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Wir zahlen nicht für Eure Kriege - Kein Frieden mit der NATO

Von Irene Eckert

Am 24. März jährte sich zum 10. Mal die Nato-Aggression gegenüber Jugoslawien. 78ig Tage lang währte das Bombardement, das sich gegen serbische Zivilpersonen und Bürger richtete, das zivile Einrichtungen im Werte von Milliarden Dollar vernichtete. 6 000 Luftangriffe wurden über ganz Jugoslawien geflogen, 20 000 Tonnen an Bomben und Raketen, darunter auch radioaktive wurden eingesetzt, Tausende Tote und Verletzte wurden billigend in Kauf genommen, Infrastruktur wurde absichtsvoll und gezielt zerstört. Im Visier der Nato-Bomber waren Schulen, Züge, Krankenhäuser, Märkte, Brücken und Kirchen, die Stromversorgung und das Gebäude des serbischen Rundfunks und Fernsehens.

Gerechtfertigt wurde das kriegerische Eingreifen mit der Lüge „ethnische Säuberungen im Kosovo“ verhindern und von Serben begangenen „Massakern“ Einhalt gebieten zu müssen.

Das Vorgehen meines Landes, das zum dritten Mal in einem Jahrhundert einen unprovozierten Angriffskrieg gegen Belgrad führte, wurde als „humanitäre Mission“ getarnt.

Man könne doch nicht tatenlos zuschauen, während ein neues Auschwitz sich vor unseren Augen vollziehe, dieses Erklärungsmuster vom damaligen Grünen Außenminister Fischer popularisiert, wurde ausgeheckt von der US-amerikanischen Werbefirma Ruder Finn Global Public Affairs. (Siehe Cathrin Schütz, Die NATO-Intervention in Jugoslawien, Wien 2003 S. 77.)

Die NATO, die dieser Tage in Straßburg ihren 60sten Jahrestag begeht, ist ihrem Statut nach ein Verteidigungsbündnis, das sich explizit auf den Friedensauftrag der UN-Charta bezieht. Die „humanitäre Intervention zum Schutz von Menschenrechten“ im ehemaligen Jugoslawien diente der NATO zur Verabschiedung einer neuen Eingreifstrategie „out of area“, also außerhalb ihres Vertragsgebietes und ohne Segen der UNO. Das völkerrechtswidrige kriegerische Vorgehen auf dem Balkan im Frühjahr 1999 war der Türöffner für die kommenden Kriege 2001 gegen Afghanistan, 2003 gegen den Irak sowie der Stellvertreterkriege gegen Libanon 2006, Südossetien 2008, GAZA 2008/09 und dem nach wie vor drohenden Krieg gegen den Iran. Die bislang noch vertragsrechtlich nicht abgesicherte Aufrüstungspolitik der EU vollzieht sich an der Seite der NATO. In Straßburg ist in diesem April eine weitergehende Verschlimmerung der NATO-Strategie geplant, der gemäß etwa zur weltweiten Abrüstung (nicht mit der NATO verbündeter Länder) präventiv auch Atomwaffen eingesetzt werden dürfen. Die horrenden Ausgaben für die dafür notwendigen Militärausgaben belasten die nationalen Haushalte enorm. Das Geld fehlt für soziale Ausgaben.

Weil sie diese Entwicklung als in jeder Hinsicht bedrohlich empfinden, planen junge und alte Menschen aus aller Welt nächste Woche in Straßburg, Kehl und Baden-Baden gegen dieses Vorhaben unter dem Motto „Kein Frieden mit der NATO“ zu demonstrieren.

Das Gedenken an die NATO-Aggression gegen ein kleines Land auf dem Balkan, das Gedenken an den bis dato massivsten Angriff auf die Pressefreiheit, nämlich die Zerstörung des serbischen Fernseh- und Rundfunkturmes sowie die Haftbarmachung ihres Direktors für die damit verbundenen Menschenopfer, der bewusste Angriff auf die chinesische Botschaft, eines kriegstreiberischen, provokativen Akts gehört zum Kernbestand einer notwendigen Erinnerung an den verbrecherischen Charakter, den das NATO-Bündnis spätestens bis zum Frühjahr 1999 angenommen hat.

Deshalb trafen sich in Belgrad am Vorabend des Kriegsbeginns vor 10 Jahren Friedensaktivisten aus aller Welt um mittels einer zweitägigen Konferenz mit prominenter Beteiligung (Belgrad Forum 23./24. März im SAVA Centre) die Erinnerung an die Fakten wach zuhalten und Solidarität mit den gedemütigten serbischen Menschen zu bekunden.

Im Herzen der Metropole Belgrad wurde zur Feierabendstunde eine beeindruckende Kundgebung abgehalten, organisiert von einer kleinen, parteiungebundenen Volksbewegung, unterstützt durch engagierte Menschen aus aller Welt. Eine Video-Show, unterlegt mit markerschütterndem Sound rief die Erinnerung an die Bombenangriffe vor genau 10 Jahren wach. Computersimulationsspielen nachempfunden, wurden die Zielvorgaben der Bomber gezeigt, Pop-Rock erinnerte an die Konzerte, die damals große Menschenansammlungen auf Brücken mobilisierte, um deren Zerstörung zu verhindern, vergeblich. Gezeigt wurden Bilder der Opfer der Aggression. Das Spektakel zog trotz der eisigen nassen Kälte für eine Weile Tausende an. Danach bekundeten Persönlichkeiten aus Serbien und der übrigen Welt ihre fortdauernde Unterstützung für die gerechte Sache des kleinen serbischen Volkes. Es sprach zu Beginn ein orthodoxer Würdenträger, der russische General Ivanov überbrachte Grüße ebenso wie der ehemalige US-Verteidigungsminister Ramsey Clark. Delegationen waren von weither angereist, so etwa aus Lateinamerika, Indien, den USA, aus Österreich und der Schweiz oder aus Großbritannien und Irland. Die Solidaritätsbewegung aus Griechenland war besonders stark vertreten, aber auch aus Deutschland waren viele Menschen gekommen, manche hatten die beschwerliche Anreise mit dem Bus quer durch den Balkan nicht gescheut. Für sie fand der Vorsitzende des Internationalen Komitees zur Verteidigung von Milosevic Klaus Hartmann pointierte Worte. Auch an Poesie und Gesang fehlte es nicht auf der Bühne.

Am 25. März fand sich eine beachtliche Delegation bereit, zur Geburts- Beerdigungsstätte des ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Milosevic zu reisen und dem bescheidenen Grab in Pozarevac vor allem dem Staatsmann - stellvertretend für sein Volk - die Ehre zu erweisen, einem Staatsmann, der vom Westen zur Unperson erklärt, dämonisiert (der "Hitler vom Balkan"!) und kriminalisiert wurde. Eine internationale repräsentative Vertretung wurde zum ersten Mal vom Direktor des nahe gelegenen Gefängnisses empfangen, indem der ehemalige Direktor der serbischen Rundfunk/und Fernsehanstalten seit 7 Jahren inhaftiert ist und nun neuer krimineller Delikte beschuldigt wird. Beim abendlichen Empfang durch das örtliche Solidaritätskomitee berichteten Juristen und Journalisten über die Notwendigkeit internationaler Bekanntmachung des skandalösen Falles. Auch Peter Handke, der mutige Schriftsteller hat es sich nicht nehmen lassen, die Delegation ins Gefaengnis zu begleiten.

Berlin, 28. März 2009


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