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Kolumbus' Schatten

Menschenrechtsorganisation Survival International stellt in London fünf internationale Konzerne wegen schwerster Rechtsverletzungen an den Pranger

Die Menschenrechtorganisation Survival International (SI) hat fünf internationale Unternehmen für Projekte an den Pranger gestellt, die indigene Gemeinschaften in ihrer Existenz bedrohen. In Anspielung auf die »Hall of Fame« für Show- und Musikgrößen wurden zwei Energiekonzerne, ein Holz-, ein Tourismus- und ein Agrarunternehmen symbolisch in die »Hall of Shame« (Halle der Schande) verbannt.

SI listete am Dienstag (12. Okt.) in London die Verfehlungen der Konzerne auf. So beteilige sich der zum Teil staatliche französische Energieriese GDF Suez am Bau des Jirau-Staudammes in Brasilien, der nach seiner Fertigstellung der größte im Land sein wird. GDF Suez habe die Einwände von Survival und anderen Organisationenignoriert, daß in der Nähe des Vorhabens Ureinwohner leben, zu denen keinerlei Kontakte bestanden. Baubeginn des Großprojektes sei bereits im Jahr 2008 gewesen. Nach SI-Angaben war die dortige Bevölkerung so gut wie nicht in die Planung für die Dämme einbezogen worden, der Baubetrieb hat demnach bereits solche betroffenen Indigene von ihrem angestammten Land vertrieben.

Dem britisch-französischen Erdölunternehmen Perenco und dem spanisch-argentinischen Ölmulti Repsol-YPF wirft die Menschenrechtsorganisation vor, ein Gebiet unkontaktierter Indigener im Norden Perus erkundet zu haben. Es bestehe die Gefahr, daß die Völker durch den Kontakt mit den Arbeitern z.B. mit Krankheiten angesteckt oder gar dezimiert werden. Außerdem zähle das Gebiet zu den Regionen mit der weltweit größten biologischen Vielfalt.

Schwere Vorwürfe erhebt SI auch gegen das malaysische Holzunternehmen Samling. Die Firma entziehe mit der Zerstörung der Wälder in Sarawak im malaysischen Teil Borneos dem Volk der Penan die Lebensgrundlage. Der Wald sei für den Stamm Nahrungsquelle und Heimat zugleich, dessen Zerstörung habe die Menschen in die Armut getrieben. Zudem seien viele Penan-Angehörige verhaftet und ins Gefängnis geworfen worden, weil sie Blockaden gegen Samling errichtet hatten.

Auch das Reiseunternehmen Wilderness Safaris findet sich in der Hall of Shame. Das Unternehmen hat nach Angaben von SI kürzlich ein Luxus-Safaricamp auf dem Land der Buschleute in der Central Kalahari Game Reserve in Botswana - inklusive Bar und Swimmingpool - eröffnet. Botswanas Regierung verwehre auf der anderen Seite den Buschleuten den Zugang zu Wasser und Nahrungsmitteln. Die African Commission on Human and Peoples Rights, wichtigste Menschenrechtsinstitution des Schwarzen Kontinents, protestierte. Den Buschleuten werde das in der Afrikanischen Menschenrechtscharta verankerte »Recht zu leben« vorenthalten, hieß es.

In Visier der Menschenrechtsorganisation ist auch das brasilianische Viehzuchtunternehmen Yaguarete Pora geraten. Dieses wolle eine große Fläche Wald im Chaco-Gebiet Paraguays abholzen, obwohl bekannt sei, daß dort unkontaktierte Mitglieder des Ayoreo-Volkes leben. Zumindest habe sich Paraguays Regierung zu einer Geldstrafe gegen Yaguarete Pora aufraffen können, so SI. Vorwurf: Das Unternehmen habe die Existenz der Indigenen verschwiegen.

Nicht in die »Halle der Schande« aufgenommen wurde das britisch-indische Unternehmen Vedanta Resources. Das galt bis August noch als sicherer Kandidat. Doch Indiens Regierung hat nach SI-Angaben inzwischen den Antrag auf Inbetriebnahme einer umstrittenen Bauxitmine auf indigenem Land im Bundesstaat Orissa abgelehnt.

SI hatte seine »Hall of Shame« nicht ohne Grund am 12. Oktober bekanntgegeben. Dies ist der sogenannte Kolumbus-Tag, der jedes Jahr an die Landung des italienischen Seefahrers im Sold der spanischen Krone in Westindien, dem heutigen Amerika, erinnert. »Die fünf Unternehmen symbolisieren alles, wofür Kolumbus heute steht - das Streben nach Geld und Profit auf Kosten jener Menschen, die einfach nur in Ruhe auf ihrem eigenen Land leben wollen«, sagte Stephen Corry, der Direktor von Survival International. »518 Jahre nach der Ankunft von Kolumbus in Amerika und der Dezimierung der indigenen Bewohner« sei es an der Zeit, die Völker der Welt mit Respekt zu behandeln. (IPS/jW)

* Aus: junge Welt, 14. Oktober 2010


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