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Gates warnt vor Truppenabbau bei der NATO

US-Verteidigungsminister rät Paktstaaten zunächst zur Reduzierung der Verwaltungskosten

Die NATO-Staaten müssen nach Ansicht von US-Verteidigungsminister Robert Gates bei Sparmaßnahmen eine Verringerung von Truppenstärken und militärischen Fähigkeiten so lange wie möglich vermeiden.

Nach einem Gespräch mit seinem neuen britischen Amtskollegen Liam Fox sagte Gates in London, er hoffe, dass die NATO-Partner zunächst Verwaltungs- und Gemeinkosten reduzierten, bevor sie über Einschnitte bei Streitkräftestrukturen und -fähigkeiten nachdächten.

Die Verteidigungsminister der 28 NATO-Länder beraten an diesem Donnerstag (10. Juni) in Brüssel über umstrittene Sparvorschläge von NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. Er will unter anderem die Zahl der NATO-Kommandozentralen und der NATO-Agenturen für technische Dienstleistungen deutlich verringern.

Auch die USA hätten »ein extrem begrenztes Wachstum im US-Verteidigungsbudget«, sagte Gates nach Angaben des Pentagons. »Wir schauen uns genau an, wie wir unser Geld ausgeben und versuchen, es für Dinge auszugeben, die uns sowohl jetzt als auch in der Zukunft wirklich militärische Fähigkeiten bringen.« In Deutschland wird derzeit eine Reduzierung der Bundeswehr um 40 000 auf gut 210 000 Soldaten geprüft. Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat außerdem den Fortbestand der Wehrpflicht zur Diskussion gestellt.

Die zögerliche Haltung der Europäischen Union gegenüber einem Beitritt der Türkei führt nach Einschätzung von Pentagonchef Gates zu einer Abkehr Ankaras vom Westen. Dass »einige in Europa« es ablehnten, der Türkei die von ihr angestrebte »organische Verbindung« zum Westen zu gewähren, habe dazu geführt, dass sich das Land von westlichen Positionen entfernt habe, sagte Gates ebenfalls am Mittwoch (9. Juni) in London. Die nur langsam vorangehenden Beitrittsverhandlungen hätten auch Einfluss auf die derzeitige außenpolitische Haltung der Türkei. Gates bezog sich mit seinen Äußerungen vor allem auf die angespannten Beziehungen zu Israel, die seit dem Angriff der israelischen Marine auf einen Schiffskonvoi für den Gaza-Streifen vor gut einer Woche noch härter auf die Probe gestellt werden. Die »Verschlechterung« des Verhältnisses zwischen der Türkei und Israel sei »besorgniserregend«. Es müsse darüber nachgedacht werden, wie wieder eine stärkere Verbindung der Türkei zum Westen erreicht werden könne.

Die Türkei steht seit 2005 mit der EU in Verhandlungen über einen Beitritt. Bislang wurden aber erst 12 der 35 Beitrittskapitel eröffnet. Der EU-Beitritt des Landes wird von vielen Staaten kritisch gesehen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnt eine EU-Mitgliedschaft des Landes ab und bietet Ankara stattdessen eine »privilegierte Partnerschaft« an.

* Aus: Neues Deutschland, 10.06.2010


NATO-Minister beraten Sparpläne **

Die Verteidigungsminister der 28 NATO-Staaten sind am Donnerstag (10. Juni) in Brüssel zu Beratungen über Sparmöglichkeiten beim Transatlantischen Verteidigungsbündnis zusammengekommen. Zum Auftakt des zweitägigen Treffens warnte NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen vor zu großen Einschnitten. Natürlich erwarteten die Steuerzahler in Zeiten der Wirtschaftskrise Sparsamkeit, sagte der Däne. "Aber unser Job ist es, unsere Bürger zu schützen. Das bedeutet ausreichende und kluge Ausgaben für die Verteidigung." Die NATO hat in diesem Jahr eine Finanzierungslücke von gut 500 Millionen Euro, die nur durch vorgezogene Zahlungen ausgeglichen werden konnte.

Notwendig seien die Prioritätensetzung bei den Missionen, die multinationale Zusammenarbeit bei den militärischen Kapazitäten sowie Einsparungen bei Gebäuden und Verwaltung, erklärte Rasmussen.

Auf der Tagesordnung der Konferenz, an der auch US- Verteidigungsminister Robert Gates teilnimmt, steht auch der internationale NATO-geführte Einsatz der ISAF-Schutztruppe in Afghanistan, an dem sich 48 Länder beteiligen. Die Mission habe "höchste Priorität", betonte Rasmussen. "Unser Ziel ist es, dass Afghanistan auf eigenen Beinen stehen kann, als souveränes Land, das sich gegen den Terrorismus verteidigen kann."

Außerdem reden die Minister über ein gemeinsames Raketenabwehr-System der Europäer mit den USA. Dieses sei technisch und finanziell machbar, sagte Rasmussen. 200 Millionen Euro über zehn Jahre hinweg seien bezahlbar. Beim NATO-Gipfel im November in Lissabon solle eine Entscheidung getroffen werden.

Mit Blick auf Georgien und die Ukraine sagte Rasmussen, beiden Ländern stehe weiterhin "die Türe offen".

** Aus: Neues Deutschland, 10. Juni 2010

Daten-Report der NATO: Militärausgaben

Am 10. Juni 2010 veröffentlichte das NATO-Sekretariat eine Übersicht über rüstungs- und streitkräfterelevante Daten der NATO-Mitgliedsstaaten. Die Übersicht, bestehend aus einer Anzahl von Tabellen, ist in englischer und französischer Sprache verfügbar - was aber auch für jene, die in diesen Sprachen nicht bewandert sind, verständlich ist, da es sich vor allem um Zahlen handelt.

Auffällig ist der Widerspruch zwischen den Klagen des NATO-Generalsekretärs über angeblich sinkende "Verteidigungs"ausgaben und der aus den Tabellen hervorgehenden Tatsache, dass die NATO der weltweit einzig dastehende Militärpakt ist, dessen Militärausgaben sich seit Jahren auf einem historischen Rekordniveau befinden. In den Jahren 2007 und 2008 gaben die NATO-Staaten insgesamt 891 Mrd. bzw. 939 Mrd. US-Dollar für Militär und Rüstung aus. 2009 sanken die Ausgaben (875 Mrd. US-Dollar) wieder knapp unter das Niveau des damaligen Rekordjahres 2007. Legt man als Basis das Preisniveau von 2000 zu Grunde, dann fallen die Schwankungen nicht ganz so stark aus: 2007: 649 Mrd., 2008: 653 Mrd., 2009: 617 Mrd. US-Dollar.

Interessant sind auch die länderbezogenen Angaben. Nehmen wir z.B. Deutschland. Obwohl in Deutschland 2008 das Bruttoinlandsprodukt nur schwach anstieg (um 1,3 %), wurden die Militärausgaben um 4 Prozent erhöht. Noch auffälliger die Kluft 2009: Einem Rückgang des BIP 2009 um 5 Prozent steht das weitere Anwachsen der Verteidigungsausgaben um 2,6 Prozent gegenüber.

Sehr starke Unterschiede zwischen den Ländern tun sich auf, wenn man deren jeweiligen Anteile der Rüstungsausgaben am BIP betrachtet. Die USA (4,0 %), Griechenland (3,1 %), Großbritannien (2,7 %), Frankreich (2,1 %) und Albanien (2,0 %) geben vergleichsweise sehr viel für Militär unbd Rüstung aus. Dagegen nehmen sich die Anteile von Deutschland (1,4), Dänemark, Rumänien, Italien (jeweils 1,4) relativ bescheiden aus. Im NATO-Durchschnitt liegt der Anteil bei 3,8 Prozent. Bekanntlich drängen die USA und die NATO seit langem, dass alle Staaten mindestens 2,5 Prozent ihres BIP für das Militär ausgeben sollen. Für Deutschland würde dies eine Erhöhung des Verteidigungsetats um über 60 Prozent bedeuten.

Hier geht es zur Datensammlung der NATO:

Financial and Economic Data Relating to NATO Defence




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