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Via Prag in den Weltkrieg

Vor 75 Jahren wurde die Hakenkreuzfahne auf dem Hradschin gehißt

Von Kurt Pätzold *

Die Regierungschefs Deutschlands, Großbritanniens, Frankreichs und Italiens beschlossen im September 1938 in München, die an den Verhandlungen unbeteiligte Tschechoslowakei hätte dem Deutschen Reich die von dessen Machthabern verlangten Randgebiete abzutreten. Sie amputierten damit einen Staat, der nach dem Ende der Habsburgermonarchie entstanden und eine der wenigen Republiken war, die in Europa neben der Masse der Königreiche existierten. Die beiden Westmächte, so meinten und erklärten ihre Politiker, hätten für sich, d.h. für ihre Länder, den Frieden gerettet. In Wahrheit hatten sie sich eines denkbaren Verbündeten in jenem Krieg beraubt, mit dem die beiden anderen Vertragsmächte die Landkarte und die Machtverhältnisse auf dem Kontinent und über dessen Grenzen hinaus zu verändern gedachten. Damit hatten sie bereits begonnen. Nun war ihnen geholfen worden. Denn indem Millionen in der Tschechoslowakei lebende Deutsche »Reichsbürger« Nazideutschlands wurden, vergrößerte sich dessen demographisches und Arbeitskräftepotential und auch sein militärisches. Es bedurfte keiner mathematischen Künste, die Divisionen von Soldaten zu errechnen, die dieses Reich dadurch gewann, daß es 1938 zuerst die Österreicher und nun die Sudetendeutschen für seine Streitkräfte rekrutieren konnte. Gleichzeitig wurden, und darin bestand eine weitere unmittelbare Wirkung des Vertrags, die den Unterzeichnern auch nicht verborgen geblieben sein konnte, Tausende Menschen aus ihren Lebensverhältnissen gerissen, indem man sie zwang, das Gebiet zu verlassen, das ihnen bis dahin Heimat, zumindest Wohnstätte gewesen war: deutsche Antifaschisten, jüdische Einwohner und Angehörige der tschechischen Minderheit. Sie suchten Zuflucht zunächst im tschechischen Reststaat. An dessen Zerstückelung waren auch die separatistischen slowakischen klerikalfaschistischen Kreise und in einem bald vergessenen Grad auch die Republik Polen beteiligt, die sich das umstrittene Teschener (Olsa-)Gebiet im Oktober 1938 aneignete.

Welche Perspektive hatte die zu einem Kleinstaat herabgesunkene, zerrissene Tschechoslowakei, umgeben im Norden, Westen und Süden von »Großdeutschland«, im Stich gelassen von Mächten, die es – jedenfalls was Frankreich anlangte – bisher als ihre Verbündeten ansehen konnte? Im Lande wurde eine politisch-geographische Karte mit der Inschrift »Klein, aber unser« gedruckt. Das mutete wie ein Trostpflaster an. Doch wurden die Tschechen gar nicht vor die Frage gestellt, wie sich ihr Staat lebensfähig machen ließe auch angesichts eines erkennbar drohenden Krieges. Dieser Nach-München-Staat, Zweite Republik genannt, der faktisch eine neue Verfassung erhielt – der Staatspräsident Edward Benes, der dieses Amt seit 1935 bekleidete und vordem seit der Gründung der Republik deren Außenminister gewesen war, trat zurück und emigrierte nach Großbritannien, die Kommunistische Partei wurde verboten –, existierte kein halbes Jahr. Dann beantwortete die deutsche Wehrmacht die Frage nach der Zukunft des Landes und seiner Bewohner.

Okkupanten als »Befreier«

Darauf hatte sie sich seit dem Herbst 1938 nach einer Weisung Hitlers vorbereitet, die am 21. Oktober ausgefertigt worden war, also kaum mehr als drei Wochen nach dem Abschluß des Münchner Abkommens. Die Generale und hohen Offiziere, die das geheime Papier zu Gesicht bekamen, konnten, wenn sie das bis dahin noch geglaubt hatten, nun nicht länger meinen, ihr Oberbefehlshaber sei ein Ultranationalist, der einzig die fixe Idee verfolge, alle Deutschen in einem Staat zu versammeln. Der Befehl, sich auf die »Liquidierung der Rest-Tschechei« vorzubereiten, besagte, daß diesmal ein von Westslawen bewohntes Land dem Reich einverleibt werden solle. Die Vorbereitungen dafür waren, der Weisung gemäß, so zu treffen, daß »planmäßige Mobilisierungsmaßnahmen« unterblieben und ein vollkommen überraschender Überfall erfolgen konnte. Der »Tschechei selbst« müsse »jede Möglichkeit planmäßiger Gegenwehr genommen« und deren »rasche Besetzung« gesichert werden. Die Wendung, daß dieser Fall eintrete, wenn der Nachbarstaat eine »deutsch-feindliche Politik betreiben würde«, war propagandistisch-demagogisches Dekor. Das Münchner Abkommen hatte ihn faktisch dem Deutschen Reich ausgeliefert. Die Politiker in Prag wußten das und versuchten, sich der Lage anzupassen. Das half ihnen jedoch nicht.

In der Nacht vom 14. zum 15. März 1939 besetzten deutsche Truppen das Land. Sie stießen auf keinen Widerstand und gelangten ungehindert nach Prag, nicht anders als sie ein Jahr zuvor nach Wien gekommen waren. Mit dem einen Unterschied: Anders als an der Donau begrüßte sie an der Moldau niemand. Fotografien der Tschechen, die am Straßenrand den Einmarsch der Deutschen beobachteten, zeigen sie rat- und hilflos, auch verzweifelt über ihre Ohnmacht. Die deutschen Soldaten, die dabei waren, mochten sich erinnern, daß sie auf den Einmarschstraßen in Österreich und in die Sudetengebiete freudig, mitunter hysterisch begrüßt und beschenkt worden waren. Jetzt waren sie Eindringlinge, vergewaltigten ein kleines Volk. Das konnte ihnen nicht entgehen.

Dem Überfall nach Plan war ein politischer Coup vorausgegangen. Emil Hacha, Nachfolger von Edward Benes als Staatsoberhaupt, wurde am 14. März in der Berliner Reichskanzlei dazu gezwungen, ein Abkommen über den Schutz des tschechischen Volkes durch das Deutsche Reich zu unterzeichnen. Es vermochte die deutsche Aggression freilich nicht einmal dürftig in eine gewünschte Hilfsaktion zu verfälschen. Denn dieser Staat brauchte vor niemandem sonst Schutz als eben vor jenen, die sich da als seine Beschützer ausgaben.

Hitler begab sich noch am 15. März nach Prag und verkündete dort die Gründung des »Protektorats Böhmen und Mähren«, worüber er am gleichen Tag in einem Erlaß bestimmte, daß es Teil des »Großdeutschen Reiches« sei, jedoch eine eigene autonome Regierung besitze. Zur Dramaturgie, die doch die wahren Machtverhältnisse nicht verbergen konnte, gehörte, daß Hacha »Oberhaupt« eines nicht mehr existierenden Staates und Rudolf Beran Chef einer Regierung blieb, die keinerlei eigene Entscheidungen zu treffen hatte, sondern Instrument der Kollaboration war und blieb. Angewiesen und kontrolliert wurde diese Verwaltung von einem als Hitlers Stellvertreter vor Ort fungierenden »Reichsprotektor von Böhmen und Mähren«, der seinen Dienstsitz auf der Prager Burg nahm. Den Posten bekleidete zuerst Konstantin Freiherr von Neurath, der aus einer württembergischen Gutsbesitzerfamilie stammte, schon unter dem Kaiser, dann in der Republik als Diplomat gedient und es schließlich 1932 zum Reichsaußenminister gebracht hatte, ein Amt, das er bis 1938 ausübte. Seine Biographie, die eines deutschen Konservativen, steht für die Kontinuität einer Entwicklung, die vom Ersten in den Zweiten Weltkrieg führte. Denn als Neurath sich hoch über der Moldau einquartierte, konnte er nicht im Zweifel sein, daß es bei diesem, dem Völkerrecht hohnsprechenden Akt nicht bleiben, aber auch, daß die Fortsetzung dieser Außenpolitik nicht dauernd geduldet werden würde.

»Ein Volk, ein Reich«?

Mit Neurath zogen deutsche Truppen in Garnisonen im Protektorat ein und ebenso Kommandos der Geheimen Staatspolizei. Letztere richtete dort ihre Dienststellen und im Jahr darauf in der Kleinen Festung Theresienstadt ihr eigenes Gefängnis ein. An einem Ort, der schon der k. u. k. Monarchie als Gefangenenanstalt gedient hatte und deren prominentester Häftling Gavrilo Princip, der Attentäter von Sarajevo, gewesen war. 1941 erhielt SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich, der Chef des Reichssicherheitshauptamtes, den Posten des Stellvertreters des Reichsprotektors. Da Neurath beurlaubt worden war, wurde ­Heydrich faktisch in Personalunion zum Herrn auf dem Hradschin.

Weniger Aufsehen erregte 1939 der Einzug jener deutschen Spezialisten, die der Wehrmacht alsbald folgten und mit dem Auftrag kamen, die wirtschaftlichen und rüstungswirtschaftlichen Maßnahmen einzuleiten, die das besetzte Land mit seinen Bodenschätzen, modernen Industrieanlagen und Facharbeitern unverzüglich in die deutschen Kriegsvorbereitungen einbezogen. Nach dem Urteil eines sozialdemokratischen Berichterstatters, der vor Ort lebte, galt das »Hauptinteresse der Deutschen«, wie er dem Exilvorstand seiner Partei nach Paris berichtete: »1. der militärischen Ausrüstung der Tschechoslowakei, 2. ihrer Kriegsindustrie, 3. ihren Rohstoffen und Devisenvorräten, 4. den für Deutschland verfügbaren Arbeitskräften«.

Die Errichtung des »Protektorats«, dessen Bewohner zweifelsfrei Tschechen waren, stellte gerade an die gläubigsten Gefolgsleute des »Führers« einige Anforderungen. Sie mußten umdenken. »Ein Volk, ein Reich«? Nun lebten in diesem Reich nicht nur deutsche »Reichsbürger«, sondern auch Millionen Tschechen, angeblich als Schutzbürger. Dabei hatte Hitler in seiner Rede während der sogenannten Tschecheikrise, gehalten am 26. September 1938 im Berliner Sportpalast (siehe Keller auf dieser Seite), dem Verlangen, alle Deutschen und mithin auch die aus den Sudetengebieten in einem Reich zu vereinen, doch schreiend und bekenntnishaft zugleich entgegengesetzt: »Wir wollen gar keine Tschechen!« Das war im Gedächtnis vieler, denn in jenen Tagen voller Aufregung, da die Entscheidung über Krieg und Frieden zu fallen schien, hatten besonders viele »Volksgenossen« die vom Rundfunk übertragene Rede gehört.

Nun war klargestellt, daß sich Hitlers Außenpolitik nicht auf die noch außerhalb der Reichsgrenzen lebenden deutschen Volksgruppen beschränkte, sondern anderen Prinzipien folgte. Welcher ideologische Mix in manchem geschulten Nazikopf entstand, berichtete der Sicherheitsdienst der SS in seinem Vierteljahresbericht 1939. Selbst in der Presse habe das »Hinausgreifen des Reiches über den Volkstumsbereich« zu Unsicherheiten bei der Verwendung der Begriffe »Reich« und »Imperialismus« geführt. Während eine Königsberger Zeitung von der Verwirklichung einer »imperialen Reichsidee« geschrieben habe, sei in einer anderen am folgenden Tage das Geschehen in die Formel »Überwindung des Imperialismus« gefaßt worden. Welchen Vers sollte sich darauf ein strammer Gefolgsmann machen?

Größere Aufregung hat die Erfahrung des 15. März 1939, soweit sie überhaupt verarbeitet wurde, jedoch unter den »Volksgenossen« nicht hervorgerufen. Zwar äußerte sich, wie aus Berichten von Sozialdemokraten aus dem Reich hervorging, in den Betrieben Unzufriedenheit und Verärgerung über die beständige Unruhe. Sie entstand, was sich ja selbst der Nazipresse entnehmen ließ, jedenfalls zu einem Teil als Folge der deutschen Forderungen und bildete den Stoff für unwillkommene Erörterungen über die Kriegsgefahr und die möglichen Kriegskonstellationen. Doch zu einer politischen Massenstimmung, welche die Machthaber und deren Entscheidungen beeinflussen konnte, verdichteten sich diese Erscheinungen nicht. Der Einmarsch war ja rasch und glimpflich abgelaufen.

Viele Deutsche waren im Frühjahr 1939 zudem mit anderem beschäftigt. Eine permanente Sorge ergab sich aus den ständig gesteigerten Anforderungen im Arbeitsprozeß mit deren Folgeerscheinungen Übermüdung und Krankheit, aus der wachsenden Zahl von Überstunden und den weiter niedrig gehaltenen Löhnen, einer Politik im Widerspruch zu den Versprechungen des Jahres 1933, wonach, wenn erst alle Arbeit hätten, auch die Löhne steigen könnten und würden. In vielen ländlichen Gebieten wurden als Folge von Landflucht und Einberufungen zur Wehrmacht die Arbeitskräfte immer knapper, die Belastung der verbleibenden folglich größer.

Sowjetunion ergreift Initiative

Was dieser 15. März 1939 für die weitere europäische Entwicklung bedeuten könnte, wurde den meisten Deutschen nicht klar. Anders als ein halbes Jahr zuvor, als sie über Wochen die sogenannte Tschecheikrise, das Säbelrasseln ihrer Regierung und die Furcht vor einem nahen Krieg beunruhigt hatte, wonach sie aber aufatmen konnten, als die Münchner Konferenz die Lage auf Kosten der Tschechoslowakei entspannte, waren sie diesmal von dem Schritt der deutschen Führung überrumpelt worden. Nicht anders als das Ausland und dessen Regierende – jedenfalls viele. Die Wehrmachtstruppen waren wie geplant aus den Kasernen zur und über die Grenze marschiert. Und nachdem die vollendete Tatsachen geschaffen hatten, war eine harsche Reaktion der westeuropäischen Großmächte ausgeblieben. Zwar gingen in Berlin Protestnoten ein, doch London und Paris, was auch nur eine Geste gewesen wäre, hatten nicht einmal ihre Botschafter aus der Hauptstadt abgerufen, ein Schritt, der gewöhnlich äußerste Unzufriedenheit mit der Politik des Landes ausdrückte, in dem sie akkreditiert waren. Diese Hinnahme mochte im Reich für kurze Zeit beruhigend wirken und bei Hitlers Gefolgschaft den Eindruck verstärken, was dieser »Führer« doch für ein Kerl sei, der seine Ziele auf derart mühelose Weise erreiche, ohne Krieg. Aber diese momentane internationale Reaktionslosigkeit täuschte.

Mit dem Marsch nach Prag war das Münchner Abkommen zerrissen. Neville Chamberlain und Édouard Daladier hatten ihre Staaten mit der Politik der Befriedigung des Nazireiches außenpolitisch in eine Sackgasse manövriert. Die Hoffnungen, man könne sich mit Hitler und seiner Regierung auf dem Wege ausgehandelter Zugeständnisse einig werden, solche auch in künftigen Fällen also erreichen, waren zerstört. Jene Politiker, die wie Winston Churchill vor diesem Kurs gewarnt hatten, sahen sich bestätigt. Was also nun? Den Regierungen der beiden Mächte bot sich eine Alternative.

Die Offerte kam aus Moskau, wo zu dieser Zeit der XVIII. Parteitag der KPdSU abgehalten wurde. Außenminister Maxim Litwinow unternahm, was ohne die Sanktion Stalins undenkbar war, den Versuch, die von der Sowjetunion betriebene Politik der kollektiven Sicherheit, der in München gleichsam der Todesstoß versetzt worden war, zu reanimieren. Nun freilich hatte sich die Situation mehrfach verändert und die Zeit, sich zu entscheiden und zu handeln, war nicht nur verkürzt. Deutschland war ungleich gerüsteter als 1935. Damals schien es nach den Beistandspakten zwischen der Sowjetunion, Frankreich und der Tschechoslowakei so, daß zwischen Paris, Prag und Moskau ein Bündnis zur Abschreckung Deutschlands entstehen könnte. Doch hatte Großbritannien sich von der sich anbahnenden Koalition ferngehalten, mehr noch, den Weg des Appeasement eingeschlagen, was seinen deutlichsten Ausdruck in Zugeständnissen zugunsten der deutschen Flottenrüstung fand. 1935 wurde in Deutschland eben erst die allgemeine Wehrpflicht wieder eingeführt. Also blieb noch Zeit für die Bestimmung von Reaktionen. Jetzt aber, im Frühjahr 1939, mußte man kein Hellseher sein, um zu erkennen, daß Polen das nächste Objekt der deutschen Expansion werden sollte, und dies bald.

Der Standpunkt der Sowjetunion, die unmittelbares Interesse daran besaß, dieses Deutschland nicht zum Nachbarn zu bekommen, war unmißverständlich. Mit Erklärungen, faktisch papiernen Protesten würde nichts getan sein. Nur als erster Schritt könnte eine gemeinsame öffentliche Reaktion gelten, an der sich mit Rumänien und Polen zwei Staaten beteiligen sollten, die in der deutschen Expansionszone lagen. Darauf mußten ohne Zögern militärische Vereinbarungen für den Fall folgen, daß Deutschland Polen überfiel. Das Projekt scheiterte in seinen Anfängen. Schon die vorgeschlagene internationale Konferenz, als deren Ort Bukarest gedacht war, kam nicht zustande. Und mit ihr scheiterte Litwinow, der Anfang Mai 1939 seinen Posten verlor und seinen Platz für Wjatscheslaw Molotow zu räumen hatte. Die Führung in Moskau mußte darüber befinden, welche Alternative sich für ihre Europapolitik bot, wenn es nicht gelang, ein gemeinsames Vorgehen der nichtaggressiven Staaten zustande zu bringen. Dann blieb nur die Möglichkeit, eigene Wege zu suchen, um das Land so lange wie möglich aus einem Krieg herauszuhalten.

In Chamberlains Regierung war klar, daß sie ein zweites München nicht überstehen würde und auch vor der eigenen Bevölkerung verdeutlichen mußte, daß sie ihre Deutschlandpolitik veränderte. So kam Ende März 1939, als eine Antwort auf die Liquidierung der Tschechoslowakei, eine Garantieerklärung Großbritanniens zugunsten Polens zustande. Das Inselreich verbürgte sich für den Schutz des osteuropäischen Staates. Jedoch tat es das in einer Weise, die nicht das gesamte Territorium Polens betraf. Dennoch verbesserte dieser Schritt innenpolitisch die Situation des Kabinetts in London, und in Warschau vermittelte dieser Schutzpatron das trügerische Gefühl, Sicherheit vor einer deutschen Aggression gewonnen zu haben. Militärische Konsequenzen aber hatte der politische Schritt nicht. Nur diese hätten die Kriegslust der deutschen Machthaber um Hitler dämpfen können. Es gab kein rotes Warnsignal an die Adresse der Machthaber in Berlin, die bis in die letzten Stunden vor dem Angriffsbefehl auf Polen und selbst noch in den ersten Stunden danach spekulierten und hofften, Großbritannien werde sich an den Vertrag schließlich so wenig halten wie an die Zusicherungen gegenüber der Tschechoslowakei und auch Polen preisgeben. Da irrten sie sich aber. In den führenden Kreisen des Inselreiches hatte sich langsam und also spät die Überzeugung durchgesetzt, daß einer kriegerischen Konfrontation mit diesem Deutschen Reich nicht auszuweichen war.

* Aus: junge Welt, Samstag, 15. März 2014

Dokumentiert: Aus Hitlers Kriegsrede am 26. September 1938 im Berliner Sportpalast

Ich habe nur weniges zu erklären: Ich bin Herrn Chamberlain dankbar für alle seine Bemühungen. Ich habe ihm versichert, daß das deutsche Volk nichts anderes will als Frieden; allein, ich habe ihm auch erklärt, daß ich nicht hinter die Grenzen unserer Geduld zurückgehen kann.

Ich habe ihm weiter versichert und wiederhole es hier, daß es – wenn dieses Problem gelöst ist – für Deutschland in Europa kein territoriales Problem mehr gibt!

Und ich habe ihm weiter versichert, daß in dem Augenblick, in dem die Tschechoslowakei ihre Probleme löst, das heißt, in dem die Tschechen mit ihren anderen Minderheiten sich auseinandergesetzt haben, und zwar friedlich und nicht durch Unterdrückung, daß ich dann am tschechischen Staat nicht mehr interessiert bin.

Und das wird ihm garantiert! Wir wollen gar keine Tschechen!

Allein, ebenso will ich nun vor dem deutschen Volk erklären, daß in bezug auf das sudetendeutsche Problem meine Geduld jetzt zu Ende ist!

Ich habe Herrn Benesch ein Angebot gemacht, das nichts anderes ist als die Realisierung dessen, was er selbst schon zugesichert hat. Er hat jetzt die Entscheidung in seiner Hand! Frieden oder Krieg!

Er wird entweder dieses Angebot akzeptieren und den Deutschen jetzt endlich die Freiheit geben, oder wir werden diese Freiheit uns selbst holen!





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