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Reeder "feuern" auf Marine

Vorwurf: Zu wenig Schutz gegen Piratenüberfälle

Von René Heilig *

Wegen der anhaltenden Piratenüberfälle im Golf von Aden drängen die deutschen Reeder auf einen besseren Schutz ihrer Schiffe durch die Deutsche Marine. Das Verteidigungsministerium winkt ab und behauptet, die Reeder selbst bringen Besatzungen, Schiffe und Fracht in Gefahr.

Am Donnerstag (16. Juli) wird der Einsatzgruppenversorger »Berlin« nach 187 Tagen im Einsatz heimkehren. Am Freitag soll die Fregatte »Emden« nach 133 Tagen auf See in Wilhelmshaven einlaufen. Beide Schiffe haben sich an der Jagd auf Piraten vor der afrikanischen Küste beteiligt. Wie der Kommandant der »Berlin« meint auch der Kapitän der »Emden«, Fregattenkapitän Ulrich Borsowsky, man habe einen »wesentlichen Beitrag zur Sicherung der internationalen Seewege geleistet« und sei dem Ziel -- die Piraterie vor der afrikanischen Küste einzudämmen -- »einen weiteren Schritt näher gekommen«.

Darüber kann die Besatzung des Containerschiff »Hansa Stavanger« nicht einmal mehr lachen. Die Männer sind physisch wie psychisch am Ende, denn seit dem 4. April in der Hand von Piraten. Noch immer zeichnet sich kein Ende des Martyriums ab. Trinkwasser, Nahrungsmittel und Medikamente sind knapp, die Piraten zudem äußerst gereizt, seitdem sie wissen, dass die Elitegruppe GSG 9 drauf und dran war, das gekaperte Schiff zu stürmen. Offenbar spielt auch der Eigner, die Reederei Leonhardt & Blumberg, ein seltsames Spiel. Die Bosse kümmern sich nur wenig um die Familien der Seeleute und feilschen seit Wochen um die Höhe des Lösegeldes.

Der Verband deutscher Kapitäne und Schiffsoffiziere (VDKS) kritisierte das Unternehmen am Wochenende scharf. Angehörige der Besatzung hätten die Reederei mehrmals um »konkrete Auskünfte« gebeten. Auf diese Anfragen sei nach Aussage der Betroffenen nicht reagiert worden, sagte VDKS-Präsident Christoph Wand.

Der Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Reeder (VDR), Hans-Heinrich Nöll, fordert unterdessen, die Bundesregierung solle Soldaten auf zivile Schiffe schicken, um eine »noch größere Abschreckungswirkung« zu erreichen. Was im Umkehrschluss bedeutet: Man hat wenig Hoffnung, dass die in verschiedenen Einsatzverbänden eingebundenen Kriegsschiffe von NATO, EU und die selbstständiger Staaten halten können, was die Regierungen vollmundig versprachen. Zudem fordert der VDR neue Korridore für die Schifffahrt, die überwacht werden.

Die Bundesregierung hat die Forderung deutscher Reeder nach zusätzlichem militärischen Schutz ihrer Handelsschiffe zurückgewiesen. Stattdessen sollten sich »bestimmte Schiffe« erst einmal an die bestehenden Korridore halten und auch mal einen Tag länger warten, um dann auf einer geschützte Route mitzufahren, verlangte das Verteidigungsministeriums. Nur jedes vierte Schiff melde sich bei den internationalen Marineeinheiten an, um in einem geschützten Konvoi das Horn von Afrika zu passieren.

Die EU-Mission »Atalanta«, sowie die Combined Task Forces 150 sowie 151 haben derzeit fast 30 Kriegsschiffe sowie Aufklärungsflugzeuge vor Somalia. Hinzu patrouillieren dort selbstständige Einheiten aus China, Indien, Iran, Italien, Japan, Malaysia, Russland und den USA.

* Aus: Neues Deutschland, 15. Juli 2009


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