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Linke und Grüne warnen vor Krieg gegen Schleuser

Trittin und Ramelow: "Wahnwitziger Plan", "unvereinbar" mit EU-Werten« / SPD-Politiker Oppermann für "robustes Mandat" mit "Fingerspitzen" *

Berlin. Die Pläne der EU, mit Militäroperationen gegen Schleuser auf dem Mittelmeer vorzugehen, werden von Linken und Grünen scharf kritisiert - während in der SPD für ein »robustes Mandat« plädiert wird. Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin nannte dies einen »wahnwitzigen Plan« und warnte die Bundesregierung davor, bei einer Abschottungspolitik mitzumachen, »die nichts mehr mit europäischen Werten zu tun hat«. Die Außenpolitik Deutschlands hat nach den Worten von Trittin »ihren Kompass verloren«.

Wenn es gegen Flüchtlinge gehe, suche Deutschland Unterstützung durch den UN-Sicherheitsrat. Wenn es aber um den Kampf gegen die islamistische Terrororganisation IS geht, scheue Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) die Vereinten Nationen, so Trittin.

Der Grüne warnte auch davor, mit einem UN-Mandat auch in Libyen zu intervenieren, um den Tod tausender Flüchtling auf dem Mittelmeer zu verhindern. »Schiffe versenken statt Menschen retten. Damit wird Libyen weiter zerfallen - auf Kosten der Menschenrechte«, sagte Trittin der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. Offensichtlich habe die Weltgemeinschaft nichts aus dem Desaster der Libyen-Intervention von 2011 gelernt, die ganz Nordafrika destabilisiert habe.

Zuvor hatte auch Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt erklärt, statt »Scheinaktivitäten« und Militäreinsätzen sei es nötig, dass Flüchtlinge einen sicheren Weg nach Europa eröffnet bekommen.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow äußerte sich ähnlich. Der »Rheinischen Post« sagte der Linkenpolitiker, er halte »einen Militäreinsatz gegen Flüchtlingsboote für unvereinbar mit den Wertegrundlagen der Europäischen Union«.

Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, sagte, »wer die Abschottungspolitik der EU sogar mit Kriegsschiffen sicherstellen will, betreibt das Gegenteil einer humanen Flüchtlingspolitik. Es ist ein Armutszeugnis für die Europäische Union, wenn sie auf marode Flüchtlingsboote mit Kanonenbooten reagiert«. So werde »das Leben Tausender von Flüchtlingen aufs Spiel gesetzt«. Die Flüchtlinge bräuchten stattdessen Hilfe.

»Wenn die EU stattdessen die Boote zerstört, mit denen sie nach Europa gelangen wollen, wird ihr Elend in Afrika nur noch weiter andauern. Letztlich werden sie versuchen, auf noch riskanteren Wegen mit noch unsichereren Booten zu fliehen«, so Jelpke. Wenn Flüchtlinge legale Einreisemöglichkeiten nach Europa hätten und dort mit fairen Asylverfahren rechnen könnten, würden »auch die Schleuser überflüssig«.

Zuvor hatte sich SPD-Bundestagsfraktionschef Thomas Oppermann klar für ein robustes Mandat des UN-Sicherheitsrates zur Zerstörung von Booten ausgesprochen, mit denen Schleuser Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Europa bringen. Auch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini drängt vor dem UN-Sicherheitsrat für die umstrittene Aktion.

Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte deutlich gemacht, dass er mit einem Mandat rechne. »Ich unterstütze die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini in ihrem Bemühen um ein robustes Mandat zur Bekämpfung von Schlepperbooten«, sagte Oppermann der »Rheinischen Post«. Ein solches Mandat müsse dann »mit Fingerspitzengefühl eingesetzt« werden.

Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach sagte der Oldenburger »Nordwest-Zeitung«, es sei unstrittig, dass jede Aktion gegen Schleuser nur auf einer sicheren Rechtsgrundlage erfolgen kann. »Und genau daran müssen wir arbeiten«, fügte Bosbach hinzu: »Mit Resolutionen und Appellen lassen sich diese kriminellen Banden jedenfalls nicht bekämpfen.«

Dagegen meinte der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, der SPD-Politiker Christoph Strässer, »das Wichtigste ist zunächst einmal die Seenotrettung«. Mit der Zerstörung von Schiffen seien die Menschen nicht davon abzuhalten, Wege nach Europa zu suchen.

* Aus: neues deutschland (online), Samstag, 16. Mai 2015


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