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Die Dresdner kommen sich langsam näher

Gegen rechtsextremen Aufmarsch zum 13. Februar wird erstmals bundesweit mobilisiert

Von Hendrik Lasch, Dresden *

Jedes Jahr zum 13. Februar marschiert die rechte Szene in Dresden. Die Stadt war gespalten zwischen Protest und Wegschauen. Dieses Jahr gibt es eine Annäherung. Zudem mobilisieren Nazi-Gegner erstmals bundesweit.

Eigentlich möchten viele Dresdner Bürger am 13. Februar in schweigender Trauer an 25 000 Menschen erinnern, die bei der Zerstörung der Stadt vor 64 Jahren umkamen. Doch ein »stilles Gedenken« wird nicht mehr stattfinden. Denn seit zehn Jahren nutzen Rechtsextremisten das Datum, um die Deutschen als Kriegsopfer darzustellen und unter dem Begriff vom »Bombenholocaust« die NS-Verbrechen zu relativieren. Beim Umgang mit dem Aufzug, der zuletzt 5000 Teilnehmer anzog und zu den wichtigsten Terminen der Szene in Europa gehört, zeigte sich die Stadt aber gespalten: Engagierten Protesten stand die Haltung breiter Teile der Bürgerschaft gegenüber, die »Trauermärsche« zu ignorieren und so den Rechten die Straße zu überlassen.

In diesem Jahr wird zumindest der Versuch unternommen, Einigkeit zu demonstrieren. Ein von der Stadt getragener stiller Umzug, zu dem unter anderem Trompeter Ludwig Güttler aufruft, soll so rechtzeitig beendet sein, dass er nicht mit Veranstaltungen vom Bündnis »GehDenken« kollidiert.

Dieses Bündnis, das bundesweit mobilisiert, plant ab 13 Uhr drei Demonstrationszüge und am Nachmittag ein Abschlusskonzert auf dem Theaterplatz, bei dem Smudo und Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel auftreten. Reden soll politische Prominenz von LINKEN-Fraktionschef Gregor Gysi bis DGB-Chef Michael Sommer. Ein Halt erfolgt an der Synagoge, der die Rechtsextremen wiederholt bedrohlich naherückten. Die jüdische Gemeinde will wie 2008 einen öffentlichen Gottesdienst abhalten.

Zwar gehe man »noch nicht gemeinsam auf die Straße«, sagt Nora Goldenbogen, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde: »Aber man betont gemeinsam, was man nicht mehr will.« Friedemann Bringt vom Kulturbüro Sachsen, der zu den Mitorganisatoren von »GehDenken« zählt, spricht von einer »friedlichen Koexistenz« beim Protest gegen den rechten Aufmarsch.

Vor Monaten hatte es noch andere Töne gegeben. Damals veröffentlichte das Bündnis »GehDenken«, in dem Gewerkschaften und Kirchen ebenso vertreten sind wie linke Parteien und Gruppen, einen Aufruf mit dem Ziel, den Naziaufmarsch am 14. Februar auszubremsen. Dresdens CDU aber verweigerte sich. Ihr Stadtchef Lars Rohwer rückte die Initiative in die Nähe »linker Chaoten«; die CDU-Rathauschefin Helma Orosz blieb auffällig auf Distanz.

Auch Antifa-Gruppen schlagen eher versöhnliche Töne an. So betont das Bündnis »No pasarán« in einem Aufruf, ein »Abfeiern von Kriegstoten wird es mit uns nicht geben« – eine Absage an frühere Parolen wie »Bomber Harris do it again«, die in der Stadt für Verstimmung sorgten. Ein zweites Bündnis namens »Venceremos« lädt ebenfalls zu Kundgebungen.

Für Streit sorgt derweil die Abstimmung der insgesamt 19 angemeldeten Veranstaltungen. Das Bündnis »No pasarán«, das wie die Rechten zum Treff um 11 Uhr am Hauptbahnhof aufrief, wurde von den Behörden zum Bahnhof Neustadt umgelenkt und kritisiert nun, in Dresden würden »die Nazis bevorzugt behandelt«.

www.geh-denken.de
dresden1302.noblogs.org

* Aus: Neues Deutschland, 6. Februar 2009


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