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Alles sicher in Mazedonien?

Nach dem Willen der Bundesregierung sollen drei Balkanstaaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden

Von Fabian Lambeck *

Der Innenausschuss des Bundestags beschäftigte sich mit einem Gesetzentwurf des Kabinetts, der Asylanträge von Menschen aus Mazedonien, Bosnien-Herzegowina und Serbien fast unmöglich machen soll.

Was sind eigentlich sichere Herkunftsstaaten? Auf der Webseite des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge wird die Frage klar beantwortet: »Dies sind Staaten, bei denen aufgrund der allgemeinen politischen Verhältnisse die gesetzliche Vermutung besteht, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet.« In diese Kategorie fallen derzeit alle EU-Staaten. Nach dem Willen der Bundesregierung sollen nun auch Mazedonien, Bosnien-Herzegowina und Serbien dazu kommen. Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde am 30. April vom Kabinett verabschiedet und befindet sich derzeit im parlamentarischen Verfahren. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) meinte damals, »die Asylbewerberzahlen rechtfertigen diese Lösung«. Allein im ersten Quartal dieses Jahres sei »ein knappes Drittel aller Asylbewerber aus diesen Staaten« gekommen. Die meisten von ihnen Roma. »Bei einer Anerkennungsquote von unter einem Prozent«, so der Minister. Folgt man seiner Argumentation, ergibt sich folgendes Bild: Die Bundesregierung erklärt die drei Staaten zu sicheren Herkunftsländern, weil deren Bürger zu viele Asylanträge stellen. Gilt ein Staat als »sicher«, werden die Anträge in der Regel »als offensichtlich unbegründet« abgelehnt.

Kein Wunder, dass bei der Anhörung des Innenausschusses am Montagnachmittag im Bundestag teilweise kontrovers diskutiert wurde. Der als Experte geladene Anwalt Reinhard Marx, der sich seit mehr als drei Jahrzehnten mit Asylrecht befasst, bezweifelte in seinem Statement, dass die »Listung von drei neuen Staaten« mit Unionsrecht vereinbar sei. Nach EU-Recht komme es darauf an, »ob eine Verfolgungshandlung vorliegt, die nicht vom Staat ausgehen muss«. Anspielend auf die Situation der Roma unterstrich Marx, dass gehäufte »schwerwiegende Diskriminierung ein Merkmal von Verfolgung« sei. Marx kritisierte zudem, dass keine genaue Prüfung der Umstände vor Ort erfolge. Stattdessen lege der Gesetzgeber einfach fest, dass dort alles sicher sei.

Hans-Eckhard Sommer vom bayerischen Innenministerium bestätigte unfreiwillig diesen Vorwurf. Er könne nicht erkennen, dass hier asylrechtlich relevante Gründe vorlägen, so Sommer. Allerdings sei er »nie in den drei Ländern gewesen«.

Dazu passt die Kritik des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR). In seiner Stellungnahme vom Februar 2014, auf die die Linksfraktion in ihrem Antrag verweist, bemängelt er, »dass die Gesetzesbegründung im Grunde nur auf einer Informationsquelle basiere: dem – öffentlich nicht einsehbaren – Lagebericht des Auswärtigen Amtes«.

Der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt, reagierte nicht auf die Vorwürfe, sondern beklagte den »rapiden Anstieg« der Asylanträge aus den drei Balkan-Staaten. Die »Schutzquote«, also die Anerkennung, liege »bei lediglich 0,2 bis 0,3 Prozent«, so Schmidt. Dass die niedrigen Anerkennungsquoten auch Ausdruck des politischen Willens sind, zeigt ein Blick zu unseren Nachbarn: In Belgien und der Schweiz wurden im ersten Halbjahr 2013 zehn Prozent aller Anträge aus der Region bewilligt. Auch der Völkerrechtler Daniel Thym stützte die Haltung der Bundesregierung. Das Asylrecht sei »nicht der Ort, um die sozialen und wirtschaftlichen Probleme der Herkunftsstaaten zu lösen«, so Thym in seinem Statement.

Weniger Kontroversen gab es um den zweiten Teil des Gesetzentwurfs, der die Sperrfrist für Asylbewerber bis sie einen Job aufnehmen dürfen auf drei Monate reduziert. Bislang gilt für sie ein neunmonatiges Arbeitsverbot.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch 25. Juni 2014


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