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Was läuft gegen den NATO-Gipfel?

Ingo Rundzelt über die Mobilisierung und die Suche nach einem Camp-Ort


Neues Deutschland: Seit Wochen laufen die Vorbereitungen für die Proteste gegen den kommenden NATO-Gipfel auf Hochtouren. Sie kümmern sich um die Organisierung von Camps. Gibt es schon ein Gelände?

Ingo Rundzelt: Das Problem ist, dass wahrscheinlich die Grenzen dicht sein werden. Deshalb wird es zwei Camps geben: in Straßburg und Kehl. Sie sollen jeweils groß genug sein für 5000 Personen. Am Dienstag finden Verhandlungen mit dem zuständigen Regierungspräsidium Karlsruhe statt. Da wird man uns verschiedene Plätze anbieten. Wir selbst haben aber auch Vorschläge.

Unterstützen Behörden und Kommunalpolitiker die Suche nach geeigneten Plätzen?

Die Behörden haben eingesehen, dass die Camps notwendig sind. In Frankreich fand schon ein Treffen statt. Bei uns gab es ein Angebot für Achern. Das ist aber ein Ort im Nirgendwo zwischen Baden-Baden und Kehl und daher für uns nicht akzeptabel.

Die Polizei favorisiert kleinere, dezentrale Camps. Könnten Sie sich darauf einlassen?

Auf keinen Fall. Der baden-württembergische Innenminister will die Größe eines Camps auf 1000 Personen beschränken. Dann müssten wir fünf Camps organisieren! Das ist für uns logistisch und finanziell nicht zu leisten. Die Zeit drängt. Bis zum 31. Januar müssen Landwirte ihre Brachflächen nach Brüssel melden. Einmal gemeldet, darf darauf kein Camp mehr stattfinden. Wir fordern deshalb von den zuständigen Behörden eine verbindliche Zusage vor Ablauf dieser Frist.

Was ist insgesamt geplant rund um den 60. Geburtstag der NATO?

Der Protest soll vier Säulen haben: den Gegen-Gipfel in Straßburg am 3. und 4. April, die Camps, die am 1. eröffnet werden, die internationale Großdemonstration in Straßburg am 4. sowie Massenblockaden. Die Vorbereitungen werden erschwert, weil weder die Orte noch der Ablauf des offiziellen NATO-Gipfels feststehen. Erst sollte das Rahmenprogramm in Kehl stattfinden, dann wurde alles nach Baden-Baden verlagert. Also konnten wir mit unseren Planungen von vorne anfangen. Nun findet doch wieder etwas in Kehl statt.

Mit wie vielen Demonstranten rechnen Sie?

Das ist natürlich schwer abzuschätzen. Aber wir erwarten zwischen 15 000 und 20 000 NATOGegner aus ganz Europa.

NATO-Gegner aus verschiedenen Ländern und politischen Spektren mobilisieren. Funktionieren die Absprachen?

Die Koordination läuft sehr gut. Es gibt einen gemeinsamen nationalen und einen internationalen Aufruf zu den Protesten gegen die Kriegspolitik der NATO, für Frieden und die Auflösung des Militärbündnisses. Wir können auf die politischen Synergieeffekte des G8-Gipfels zurückgreifen. Kirchenvertreter sitzen mit linken Parteien und dem linksradikalen Spektrum an einem Tisch. In Frankreich fehlt diese Erfahrung einer spektrenübergreifenden Zusammenarbeit. Soziale Bewegungen, Parteien und Linksradikale können dort noch nicht wirklich miteinander.

Wird der NATO-Gipfel genauso abgeschottet wie Heiligendamm beim G8-Treffen?

Uns ist bisher bekannt, dass bis zu 14 000 Polizisten im Einsatz sein werden, allein auf deutscher Seite. Auch Tornados und Awacs-Flugzeuge sollen wieder im Inneren zum Einsatz kommen. Der Rhein wird gesperrt, ganze Stadtgebiete werden abgeriegelt, die Arbeitnehmer im Hafengebiet in Zwangsurlaub geschickt. Darüber wächst der Unmut in der Bevölkerung.

Fragen: Ines Wallrodt

* Aus: Neues Deutschland, 10. Januar 2009


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