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"Wir lassen uns nicht einschüchtern"

Antifaschistisches Bündnis ruft trotz Repression zu Blockaden gegen Dresdner Naziaufmarsch auf

Neonazis aus Deutschland und dem europäischen Ausland wollen am 13. Februar in Dresden aufmarschieren, um den Jahrestag der Bombardierung der Stadt durch die Alliierten vor 65 Jahren für ihre Propaganda zu missbrauchen. Bundesweit mobilisieren antifaschistische Organisationen gegen den größten rechten Aufmarsch, der regelmäßig in Deutschland stattfindet. Über die bundesweite Mobilisierung sprach MARKUS BERNHARDT mit STEFANIE MEHNER, der Sprecherin des Berliner Koordinationskreises des Bündnisses »Nazifrei! Dresden stellt sich quer«.

ND: Ihr Bündnis hatte in den letzten Tagen massiv mit staatlicher Repression zu kämpfen. Ihre Plakate wurden von der Polizei beschlagnahmt und Nazigegner, die diese plakatierten, wurden festgenommen. Wie gehen Sie mit den Einschüchterungsversuchen um?

Mehner: Die Durchsuchungen der Dresdner Landesgeschäftsstelle der Linkspartei und des Berliner Antifa-Ladens »Red Stuff« in der letzten Woche haben zu breiten Solidarisierungseffekten geführt. Hunderte Menschen haben seitdem unseren Aufruf unterschrieben. In verschiedenen Städten gab es Demonstrationen. Insgesamt können wir feststellen, dass die Kriminalisierung für Justiz und Polizei zum Bumerang geworden ist. Trotz alledem ist es natürlich unglaublich, dass die Dresdner Staatsanwaltschaft gegen ein breites antifaschistisches Bündnis vorgeht. Wir lassen uns davon jedoch nicht einschüchtern und rufen dazu auf, die kriminalisierten Plakate am morgigen Donnerstag bundesweit öffentlichkeitswirksam zu plakatieren.

Ungeachtet der Beschlagnahmung der Plakate halten Sie also für den 13. Februar weiterhin an Blockaden fest?

Ja, unser Ziel ist eindeutig: Wir wollen den Aufmarsch in Dresden mittels Massenblockaden verhindern. Wir mobilisieren gemeinsam mit verschiedenen Gewerkschaftsgliederungen, antifaschistischen Gruppen aus dem Bündnis »No Pasarán«, mit Landes- und Jugendverbänden von Linkspartei, Grüne, DKP, dem SDS und anderen Organisationen zu verschiedenen Treffpunkten im Dresdner Stadtgebiet. Uns alle eint über etwaige Differenzen hinweg, dass wir mit dem Ziel antreten, die Nazis nicht durch Dresden marschieren zu lassen. Dass wir dieses Ziel erreichen können, zeichnet sich auch anhand der vielen Veranstaltungen ab, die landauf und landab in der Bundesrepublik stattfinden.

Am vergangenen Sonntag (24. Jan.) gab es in Berlin eine Regionalkonferenz, in deren Rahmen über den derzeitigen Mobilisierungsstand informiert wurde ...

An besagter Konferenz nahmen etwa 120 Antifaschisten teil. Rund 85 Menschen beteiligten sich im Anschluss daran an einem Blockadetraining. Wir sind also guter Dinge, dass uns eine breite Mobilisierung aus dem Raum Berlin gelingt.

Manche Medien schreiben bereits im Vorfeld der Demonstrationen und Blockaden angeblich geplante Gewaltexzesse herbei. Was entgegnen Sie?

Das ist totaler Unsinn! Einige Medien wie beispielsweise der Berliner Tagesspiegel, der von einer »Invasion der Extremisten« berichtete, haben offenbar noch nicht verstanden, was der Aufmarsch von mehreren tausend Nazis politisch bedeutet. Unser Blockadeaufruf wird auch von mehreren Bundestags- und Landtagsabgeordneten und dem Jenaer Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD) unterstützt. Sind das etwa Extremisten? Eine derartige Berichterstattung stärkt im Endeffekt die Nazis und schreckt Bürger ab, sich an den Protesten zu beteiligen.

Was halten Sie von der geplanten Menschenkette der Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU)?

Grundsätzlich begrüßen wir jedwedes Engagement. Die geplante Menschenkette ist aber eine rein symbolische Aktion und geht kaum über die Alibiveranstaltungen der Stadt Dresden in den letzten Jahren hinaus.

* Aus: Neues Deutschland, 27. Januar 2010


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