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Verschleppt durch die CIA: von Afrika über Asien nach Europa?

amnesty international legt Bericht mit erdrückenden Beweisen vor


In stiller Trauer und unvergessen

Genosse CIA nutzt Tarnfirmen für Häftlingstransport
Amnesty verweist auf mehr als 1000 Fälle*


Amnesty International hat der CIA vorgeworfen, mit geheimen Gefangenenflügen in mehr als 1000 Fällen gegen internationale Gesetze, Luftfahrtbestimmungen und die Menschenrechte verstoßen zu haben.

In einem am Mittwoch (5. April 2006) in London vorgelegten Bericht spricht Amnesty von einer verdeckten Operation der CIA, »bei der Menschen gefasst und entführt wurden, an einen anderen Ort überführt wurden, in heimlicher Haft gehalten oder an Länder überstellt wurden, wo ihnen Folter droht«. Um die Gefangenentransporte über europäische Flughäfen geheimzuhalten, seien Tarnfirmen eingesetzt worden.

Als Beispiel führt ai den Fall des italienischen Staatsbürgers Abu Omar an. Der Imam einer Mailänder Moschee sei 2003 in Italien von der CIA entführt und mit dem Flugzeug der Privatfirma Richmor Aviation über die US-Basis Ramstein in Deutschland nach Kairo ausgeflogen worden. Das Luftfahrtunternehmen habe zugegeben, eine Maschine an die CIA verliehen zu haben. Amnesty rief private Luftfahrtunternehmen auf, ihre Maschinen nicht für geheime Überstellungen der CIA zu Verfügung zu stellen, weil sie sich damit zu Komplizen unrechtmäßiger Praktiken machten. Durch den Einsatz privater Unternehmen als Tarnfirmen habe die CIA ihre Gefangenentransporte verschleiern wollen, schreibt Amnesty. Dabei seien international gültige Luftfahrtbestimmungen umgangen worden, denen zufolge die CIA ihre Flüge bei den Behörden hätte anmelden müssen.

Amnesty hat nach eigenen Angaben Belege für »fast tausend Flüge«, die »über Tarnfirmen dauerhaft von der CIA ausgeführt wurden« – die meisten von ihnen im europäischen Luftraum. Weitere Dokumente zeigten, dass 600 weitere Flüge von Maschinen ausgeführt wurden, die zumnindest vorübergehend von der CIA genutzt wurden. Nach Angaben von Amnesty wurden die Festgehaltenen unter anderem in US-Einrichtungen in Afghanistan, Irak oder auf dem Stützpunkt Guantanamo gebracht. Die Gruppe beruft sich dabei auf Aussagen von Menschen, die selbst von der CIA verschleppt worden seien. Amnesty-Generalsekretärin Irene Khan forderte die Regierung der mit den USA befreundeten Länder auf, die geheimen Überstellungen zu beenden.

* Aus: Neues Deutschland, 6. April 2006


amnesty international Deutschland
PRESSEMITTEILUNGEN
USA und Europa / "Krieg gegen den Terror"

Verschleppt durch die CIA: von Afrika über Asien nach Europa?

Berlin, 5. April 2006 - Der Jemenit Muhammad Al-Assad hat fast 18 Monate in US-Haft verbracht - meist an unbekannten Orten, vermutlich auch in einem Geheimgefängnis in Osteuropa. Darauf lassen die Aussagen Al-Assads schließen, die amnesty international (ai) heute erstmals veröffentlicht und die sich mit den Angaben anderer ehemaliger US-Gefangener wie z.B. auch denen des Deutschen Khaled El-Masri decken. Der Bericht "Below the radar: Secret flights to torture and 'disappearance'" durchleuchtet die Praxis der CIA-Geheimflüge. Darin wird auch nachgezeichnet, wie die CIA hat die Verschleppung von "Terrorverdächtigen" teilweise über Strohfirmen und private Unternehmen abgewickelt.

Aus den Aussagen mehrerer ehemaliger US-Gefangener über Flugzeiten, klimatische Bedingungen und anderer Haftumstände hat ai rekonstruiert, in welchen Ländern, die USA die Gefangenen vermutlich festhielten. Es drängt sich der Verdacht auf, dass es Geheimgefängnisse u.a. in der Türkei, Rumänien, Bulgarien oder Albanien gibt oder gegeben hat. Dies deckt sich mit den Untersuchungen von Dick Marty, Sonderermittler des Europarats zur Untersuchung mutmaßlicher CIA-Geheimgefängnisse in Europa.

Laut ai-Bericht hat die CIA hat ein ausgeklügeltes System entwickelt, um Menschen an unbekannte Orte zu verschleppen. Einige Flüge führte die CIA beispielsweise mittels der Firma Premier Executive Transport durch - einer Firma, die nur auf dem Papier existiert. "Dieses Vorgehen hat einen einfachen Grund: Den USA ist klar, dass die Entführungen illegal sind", sagte Ferdinand Muggenthaler, US-Experte der deutschen ai-Sektion. "Verschleppung und geheime Haft leisten Folter und Misshandlung Vorschub. Die USA müssen endlich Identität, Aufenthaltsort und Haftumstände aller ihrer Gefangenen weltweit offen legen!"

Der ai-Bericht betont ausdrücklich auch die Verantwortung der Staaten und Unternehmen, die Geheimflüge der CIA möglicherweise toleriert haben. "Die Regierungen müssen sicherstellen, dass die CIA keine Verschleppungen über ihr Hoheitsgebiet durchführt. Die Fluggesellschaften dürfen ihre Maschinen nicht für Geheimflüge zur Verfügung stellen", sagte Muggenthaler. "Wer Verschleppungen duldet, billigt oder gar unterstützt, macht sich zum Komplizen schwerer Menschenrechtsverletzungen!"

Den 40-seitigen Bericht "Below the radar: Secret flights to torture and 'disappearance'" finden Sie im Internet unter:
http://web.amnesty.org



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