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BKA handelte rechtswidrig

Bundeskriminalamt sorgte unzulässig für Ausschluß linker Journalisten vom NATO-Gipfel 2009 in Strasbourg. Verwaltungsgericht rügt Speicherung und Weitergabe personenbezogener Daten

Von Frank Brendle *

Die Empfehlungen des Bundes­kriminalamtes (BKA) gegenüber der NATO, bestimmte Journalisten nicht zum Gipfeltreffen 2009 in Strasbourg zuzulassen, waren rechtswidrig. Das hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden Anfang Oktober festgestellt.

Das BKA hatte vor dem Treffen der Militärs im April 2009 mit dem NATO-Hauptquartier vereinbart, Akkreditierungsanträge von Journalisten mit den Daten aus dem deutschen Polizeibestand abzugleichen. Bei zwei Journalisten sprach das BKA eine »Negativempfehlung« aus, mit der Folge, daß die NATO ihre Anträge ablehnte. Betroffen waren ein freier Journalist, der auch für junge Welt arbeitet, sowie ein Mitarbeiter der polnischen Ausgabe von Le Monde diplomatique, Kamil Majchrzak. Dieser ist in den Polizeidateien gelistet, weil in der Vergangenheit Ermittlungsverfahren gegen ihn geführt worden waren. Daß diese sämtlich eingestellt wurden oder mit Freisprüchen endeten, ist für das BKA kein Grund, die Einträge zu löschen. Ein Eilantrag im April 2009, der das BKA zur Rücknahme der Ausschlußempfehlung zwingen sollte, hatte in erster Instanz Erfolg, wurde dann aber vom hessischen Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen. Es sei nicht damit zu rechnen, daß die NATO den Journalisten nachträglich doch noch zulasse, befanden die Richter damals.

Im Hauptsacheverfahren erklärte das Gericht nun das Vorgehen des BKA aus mehreren Gründen für rechtswidrig. So habe es damals an einer Rechtsgrundlage für die Speicherung von Majchrzak in der BKA-Datei gemangelt. Eine entsprechende Rechtsverordnung dafür hat das Bundesinnenministerium erst im Sommer dieses Jahres nachgereicht. Informationen aus rechtswidrigen Dateien dürften grundsätzlich nicht genutzt und weitergegeben werden.

Davon unabhängig stellte das Gericht fest, daß dem Handeln des BKA »eine entsprechende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage fehlt«. Eine Übermittlung personenbezogener Daten an über- und zwischenstaatliche Stellen wie die NATO sei im Gesetz schlichtweg nicht vorgesehen. Die Aufgabe des BKA, Mitglieder der Verfassungsorgane zu schützen, erlaube ihm nicht automatisch die Weitergabe. Das BKA hatte vor Gericht argumentiert, die Betroffenen hätten in das Prozedere zumindest indirekt eingewilligt. Das NATO-Anmeldeformular habe den Hinweis enthalten, die Daten würden »in Verbindung mit der Akkreditierung verwendet«. Für berufserfahrene Journalisten sei damit klar, daß Sicherheitsbehörden beteiligt würden. Das Argument half nichts: Notwendig gewesen wäre »eine wirksame Einwilligungserklärung nach deutschem Recht«, heißt es in der Urteilsbegründung. Diese reibt der NATO zudem unter die Nase, ihr Vorgehen widerlege ein angemessenes Datenschutzniveau »mehr als deutlich«, weil es nicht einmal dem europäischen Datenschutzstandard gerecht werde.

»Der Fall zeigt, wie problematisch die politischen Dateien des BKA sind und wie sträflich das BKA mit dem Datenschutz umgeht«, erklärte Kamil Maj­chrzak am Donnerstag gegenüber junge Welt. Sein Ausschluß vom Gipfel habe gravierend in seine Berufsfreiheit als Journalist eingegriffen. Das BKA prüft derzeit, ob es Rechtsmittel gegen das Urteil einlegt.

* Aus: junge Welt, 15. Oktober 2010


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