düsseldorf und Offenbach wurden als Städte benannt, denen die Angriffe gegolten hatten.

Zahlreicher waren die Namen englischer Städte, welche die Deutschen nun buchstabieren lernten. Es entstand ein Bild von wuchtigen Schlägen der deutschen und von Nadelstichen der britischen Luftstreitkräfte. Die »Volksgenossen« hörten aus den Lautsprechern ihrer Radiogeräte Augenzeugenberichte von Kriegsberichterstattern, die in den Bombenflugzeugen saßen und schilderten, was sie sahen, die Abwürfe und die Brände am Boden. Die Deutschen blickten auf Kinoleinwänden in den Wochenschauen in Bombenschächte, aus denen die tödliche Fracht entladen wurde und reihenweise ihr Ziel erreichte. Sie sahen wieder und wieder lodernde Häuser und Wohnviertel. Sie hatten das Brausen der Motoren im Ohr, das abgelöst wurde von der von den Regisseuren dazu gegebenen triumphalen Musik. Sie blickten auch in mitunter lachende Gesichter deutscher Soldaten, die sich befriedigt nach ausgeführten Befehl auf dem Heimflug befanden.

Manchen hatte das nicht genügt. Sie bildeten das Publikum, das den 1941 uraufgeführten Spielfilm »Stukas« besuchte. Sie konnten sich in Buchhandlungen und Schreibwarenläden für ein paar Groschen mit jenen Broschüren versorgen, in denen das Leben der Fliegersoldaten und ihre »Feindflüge« geschildert wurden. Und sie kannten natürlich das wieder und wieder aus den Radioapparaten tönende Lied mit dem Refrain »Ran an den Feind, Bomben auf Engeland«. Aus seinem Text spricht ebenso die Wunschvorstellung, vor dem Sieg zu stehen, wie die Anmaßung der eigenen Weltherrschaft, die jene Britanniens ablösen sollte, denn es heißt darin: »Wir stellen den britischen Löwen / Zum letzten entscheidenden Schlag. Wir halten Gericht, Ein Weltreich zerbricht: Das wird unser stolzester Tag!« Es sagt etwas über den Grad an »Bewältigung« deutscher Geschichte, wenn es im Internet – in diversen Foren zu finden – mit den Worten kommentiert wird: »Dieses ziemlich brachiale Lied der deutschen Luftwaffe soll nicht Krieg und Gewalt verherrlichen, sondern an den Mut und die Tapferkeit der 18 Millionen deutsche Soldaten erinnern.«

An wie vielen deutschen Abendbrottischen ist 1940/1941 darüber gesprochen worden, wie es zu gleicher Stunde denen in London, in Southampton oder Liverpool erging? An wie vielen ist auch nur ein Gedanke daran aufgekommen, dass die Rollen im weiteren Verlauf des Krieges womöglich getauscht werden könnten? Bis dahin kannten die meisten deutschen Stadtbewohner das Heulen der Sirenen von den Dächern ihrer Häuser nur, wenn die allwöchentlich auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft wurden. Das begann sich zu ändern, doch fehlte den meisten Deutschen die Phantasie, sich die Luftangriffe und deren Folgen auszumalen und die bildete sich selbst dann noch nicht, als sie im Spätsommer 1940 von Bombenabwürfen Royal Air Force inmitten Berlins informiert wurden.

Wie viele Dresdner haben sich inmitten ihrer ruinierten Stadt rund viereinhalb Jahre später an ihre Wahrnehmungen und Gedanken, ihr Tun und Lassen erinnert? Sie und die Bewohner vieler anderer deutscher Städte, die ähnliches erlebten und durchlitten, hatten auf die verschiedenste Weise zu dem beigetragen, was unstreitig zur Vorgeschichte ihres Unglücks gehörte. Wie viele gestanden sich das ein und bekannten es vor ihren Kindern? Pforzheim ist die deutsche Stadt, in der während eines Luftangriffs, der 22 Minuten dauerte, 18.000 Bürger umkamen. Keine andere Stadt im Reich wies einen so hohen Prozentsatz ihrer Bewohner auf, die infolge eines solchen Angriffs an einem einzigen Tag starben. Er entspricht in etwa dem Anteil ihrer Bürger, die 1932 für die Partei Hitlers bei der Reichstagswahl stimmten. Diese sind mit jenen nicht identisch, und das eine kann nicht einfach als Quittung oder Strafe für das andere angesehen werden. Aber die Beziehung der beiden Vorgänge zueinander ist unbestreitbar. Wie oft ist von ihr geredet worden? Wann und wo haben sich jene gemeldet, die beim Blick zurück von sich sagen mussten: Mea culpa, mea maxima culpa, nicht im Sinne der Allein- oder Hauptschuld, aber einer Mitschuld, eines teilweisen Selbstverschuldens. Erst mit diesem Geständnis öffnete sich die Tür für Gedanken, die zu den denkbaren Lehren führten. Davon wird noch zu sprechen sein.

Ersehntes Kriegsende

Fragen zum Angriff auf Dresden und andere deutsche Städte im letzten Kriegsjahr 1945 haben sich nicht nur die Deutschen zu stellen, sondern auch Briten und US-Amerikaner, wenn auch solche von anderem Inhalt und Charakter. War es militärisch notwendig, die Luftangriffe, deren Hauptziel (wie 1940/41 bei denen der Deutschen) in der raschen Beendigung des Krieges bestand, bis in den April und mitunter bis unmittelbar in die Tage fortzusetzen, an denen die zerstörten Städte besetzt wurden? Und: Hatten namentlich Winston Churchill, der britische Premier, und Franklin D. Roosevelt, der Präsident der USA, nicht die Möglichkeit, den Befehlshabern ihrer Luftstreitkräfte zu gebieten, die strategischen Offensiven und die Flächenbombardements gegen die dicht bewohnten Altstädte und Stadtzentren einzustellen? Die besaßen sie mit Sicherheit, ohne den eigenen nahen Sieg zu gefährden. Um welchen Preis aber hätten sie das tun können?

Die Luftangriffe, obwohl sie in der Hauptsache die deutsche Zivilbevölkerung trafen, besaßen nach wie vor ihr Gewicht in der Gesamtkriegführung. Noch wurde in Deutschland von hunderttausenden Männern und Frauen tagaus, tagein diszipliniert für den Krieg und damit für seine Fortsetzung produziert. Erscheinungen wie die Massenstreiks gegen Ende des Ersten Weltkrieges oder andere Anzeichen der Verweigerung hatte es nicht gegeben. Die Folgen eines Verzichts auf die Weiterführung der Bombardements lassen sich nicht in Tage oder Wochen der Verlängerung des Krieges umrechnen, dessen Ende jeder Soldat der alliierten Armeen herbeisehnte und von denen keiner noch sein Leben lassen wollte, da sich die Aussicht bot, die eigene Familie, die Freunde, die Heimat wiederzusehen und zu dem zurückzukehren, was man ein normales menschliches Leben nennt. Der Verzicht auf den Einsatz der Luftwaffe wäre jedenfalls mit einer nicht berechenbaren Zahl an Tagen verbunden gewesen, die sich der Krieg weiter hingezogen haben würde. Und jeder dieser Tage würde weitere – auch eine nicht bestimmbare Zahl – Menschenopfer aus den eigenen Reihen gekostet haben.

Denn die deutsche Gegenwehr, so sinnlos sie eingesetzt wurde, war doch in den ersten Monaten dieses Jahres bei weitem nicht vollständig gebrochen. Anfang 1945 standen die sowjetischen Truppen an der Weichsel und die der Westmächte hatten Teilen des Reichsgebiets westlich des Rheines erobert. Doch da wie dort sahen sich die Alliierten noch geschlossenen Fronten gegenüber. Um Königsberg, dann um Posen und Stettin, um die »Festung« Breslau wurde lange und hartnäckig gekämpft. Im Westen wurde im März der Rheinübergang, im Osten im April der über die Oder erzwungen. Wie sehr die faschistische Kriegsmaschine auch ins Stottern geriet, sie arbeitete, und das nicht zuletzt, weil sie noch immer durch die schuftende Zivilbevölkerung, die Ausbeutung der Zwangsarbeiter und der Kriegsgefangenen in Gang gehalten wurde. Die Trümmerhaufen der deutschen Städte, selbst wenn darin die ausgesprochen kriegswichtigen Anlagen nicht getroffen wurden, banden einen Teil dieser Arbeitskräfte durch die Aufwendungen für das notdürftige Weiterleben in ihnen. Lässt sich das Ergebnis der Luftattacken auch nicht in insgesamt verlorengegangenen Arbeitsstunden errechnen, so ist die Tatsache der Schwächung der deutschen Widerstandskräfte doch offenkundig.

Ob Staatsmann oder Hausfrau, ob General oder Soldat – die, die den Krieg gegen Deutschland ausfochten, wollten ihn beenden und mussten sich doch täglich fragen, warum diese Germans nicht aufgaben und was noch getan werden müsste, sie endlich dazu zu zwingen. Irgendeine Rücksichtnahme ergab sich aus dieser Frage nicht, sie verwies vielmehr im Gegenteil auf den Einsatz alles Verfügbaren. Denn Befehlende und Befohlene wünschten mit diesem Krieg und mit diesem Gegner endlich einfach »fertig zu werden«, zudem die Alliierten im Westen schon wussten, dass mit dem letzten Schuss in Europa die Kämpfe doch nicht beendet sein würden. Sie hatten, als das britisch-amerikanische Bündnis Ende 1941 entstand, sich auf das Prinzip »Germany first« festgelegt. Nun blieb da noch der Gegner im Fernen Osten, und es war ungewiss, welche Anstrengungen notwendig sein würden, Japans Führung keinen anderen Weg zu lassen, als ebenfalls die weißen Fahnen zu hissen. Wie sollte nach diesen Erfahrungen und in dieser Lage der Gedanke aufkommen, den Krieg mit weniger grausamen Mitteln zu beenden? Und wie angesichts der Nachrichten, die nach dem 27. Januar 1945 um die Welt gingen, als sowjetische Truppen das Lager Auschwitz erreichten und einen Rest seiner Insassen befreiten? Wie angesichts der Tatsache, dass die Deutschen auf dem Tiefpunkt ihres Ansehens als Volk angelangt und weithin verhasst waren?

Keine Lehren ohne Kenntnisse

Gewiss, die Luftangriffe in der Schlussetappe des Krieges, in dem es eine funktionierende deutsche Luftabwehr nicht mehr gab, sind militärisch kein Ruhmesblatt. Doch die Briten und Amerikaner, die ihn führten, waren nicht auf Orden und Beförderungen aus, wiewohl auch das im Einzelfall nicht auszuschließen ist und Befehlshaber der Luftstreitkräfte schon darauf erpicht gewesen sein mochten, am Tage des Sieges ihren eigenen großen Anteil daran vorweisen zu können. Aber Millionen beherrschte der Gedanke an das Ende, das Überleben und das Heimkommen. Manche von ihnen, die als Besatzungssoldaten nach Deutschland kamen, waren, als sie die deutschen Städte sahen, erschrocken über das, was sie da mit ihren Bomben angerichtet hatten. Das würden sie in ihrem Leben nicht noch einmal tun wollen. Aber sie hatten jedenfalls einen Beitrag dazu geleistet, dem »alten« Kontinent den Frieden zurückzugeben.

Es wäre Sache der Deutschen, das sind siebzig Jahre nach Kriegsende kaum noch Soldaten der Naziwehrmacht, sondern Generationen von Nachgeborenen, sich an einem Tag wie dem 13. Februar die Rolle ihrer Vorfahren klarzumachen, ohne sie mit Vorwürfen zu überhäufen, aber auch ohne sie allein als Opfer zu sehen. Denn das letzte wurden sie erst, nachdem sie sich zu Instrumenten der Faschisten und des Krieges gemacht hatten oder hatten machen lassen. Und es wäre zudem Sache der Deutschen, sich die Rolle der »Anderen« ohne Vorurteile und ohne die Absicht von Gegenrechnungen vor das geistige Auge zu führen und zu versuchen, sich in deren Gefühlszustand zu versetzen, der sich in den Jahren des scheinbar nicht endenden Krieges gebildet hatte.

Damit wären wir nun doch bei den Lehren. Sie sind ohne Geschichtskenntnisse nicht zu haben, und der Weg zu ihnen ist schwer gangbar, wenn ihn Legenden und Lügen vernebeln. Vor allem: Das Unheil, das zu jenem Februartag führte, begann mit der Entscheidung der deutschen Führung, am 1. September 1939 den Krieg auf die erkennbare Möglichkeit hin zu entfachen, Frankreich und Großbritannien als Gegner herauszufordern. Im Grunde war dieser Entschluss nicht überraschend. Da ist aus dem Jahre 1932 die warnende Losung der Kommunisten: »Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, wer Hitler wählt, wählt Krieg«. Und es waren nicht die Kommunisten allein, die sahen, was in Gestalt der Partei mit dem Hakenkreuz heraufzog. Obwohl die deutsche Bevölkerung nicht die Schlüssel zur Reichskanzlei besaß – die wurden Hitler von anderen ausgehändigt –, war das zeitweilig reichliche Drittel deutscher Wähler, das für die NSDAP votierte, an diesem Einzug in die Wilhelmstraße doch beteiligt. Wie viele Dresdner waren eigentlich darunter? Das ist ein Thema, über das sich die Stadtverwaltung noch heute in ihren in das Internet gestellten Angaben zur Stadtgeschichte ausschweigt.

* Aus: junge Welt, Freitag, 13. Februar 2015


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