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"Keiner interessiert sich mehr für Schuld an Terroranschlägen"

Gespräch mit Paul Schreyer. Zur Rolle der Medien im Ukraine-Konflikt, zu Widersprüchen in den transatlantischen Beziehungen und zum wachsenden Widerstand gegen die einseitige Berichterstattung *


Paul Schreyer ist Autor und freier Journalist. Er veröffentlichte mehrere Sachbücher zu den Anschlägen vom 11.9.2001 und führte in der Folge eine öffentliche Debatte mit einem Stabsmitglied der offiziellen amerikanischen 9/11-Commission.


Herr Schreyer, wann und von wem wurde das Prädikat »Putin-Versteher« zum ersten Mal benutzt, und was sagt der Begriff über das analytische Niveau der Debatte zum Bürgerkrieg in der Ukraine aus?

Der Begriff Putin-Versteher kursiert seit gut zehn Jahren in den deutschen Medien, jedenfalls schon fast so lange, wie Wladimir Putin in Rußland regiert. Populär wurde er unter anderem durch einen Leitartikel von Spiegel-Redakteur Christian Neef, der 2011 in einer Überschrift von der »Arroganz der Putin-Versteher« sprach. Seither ist das Wort zum Selbstläufer geworden. Problematisch ist die Unterstellung, die damit transportiert wird – man dürfe jemanden wie Putin im Grunde gar nicht verstehen. Da ist zu fragen: Warum nicht? Denn natürlich bedeutet Verständnis nicht automatisch Zustimmung oder Akzeptanz. Verstehen geht aber einher mit einem Perspektivwechsel, also der Fähigkeit, sich gedanklich in das Gegenüber hineinzuversetzen, um dessen Motive zu begreifen. Wenn das nicht mehr möglich sein soll, dann regieren Ideologie und Verblendung. Insofern ist das gegenwärtige Niveau der Debatte nur zu bedauern.

Können Sie erklären, warum die deutsche Bevölkerung dem Propagandagetöse nicht beistimmt – und wäre dies für die Medien nicht Anlaß, besonnener zu berichten?

Viele Mediennutzer bewerten die gängige Berichterstattung zu Putin und zur Ukraine inzwischen tatsächlich als Propaganda, wie man an zahllosen kritischen Leserkommentaren erkennen kann. Zahlreiche Journalisten der Leitmedien haben sich aber früh festgelegt in ihrer Bewertung der »Guten« und der »Bösen« im Ukraine-Konflikt. Und aus dieser Positionierung kommen sie jetzt nicht mehr ohne Gesichtsverlust heraus. Das erklärt zum Teil die derbe Leserbeschimpfung einiger Kollegen, die jede Kritik an ihrer Arbeit inzwischen als ungerechtfertigt oder sogar als »von Moskau gesteuert« ansehen. Die Debatte hat wirklich einen bizarren Punkt erreicht.

Was ist der reale Grund für diesen Konflikt zwischen Rußland und der NATO?

Der geopolitische Hintergrund der Auseinandersetzung ist ja kein Geheimnis. Die EU hat sich mit dem Forcieren des Assoziierungsabkommens verkalkuliert. Die USA nutzen die Krise nun, um die EU und Rußland gegeneinander aufzubringen und einer Partnerschaft, die ja in beider Interesse läge, Steine in den Weg zu legen. Die Großmächte ringen um Einfluß wie eh und je, der Kreml fürchtet dabei vor allem ein militärisches Vorrücken der NATO bis direkt an die Grenzen Rußlands. Man muß sich den umgekehrten Fall vorstellen: Was wäre, wenn Putin eine Putschregierung in Mexiko unterstützte, die Granaten auf Städte nahe der kalifornischen Grenze abfeuert, wo sich proamerikanische Separatisten verschanzen? Entsprechend müßte dann ja wohl Obama mit Sanktionen belegt werden, weil er nicht »einlenkt« und sich weigert, seine Truppen aus der Grenzregion abzuziehen. Das Ganze ist hochgradig schizophren.

Was hat der »Atlantic Council« mit dem Konflikt zu tun?

Der »Atlantic Council«, nicht zu verwechseln mit dem »North Atlantic Council« der NATO, ist ein Lobbyverein und zugleich eine relativ unbekannte, aber aktuell wichtige Schaltstelle. Dort treffen sich regelmäßig viele der politischen und privatwirtschaftlichen Akteure des Westens. Es ist einer der Orte, an dem der gängige außenpolitische Konsens heute formuliert wird.

Sie beschreiben in Ihrem aktuellen Buch diesen als »eine Struktur«, die »oberhalb der Regierungen schwebt«. Ist das nicht etwas zuviel des Guten?

Interessant ist die Finanzierung des Councils. Zu den Sponsoren zählen zum Beispiel Airbus, der Ölmulti Chevron, die Deutsche Bank, der Rüstungsriese Lockheed Martin, dann aber auch ganz offiziell die Regierungen der USA, Großbritanniens, Schwedens, Kuwaits und der Vereinigten Arabischen Emirate. Außerdem erhält der Council direkt Geld von der NATO und der Europäischen Kommission. Auch wichtige Medien sind mit an Bord, etwa der Wirtschaftsnachrichtendienst Bloomberg und der Medienzar Rupert Murdoch. Hauptquartier ist Washington. Im Juni trat dort zum Beispiel Ursula von der Leyen auf, stellte sich vor und lauschte den Fragen der Geldgeber und ihrer Referenten. Im April bekam EU-Präsident Manuel Barroso einen Preis vom Council-Vorsitzenden, dem Milliardär Jon Huntsman, verliehen – mit der offiziellen Begründung, er sei ein »Führer, der die Dinge erledigt bekommt«. Angela Merkel durfte per Videozuschaltung die Laudatio halten. Der Eindruck, daß Politiker in diesem Netzwerk nur zugewiesene Rollen spielen, ist einfach nicht von der Hand zu weisen.

Was sind die Ziele des »Councils«, und warum lassen sich die Politiker so willfährig als Marionetten benutzen?

Laut Selbstdarstellung wünscht sich der »Atlantic Council« eine »konstruktive Führung in internationalen Angelegenheiten«, indem er – ebenfalls ein Originalzitat – »sein einzigartig einflußreiches Netzwerk von Führern informiert und verschmilzt«. Offiziell geht es dabei um eine »sicherere und prosperierendere Welt«. Der »Council« ist ja nun nicht die einzige solcher Lobbygruppen, die vermeintlich nur das Beste für alle wollen – aber er ist derzeit sicher eine der einflußreichsten. Genau aus diesem Grund spielen viele Politiker da natürlich auch mit. Wer sich einordnet, wird später gut versorgt und bekommt keinen Ärger, sondern, siehe Barroso, einen schönen Preis und gesellschaftliche Anerkennung in Elitenkreisen.

Die Angliederung der Ukraine an den Westen wird die Bevölkerung mit Kürzungsmaßnahmen und Liberalisierungswellen zu bezahlen haben. Wie kann es sein, daß ein relevanter Teil davon teilweise mit Waffengewalt für seine Verarmung kämpft?

Diejenigen im Westen, welche die west­ukrainischen Nationalisten unterstützen, machen sich die bestehenden innerukrainischen Antipathien und Feindschaften zunutze. Der Rechte Sektor kämpft aus seiner Sicht wohl kaum für Sozialabbau im eigenen Land – auch wenn das eine logische Folge der nun anstehenden IWF-Programme ist –, sondern gegen die historischen Feinde im Osten. Die Leute sind gegeneinander aufgehetzt worden.

Welche Rolle spielte das von dem damaligen Präsidenten Wiktor Janukowitsch abgelehnte Assoziierungsabkommen der Ukraine mit der EU? Welche Ziele verfolgte die Europäische Union damit?

Das Assoziierungsabkommen war ja der Auslöser der Krise. Die Ukraine wurde genötigt, sich für eine Seite zu entscheiden: entweder für Rußland oder für die EU. Das kann man als Fehler bezeichnen. Aber offenbar war diese Konfrontation so auch Absicht. Die Kernfrage ist, in wessen Interesse die verantwortlichen Eliten der EU hier handeln. Denn daß die Ukraine für die EU als Ganzes vor allem eine Belastung darstellt, ist ja fast schon Konsens.

Kommen an dieser Stelle US-amerikanische Interessen ins Spiel?

Victoria Nuland, die im US-Außenministerium unter anderem für die Ukraine zuständig ist, hat auf einer Rede Ende letzten Jahres ganz offen gesagt, daß die Angliederung der Ukraine, aber auch von Georgien, Moldawien und anderen Ländern Teil einer langfristigen Strategie eines vernetzten Wirtschaftsraumes ist, wozu letztlich auch die Transatlantische Freihandelszone TTIP gehöre. Nuland zufolge haben die USA für die Anbindung der Ukraine in den letzten zwanzig Jahren mehr als fünf Milliarden Dollar ausgegeben, auch nach Georgien floß ein Milliardenbetrag. Klar ist, daß es hier nicht nur um günstige Freihandelskonditionen geht, sondern auch um die Ausweitung der machtpolitischen Einflußsphäre.

Dann ist der Bürgerkrieg in der Ukraine eine Art militärische Ergänzung zu den TTIP-Verhandlungen mit der EU?

Richtig ist, daß vom militärischen Erfolg Kiews in der Ostukraine mittlerweile sehr viel abhängt. Es war ja der IWF selbst, der im Frühjahr, noch vor Petro Poroschenkos Wahl, darauf hingewiesen hat, daß eine finanzielle Unterstützung der Ukraine ohne eine Kontrolle Kiews über die östlichen Landesteile wesentlich teurer werde. Nur einen Tag nach dieser Meldung startete Kiew am 2. Mai eine Offensive gegen die Stadt Slowjansk.

Warum überhaupt ziehen die EU und die NATO in Sachen Ukraine am selben Strang, obwohl sie unterschiedliche Interessen verfolgen?

Weil die EU-Eliten offenbar weniger die Interessen Europas als die eines transatlantischen Machtzirkels vertreten. In den Medien wird dieser Zirkel meist euphemistisch »die internationale Gemeinschaft« genannt, man könnte ihn aber auch weniger freundlich als »das Imperium« bezeichnen. Im Kern geht es darum, ob Deutschland, also die deutsche Regierung, aber auch die deutsche Bevölkerung, noch länger bereit ist, den unipolaren, also exklusiven Machtanspruch dieses Imperiums mitzutragen. Was eigentlich spricht gegen eine multipolare Welt mit konkurrierenden Zentren, die sich ja gegenseitig auch bereichern und anspornen können? Die Frage ist dabei eher hypothetisch, denn de facto entwickelt sich diese multipolare Welt ja gerade, ob das Washington nun gefällt oder nicht. Die jüngsten Meldungen, nach denen sich nun auch Indien der chinesisch-russischen »Shanghai Cooperation Organization« anschließt, sind ein Indiz. Bisher konnten die USA vom traditionellen Mißtrauen und der Konkurrenz zwischen Indien und China profitieren. Doch im Lichte der sich immer weiter ausbreitenden zerstörerischen Konflikte in Syrien, dem Irak und jetzt in der Ukraine erkennen einige Großmächte wohl, daß die Welt nötiger denn je eine entschlossenere Gegenkraft zu den USA braucht.

Eine wichtiges Ereignis für den »Regime change« in der Ukraine war die Erschießung von Demonstranten durch Scharfschützen Mitte Februar. Wie schätzen Sie dieses Verbrechen ein?

Es ist offenkundig bislang unaufgeklärt. Und darin liegt auch der Skandal. Ein Ereignis, das zur Rechtfertigung eines gewaltsamen Regierungswechsels herangezogen wird, einfach unaufgeklärt zu lassen, das geht nicht. So entsteht keine Legitimität, keine Glaubwürdigkeit für die neue ukrainische Regierung. Hierin liegt auch ein Medienversagen. Die ARD-Sendung »Monitor« hat zwar zum Beispiel im April sehr kritisch und gründlich die offenen Fragen benannt, doch dann versickerten diese Erkenntnisse wieder. In einer wenige Wochen später ausgestrahlten ARD-Doku war von den begründeten Zweifeln an der Täterschaft Janukowitschs keine Rede mehr. Dabei ist es ja nicht wegzudiskutieren: Es wurde am 20. Februar von unbekannten Scharfschützen auf beide Seiten geschossen, also sowohl auf Demonstranten als auch auf Janukowitschs Sicherheitskräfte. Und das sind jetzt, wie gesagt, Recherchen eines ARD-Teams. Es ist eine perfide Strategie, zwei sich verfeindet gegenüberstehende Lager zugleich zu beschießen. Denn so muß ja jede Seite annehmen, die jeweils andere habe sie beschossen. Man heizt die Leute auf, man erzeugt Chaos und Gewalt. Nur, wer hatte daran eigentlich ein Interesse Ende Februar, zu einem Zeitpunkt, als Janukowitsch gegenüber Frank-Walter Steinmeier und den anderen Unterhändlern der EU längst entscheidende Zugeständnisse gemacht hatte? Wem war an einem Frieden zwischen Janukowitsch und der EU nicht gelegen?

Bei der Festnahme von »OSZE-Beobachtern« durch Aufständische in der Ostukraine im Frühjahr stellte sich heraus, daß hier westliche Militärberater festgesetzt wurden. Spielt dieser Tatbestand in den deutschen Medien eine Rolle?

In unserem Buch greifen wir diesen Fall auf, als ein Beispiel für die Manipulation der Öffentlichkeit durch »Wording«, wie es in der Marketingsprache heißt – also durch Begriffe, die bestimmte Denkmuster transportieren. Wenn jemand »OSZE-Beobachter« entführt, stellt er sich damit natürlich gegen eine international respektierte Organisation. Allerdings waren die festgesetzten Militärs, unter anderem ein Offizier der Bundeswehr, eben gerade keine »OSZE-Beobachter« – auch wenn Außenminister Steinmeier nicht müde wurde, das zu behaupten. Verwiesen wurde von seiten der deutschen Regierung auf das sogenannte Wiener Dokument, einen OSZE-Vertrag, der die Aktivitäten von Militärbeobachtern auf dem Territorium der Unterzeichnerstaaten regelt. Doch hatte in diesem Fall eben nicht Berlin um eine Inspektion ukrainischer Militärstandorte gebeten – wofür das Wiener Dokument tatsächlich eine Grundlage bieten würde –, sondern Kiew hatte ausländische Militärs darum gebeten, in seinem Sinne die Lage in der Ostukraine aufzuklären, also in einem Landesteil, der mit Kiew in einer kriegerischen Auseinandersetzung stand. Für solche Fälle gibt es selbstverständlich keine OSZE-Verträge. Das ist einfach Spionage oder Militärberatung, wie immer man es nennen will. Die großen Medien hinterfragten diese Zusammenhänge aber kaum. Man referierte die Regierungssicht und gab sich damit zufrieden.

Wie beurteilen Sie die Reaktionen der Medien auf den MH-17-Absturz? Welches Kalkül steckt hinter der Anti-Putin-Propaganda?

Beim MH-17-Absturz hat sich das Maidan-Scharfschützen-Szenario nun in gewisser Weise wiederholt. Wiederum werden Zivilisten ermordet, und wieder gibt es einfach keine seriöse Aufklärung. Die Medien hasten von Aufreger zu Aufreger, sind immer schnell zur Hand mit Schuldzuweisungen, scheitern dann aber komplett bei tiefer gehenden Recherchen und Ermittlungen. Die These, daß dahinter Kalkül steckt, wird mit jedem dieser Fälle schlüssiger. Es kann ja kaum Zufall sein, daß sich plötzlich keiner mehr für die reale Schuld an solchen Terroranschlägen interessiert. Dazu kommt, was ich bereits eingangs sagte: Viele Journalisten haben sich implizit festgelegt, eine Konfliktpartei zu unterstützen oder zumindest wohlwollend zu kommentieren, die andere aber als Gegner zu betrachten. Aus dieser Sichtweise kommen viele nun einfach nicht mehr heraus. Die Folge ist, wie Gabor Steingart kürzlich im Handelsblatt schrieb, daß »das Meinungsspektrum auf Schießschartengröße verengt« wurde.

Altkanzler Gerhard Schröder und Exbundesaußenminister Joseph Fischer befanden sich politisch-militärisch lange Zeit auf gleicher Linie. Können Sie die unterschiedlichen Reaktionen der beiden im Ukraine-Konflikt erklären?

Eine augenfällige Erklärung liegt sicherlich in der Quelle der jeweiligen Gehaltsschecks: Schröder an der Seite von Gasprom und Fischer als US-Lobbyist, protegiert von Ex-US-Außenministerin Madeleine Albright. Ich glaube auch nicht, daß sie vorher wirklich auf einer Linie waren. Sie brauchten einander und waren ansonsten Konkurrenten.

Können Sie zum Schluß eine Einschätzung abgeben, wie es mit der Ukraine weitergehen wird?

Deutschland kommt auf jeden Fall eine Schlüsselrolle zu. Neben Großbritannien sind wir der wichtigste Verbündete der USA in Europa. Welche Position Deutschland im Konflikt einnimmt, das hat Vorbildwirkung für andere. Inwieweit die gegenwärtige Regierung zu mehr Souveränität willens und in der Lage ist, steht aber in den Sternen. Steinmeier machte zuletzt einen eher müden Eindruck, und auch Merkel wirkt passiv. Einzig von der Leyen prescht nach vorn, dabei aber weitgehend auf Linie mit den Transatlantikern, die weiter die Verschärfung diverser Konflikte betreiben. Doch es gibt einen aktiven Gegenpol zur politischen Ebene, und das sind eben die Bürger, die Mediennutzer selbst, die sich jetzt über Leserkommentare vernehmlich äußern. Die werden nicht so schnell verstummen, und ihr Druck und ihre Vernetzung werden eher noch wachsen. Das wird zwar keine unmittelbaren und direkten politischen Folgen haben, aber zu einem Bewußtseinswandel trägt es doch bei. Widerspruch ist möglich – und er irritiert die Gegenseite.

Sie blicken also trotz der gegenwärtig prekären geopolitischen Lage auch positiv in die Zukunft?

Aus Prinzip. Die Situation ist doch so, daß wir gegenwärtig mit einer Fülle von negativen Meldungen bombardiert werden. Die Abendnachrichten scheinen nur noch aus Meldungen von der Ukraine, dem Irak, Syrien, Gaza, NSA, NSU und Naturkatastrophen zu bestehen. Das führt gesellschaftlich gesehen zu einer Lähmung. Diese extreme Fixierung auf das Negative und anscheinend Ausweglose ist ein Nährboden für Fatalismus. Wir leben in einer Umbruchzeit, in der das Negative irgendwann sein Maximum erreicht, während im Hintergrund schon die progressiven Strömungen wachsen. Derzeit sind sie noch kaum öffentlich und medial sichtbar, aber es gibt sie. Ein Indikator für das Ende der Lethargie sind, wie erwähnt, die massenhaft kritischen und verärgerten Leserkommentare seit Beginn der Ukraine-Krise im Frühjahr. Im letzten Jahr hat sich über die Berichterstattung zu den Snowden-Leaks langsam und stetig ein öffentlicher Unmut gebildet, der zwar immer noch nur eine Minderheit der Bevölkerung erfaßt hat – doch einmal gewecktes kritisches Potential verschwindet eben auch nicht wieder einfach so. Ich habe den Eindruck, daß wir derzeit eine Trendwende erleben, in der die Meinungsschlacht um die Ukraine vielleicht im Rückblick einmal als der entscheidende Punkt betrachtet werden wird.

Interview: Reinhard Jellen

Mathias Bröckers, Paul Schreyer: Wir sind die Guten. Ansichten eines Putinverstehers oder wie uns die Medien manipulieren. Westend-Verlag, 208 Seiten, 16,99 Euro; ISBN: 978-3-86489-080-2

* Aus: junge Welt, Samstag 6. September 2014

Noch ein Buch zum Thema:

"Ein Spiel mit dem Feuer"
Im Papyrossa-Verlag ist Ende August 2014 ein Ukraine-Buch erschienen
Mit Beiträgen von Erhard Crome, Daniela Dahn, Kai Ehlers, Willi Gerns, Ulli Gellermann: Ukraine, ARD & ZDF, Lühr Henken, Arno Klönne, Jörg Kronauer, Reinhard Lauterbach, Norman Paech, Ulrich Schneider,Eckart Spoo: Medienkrieg gegen Russland, Peter Strutynski, Jürgen Wagner, Susann Witt-Stahl
Informationen zum Buch (Inhalt und Einführung)




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