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Verleumdungklage gegen kritischen Film "Water Makes Money"

Der französische Konzern VEOLIA will Aufführungen und Ausstreahlung im Fernsehen verhindern. Informationsschreiben der Agentur und ein Gespräch mit Lesli Franke

Dokumentiert: Das e-mail der Filmemacher an die AG Friedensforschung:

Hallo Peter Strutynski,

nach der bisher überaus erfolgreichen Verbreitung des Films „Water Makes Money“ In Form von über 200 (Kino)-Vorführungen und mehr als 1000 DVDs, hat der im Film kritisierte französische Konzern VEOLIA in Paris gegen den Film Klage wegen „Verleumdung“ eingereicht. Noch ist nicht klar, was konkret man uns vorwirft. Der Konzern hat dennoch bereits erreicht, dass die französische Staatsanwaltschaft dem Antrag Veolias stattgegeben und einen Untersuchungsrichter bestellt hat. Dieser lässt jetzt mit Hilfe eines auch auf Deutschland ausgeweiteten Rechtshilfeersuchens polizeilich ermitteln.

Bis der Prozess eröffnet wird, kann es noch einige Zeit dauern. Noch darf der Film gezeigt werden. Und noch hält ARTE an der Planung fest, eine TV-Fassung am Internationalen Wassertag, am 22.3.2011 um 20h15 auszustrahlen. Doch ein Ausstrahlungs- bzw. Aufführungsverbot ist künftig nicht auszuschließen.

Veolias Versuch, unliebsame Filme aus der Öffentlichkeit zu verbannen, hat bereits Tradition. Als Leslie Franke und Herdolor Lorenz es 2005 wagten, in einem mit dem NDR koproduzierten Film („Wasser unterm Hammer“) über die Praxis der Geheimverträge bei der Teilprivatisierung der Berliner Wasserwerke aufzuklären, wurde der Konzern beim NDR vorstellig. Er erreichte nach eigenen Angaben sogar im Einvernehmen mit ARD-Chefredakteur Volker Herres, dass der Film nicht mehr ausgestrahlt werden durfte. Und das, obwohl der Dokumentation kein einziger inhaltlicher Fehler nachgewiesen werden konnte.

Wohl wissend, was es bedeutet, die Praktiken eines weltweit tätigen Konzerns zu durchleuchten, wurde für Water Makes Money praktisch jedes Wort von Anwälten in Hamburg und Paris hin- und her gewendet und überprüft. Auch bei ARTE wurde jeder Fakt noch einmal gegengeprüft. Dennoch wird sicherlich nicht allein auf juristischem Feld entschieden, ob es Veolia mit seiner Klage gelingt, dass der Film aus den Kinos und von den Bildschirmen verschwindet.

Dies wird ein Kampf David gegen Goliath. Selbst wenn wir in der ersten Instanz gewinnen, kann Veolia ohne öffentlichen Druck in die nächste gehen, und wenn nötig in die über- und übernächste. Für Veolia sind die Kosten solcher Verfahren Peanuts. Für Leslie Franke und Herdolor Lorenz kann das von Instanz zu Instanz potenzierte finanzielle Risiko aber ruinös werden.

Deshalb rufen wir auf: Lassen Sie nicht zu, dass Veolias Attacke auf „Water Makes Money“ unbeobachtet bleibt! Verhindern Sie, dass Großkonzerne Kritik an ihrem Geschäftsgebaren unterdrücken können! Verbreiten Sie die Infos über diese Attacke auf die Pressefreiheit über Ihre Netzwerke, so weit Sie können! Nutzen Sie Ihre Kontakte zur Presse, um diesen Fall breit in die Öffentlichkeit zu bringen! Wenn Sie von der Presse sind, bestellen Sie eine Ansichts-DVD, berichten Sie über den Fall!

Der Film „Water Makes Money“ darf noch verbreitet werden, kann noch aufgeführt werden: Machen Sie Veolia einen Strich durch die Rechnung! Die Infos des Films müssen noch breiter in die Öffentlichkeit – Organisieren Sie eine Aufführung des Films! Wenn Sie WMM schon gesehen haben, verschenken Sie die DVD! Helfen Sie mit, den Film möglichst weit zu verbreiten!

Leslie Franke, Herdolor Lorenz und Achille Du Genestoux haben jetzt schon hohe Anwaltskosten und viele andere Aufwendungen, um der Klage zu begegnen. Jede Aufführung, jede bestellte DVD, und immer noch jede Spende auf unserer Webseite rechts oben können auch helfen, die finanziellen Folgen abzumildern.

Über den Fortgang der Ereignisse werden wir Euch/Sie natürlich auf dem Laufenden halten.

Falls Sie noch nicht auf dem Verteiler sind oder sonstige Fragen haben, schreiben Sie an film@watermakesmoney.org


»Veolia will uns juristisch in die Knie zwingen«

Der französische Wasserkonzern versucht die Ausstrahlung eines kritischen Films zu verhindern. Ein Gespräch mit Lesli Franke *

Lesli Franke ist freie Filmemacherin und betreibt zusammen mit Herdolor Lorenz die »Kern-Filmproduktion«, eine Plattform für dokumentarisch arbeitende Filmschaffende mit gesellschaftlichem Engagement.

Ihr Film »Water makes money« ist über 200mal in Kinos gezeigt worden, mehr als 1000 DVDs wurden verbreitet, im Fernsehprogramm von arte soll der Film am 22. März um 20.15 Uhr gezeigt werden. Nun klagt der Wasserkonzern Veolia – will er erreichen, daß der Film vom Bildschirm und aus den Kinos verschwindet?

Wir haben einen Brief von der Pariser Präfektur bekommen. Darin heißt es: Veolia hat Anklage wegen »Verleumdung« erhoben. Konkretere Vorwürfe kennen wir noch gar nicht. Der französische Konzern hat trotzdem erreicht, daß die Staatsanwaltschaft seinem Antrag stattgegeben und einen Untersuchungsrichter bestellt hat. Der läßt jetzt mit Hilfe eines auch auf Deutschland ausgeweiteten Rechtshilfeersuchens polizeilich ermitteln. Bislang ist der Film nicht verboten, vermutlich wird es noch Monate dauern, bis wir Anhaltspunkte haben, worum es dem Konzern konkret geht. Der Prozeß könnte Anfang nächsten Jahres stattfinden.

Als Ihr vorheriger, 2005 mit dem NDR produzierter Film »Wasser unterm Hammer« herauskam, der über Geheimverträge bei der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe aufklärt, wurde Veolia beim NDR vorstellig. Knickt der öffentlich-rechtliche Rundfunk bei Zensurversuchen der Wirtschaft ein?

Das war ein Eingriff in die Pressefreiheit – und damit auch in die Demokratie. »Wasser unterm Hammer« beschreibt immerhin die Folgen der Privatisierung der Wasserversorgung am Berliner Beispiel – Veolia ist zu einem knappen Viertel daran beteiligt.

Der Konzern erreichte nach eigenen Angaben im Einvernehmen mit ARD-Chefredakteur Volker Herres, daß der Film nicht ausgestrahlt wurde ...

Man konnte uns in einem gemeinsamen Gespräch mit Veolia, den Berliner Wasserbetrieben und dem NDR keinen einzigen journalistischer Fehler nachweisen. Trotzdem durfte der Film nicht mehr gezeigt werden.

Was ist denn das eigentliche Motiv für die jetzigen Attacken von Veolia?

Wir tragen im Film Beispiele zusammen, bei denen es um Korruption bei privatisierter Wasserversorgung geht. Wir dokumentieren, daß es für die Verbraucher besser ist, wenn die Wasserwirtschaft in öffentlicher Hand bleibt. Der Film zeigt, wie im Heimatland des Konzerns Veolia, also in Frankreich, Kommunen die Herrschaft von Konzernen wie Veolia in Frage stellen. Man wirft ihnen Intransparenz, schlechte Wasserqualität, kontinuierliche Preissteigerungen und Monopolmißbrauch vor.

Wir stellen unbequeme Fragen: Wurden die Milliarden öffentlich gezahlter Gebühren für die Sanierung der Rohrleitungen wirklich dafür genutzt? Hat das Wassergeld französischer Gemeinden die weltweite Expansion der Konzerne Veolia und Suez finanziert? Zudem geht es um den Bau einer nicht hinreichend getesteten Kläranlage in Brüssel, wo erhebliche Umweltschäden auftraten.

Müßte es für freie Dokumentarfilmer mehr Rückhalt geben, um Zensurversuche abzuwehren?

Deshalb haben wir den Film zunächst über die Webseite www.watermakesmoney.org publik gemacht – so wie bereits unseren Film »Bahn unterm Hammer«. Gemeinsam mit Hunderten Spenderinnen und Spendern und sozial- und umweltpolitischen Verbänden war es möglich, den Film vorzufinanzieren, bis arte eingestiegen ist. Wir haben unseren Spendern DVDs geschickt; die haben sich verantwortlich gefühlt und ihn als Multiplikatoren bekannt gemacht. Auf einer interaktiven Karte kann man auf der DVD Veranstaltungsorte anklicken, um zu sehen, wo und wann der Film läuft. So können Themen weltweit an die Öffentlichkeit gebracht werden. Die Premiere fand am 23. September 2010 gleichzeitig in 150 Orten statt – allein in Paris lief er in vier Kinos gleichzeitig. Jetzt will Veolia uns durch einen teuren Prozeß in die Knie zwingen.

Für »Water makes money« ist es uns aber gelungen, einen mutigen Redakteur von arte, Reinhard Lohmann, zu finden. Der Sender hat sich entschlossen, den Film trotz der Klage auszustrahlen.

Interview: Gitta Düperthal

* Aus: junge Welt, 18. Januar 2011


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