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"Es begann mit Lug und Trug und endet mit Folter und Mord"

Zwei Erklärungen zum Besatzungsregime in Irak

Im Folgenden dokumentieren wir eine in der Medienberichterstattung leider fast völlig untergegangene Erklärung zu den bekannt gewordenen Folterpraktiken im Irak sowie eine Pressemitteilung der "Kooperation für den Frieden" zum selben Thema.


Gemeinsame Presseerklärung von

Humanistische Union (HU) • Gustav-Heinemann-Initiative (GHI) • Internationale Liga für Menschenrechte • Komitee für Grundrechte und Demokratie • Republikanischer Anwältinnen und Anwälteverein (RAV) • Aktion Courage • Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen

Bürgerrechtsvereinigungen fordern vollständige Aufklärung und Ahndung aller Folterungen im Irak sowie umgehende Beendigung des Besatzungsregimes


Mit den systematischen Folterungen von irakischen Bürgerinnen und Bürgern haben die USA und Großbritannien nach Auffassung eines Bündnisses bundesrepublikanischer Bürger- und Menschenrechtsorganisationen schwerstwiegende Verbrechen begangen. Das Bündnis fordert neben einer unabhängigen Aufklärung und Ahndung der Taten die schnellstmögliche Entlassung aller Folteropfer aus der Haft, ihre Entschädigung sowie Rehabilitationshilfen. Diese Forderung wird auch für die rechtlos gestellten Opfer in Guantanamo und die Folteropfer in Afghanistan erhoben.
Durch die von den USA und Großbritannien zu verantwortenden Taten wurden nach Auffassung des Bündnisses zudem den grundlegenden Werten von Menschenwürde, Menschenrechten und Demokratie sowie Rechtsstaatlichkeit schwerster Schaden zugefügt.
Die bundesdeutschen Vereinigungen fordern deshalb eine umfassende Aufklärung und Ahndung aller Folterungen und erhobenen Foltervorwürfe. Eine unabhängige internationale Kommission muss dafür Sorge tragen, dass die an der Besetzung des Landes beteiligten Staaten einer strengen Kontrolle ihres Besatzungsregimes unterzogen werden. Letztlich aber kann nur eine möglichst umgehende Beendigung der Besetzung des Irak die zentralen Ursachen dieser furchtbaren Entwicklungen und der weiteren Eskalation der Gewalt den Nährboden entziehen. Jetzt sind die Vereinten Nationen gefordert.

Um Frieden und stabile Verhältnisse wiederherzustellen könne aus Sicht der Humanistischen Union nur der Weg des Rechts beschritten werden. Dazu erklärt der Bundesvorsitzende Reinhard Mokros: „Eine demokratische Rechtskultur bedeutet die Herrschaft des Rechts. Die gesamte Weltgemeinschaft muss nun gemeinsam dafür sorgen, dass die Verantwortlichen der Folterungen zur Verantwortung gezogen, die Menschenrechte im Irak wiederhergestellt werden und das Land einer freien und rechtsstaatlichen Zukunft entgegen sehen kann. Die USA müssen sich endlich der Gerichtsbarkeit des internationalen Strafgerichtshofes unterwerfen.“

Gerd Pflaumer von Aktion Courage betont: „Patriot Act, Guantanamo, ein völkerrechtswidriger Krieg im Irak mit Tausenden Opfern in der Zivilbevölkerung und Folter von irakischen Menschen – was mutet das Land der bill of rights der Welt noch alles zu ? Offenbar zeigt sich jetzt, warum sich die US-Regierung notorisch gegen einen internatonalen Strafgerichtshof wehrt. Ihre Soldaten sollen weltweit freie Hand haben.“

Die Internationale Liga für Menschenrechte erinnert daran, dass die schrecklichen Ereignisse der vergangenen Monate zwangsläufige Folgen des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges gegen den Irak sind. Liga-Präsident Rolf Gössner: „Es begann mit Lug und Trug und endet mit Folter und Mord. Krieg ist Terror und führt zu menschlicher Verrohung, die auch die Nachkriegszeiten prägt. Die Misshandlungsopfer sind keine ‚Kollateralschäden’ eines ‚gerechten Antiterrorkrieges gegen das Böse’, sondern Opfer systematisch begangener Kriegsverbrechen, die vor einem unabhängigen Internationalen Tribunal geahndet werden müssen.“ Die Folterknechte seien ausgerechnet jene, die den Irak von einem Folterregime befreiten und der irakischen Bevölkerung Demokratie und Menschenrechte beizubringen suchten.

Martin Singe vom Komitee für Grundrechte und Demokratie erklärt: „Die US- Regierung und die im so genannten ‚Krieg gegen den Terror’ miteinander verbündeten Staaten tragen die volle politische Verantwortung für die systematischen Folterungen im Irak und in Afghanistan. Die UNO sollte in einer eigenen Resolution die für diese Folterungen verantwortlichen Staaten verurteilen und an die UN-Antifolterkonvention erinnern. Auch die Bundesregierung, die in Afghanistan am ‚Krieg gegen den Terror‘ beteiligt ist, sollte Konsequenzen ziehen und nicht länger in einer Kriegskoalition mitarbeiten, die wissentlich und absichtsvoll eindeutige völkerrechtliche Bestimmungen - wie die Genfer Konventionen - ignoriert.“

Für den Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) erklärt dessen Vorsitzender Wolfgang Kaleck: „Im Namen der Terrorismusbekämpfung werden seit dem 11.9.2001 Sondermassnahmen angewandt, die nicht nur nationales und internationales Recht verletzen. Wer die Geltung des Rechts für ‚Feinde’ suspendiert und einen permanenten Ausnahmezustand erklärt, stellt die Gültigkeit des Rechts als Grundlage des Zusammenlebens insgesamt in Frage.“

Prof. Dr. Martin Kutscha, der Vorsitzende der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ), erklärte: „Es ist bedrückend, wie gerade ein Staat mit einer so ruhmreichen Tradition in der Geschichte der Menschenrechte wie die USA offenbar dazu übergeht, menschenrechtlichen Schutz nur noch den ‚Guten’ zuzubilligen, sie dagegen den als ‚böse’ Deklarierten vorzuenthalten und diese damit für vogelfrei zu erklären. Die zivilisatorische Errungenschaft der Menschenrechte besteht aber gerade in deren Universalität, also deren Geltung auch für den politischen oder militärischen Gegner. Diese Errungenschaft muss gegen jegliche Arroganz der Macht verteidigt werden.“

Quelle: www.humanistische-union.de


Pressemitteilung 27.05.2004Ein Programm gegen Folter ist ein Programm gegen Krieg Angesichts der endlich an die Öffentlichkeit gelangten Bilder von gefolterten und ermordeten Gefangenen in US-Gewahrsam fordert die „Kooperation für den Frieden“, ein Zusammenschluss von über 40 Organisationen der deutschen Friedensbewegung, ernsthafte und durchgreifende Konsequenzen.

Dazu muss die Amtsentlassung aller für diese gravierenden Verletzungen der Genfer Konvention und des international verbrieften Folterverbots verantwortlichen Militärs und Politiker gehören, bis hin zu Minister Rumsfeld. Die strafrechtliche Verfolgung muss nicht nur untere Befehlsempfänger, sondern insbesondere auch kommandierende Schreibtischtäter vor die nationalen und, falls erforderlich, auch vor internationale Gerichtshöfe zitieren. Zudem werden die Auflösung des illegalen Gefangenenlagers Guantanamo verlangt, verbunden mit der Freilassung der Kriegsgefangenen bzw. rechtsstaatlichen Verhandlungen vor ordentlichen Gerichten für Häftlinge, denen kriminelle Delikte vorgeworfen werden.Das gilt ebenso für Gefangene in irakischen und afghanischen Lagern.

Der Folterskandal bestätigt die Erkenntnis: „Krieg ist Terror“. Die Kooperation für den Frieden sieht die Quelle der Folterverbrechen im völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, dessen Ziele, die Erlangung wirtschaftlicher und militärstrategischer Vorteile, ohne Unterdrückung der irakischen Bevölkerung, ihre permanente Demütigung und physische Bedrohung nicht zu erreichen sind. Dazu dient die systematisch und massenhaft ausgeübte Folterpraxis. Kriegsverbrechen und Folter sind nur durch die Beendigung von Krieg und Okkupation wirkungsvoll zu stoppen. Wenn dem Irak eine demokratische Entwicklung ohne weitere grausame Unterdrückung ermöglicht werden soll, und wenn die USA auf den Weg eines an Rechtsstaatlichkeit orientierten Gemeinwesens zurückkehren wollen, dann müssen die Besatzungstruppen dem spanischen Beispiel folgen, also rasch und vollständig abgezogen werden.

Auch in Deutschland wird inzwischen bereits diskutiert, inwiefern Folter ein nützliches Instrument gegen „Terroristen“ sein könnte. Ministerpräsident Koch sieht sich laut „Bild“ nach wie vor in der Wertegemeinschaft mit seinen Freunden in der US-Regierung. Die Kooperation für den Frieden protestiert energisch gegen solche Kumpanei. Sie fordert die Bundesregierung auf, die Militärallianz mit einer Macht kritisch zu überdenken, die laut Meinungsumfrage von einer Mehrheit der EU-Bevölkerung als eine wesentliche Bedrohung des Weltfriedens gesehen wird. Es stellt sich zudem die Frage, wie deutsche KRK-Truppen in Afghanistan mit Gefangenen verfahren sind, die im Zusammenhang mit der „Enduring Freedom“-Operation gemacht wurden.

An vielen Orten in Deutschland haben in den letzten Tagen Protest- Aktionen der Friedensbewegung vor US-Einrichtungen stattgefunden. In Heidelberg und Wiesbaden sind Truppenteile stationiert, die unmittelbar an den schwerwiegenden Verletzungen der Genfer Konvention beteiligt waren, und die inzwischen aus dem Irak zurückgekehrt sind.
Die Kooperation für den Frieden ruft dazu auf, dezentrale Mahnwachen fortzusetzen, und diese zwischen dem 26.6. und 2.7. in den Rahmen internationaler Aktionen zu stellen, die die europäische Friedensbewegung anlässlich des NATO-Gipfels in Istanbul plant.

Für die „Kooperation für den Frieden“:
Matthias Jochheim, Kathrin Vogler

Sie auch:
Kritik an Bushs Irakplan: "Dem Irak hilft nur eine Exit-Strategie"
Friedensbewegung legt alternativen 5-Punkte-Plan vor - Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag (26. Mai 2004)


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