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Nationalisten wollen weltweites Netzwerk

Internationales Treffen in Tokio mit Vertretern aus Japan und Europa / Deutsche fehlten noch

Von Susanne Steffen, Tokio *

Nationalisten aus Europa und Japan trafen sich am Wochenende in Tokio. Sie wollen eine internationale Vereinigung aller Nationalisten schaffen. Deutsche Rechtsextreme waren nicht dabei, werden aber umworben.

Die Atmosphäre war ausgelassen. Schon in der ersten Konferenzpause gab der französische Altnationalist und Stargast auf dem »Patriotentreffen zur Herbeiführung des Weltfriedens« Jean Marie Le Pen gemeinsam mit einem der japanischen Gastgeber ein Ständchen. Überhaupt zeigten sich die Vertreter von Europas und Japans Ultrarechten, die sich normalerweise nur für ihr eigenes Land interessieren, verblüffend weltmännisch. Le Pens Parteifreund Bruno Gollnisch und ein Vertreter der ungarischen Rechtsaußenpartei Jobbik parlierten sogar in einigermaßen flüssigem Japanisch.

Auch inhaltlich verstanden sich die knapp 20 angreisten Gäste aus Frankreich, Großbritannien, Österreich, Belgien, Spanien, Portugal, Ungarn und Rumänien prächtig mit ihren Gastgebern der japanischen Rechtsradikalenorganisation Issuikai. Gemeinsam polterten sie in gewohnter Polemik gegen die voranschreitende Globalisierung und die daraus folgende Zerstörung jedweder Kultur und Tradition. Gleich mehrere Mitglieder des Europaparlaments wetterten gegen die »Islamisierung Europas« und fast jeder Redner klagte über die vielen Einwanderer, die die nationale Identität zerstörten. Doch allem gegenseitigen Applaus und Schulterklopfen zum Trotz reichten die Gemeinsamkeiten offenbar nicht für mehr als ein schwammiges Abschluss-Statement, in dem sie zu der Erkenntnis kamen, dass alle Patrioten letztlich ihre eigene Kultur und Tradition schützen wollten und jeder dies auch den Patrioten anderer Länder zugestehen sollte. Ein solches gegenseitiges Verständnis könne zu einer friedlicheren Koexistenz führen, heißt es in dem Text.

Am Yasukuni-Schrein

Höhepunkt des Treffens war ein Besuch beim Yasukuni-Schrein, in dem die Kriegstoten des Landes verehrt werden - darunter auch 14 Kriegsverbrecher der Klasse A. Auch japanische Spitzenpolitiker pilgern regelmäßig zu dem umstrittenen Schrein, meist um dort an die japanische Kapitulation im Zweiten Weltkrieg am 15. August zu erinnern. Eine Geste, die stets eine Welle der Empörung in den asiatischen Ländern auslöst, die unter der brutalen japanischen Kolonialherrschaft gelitten haben.

Am gestrigen Jahrestag (15. Aug.) der japanischen Kapitulation besuchte erstmals kein Minister den Yasukuni-Schrein in Tokio. Stattdessen entschuldigte sich Ministerpräsident Naoto Kan bei einer Gedenkveranstaltung für die Rolle Japans während des Weltkriegs.

Doch Frankreichs oberster Rechtspopulist Le Pen hat kein Problem mit dem Schreinbesuch. »Sind nicht auch diejenigen, die Hiroshima und Nagasaki bombardiert haben, Kriegsverbrecher?« Mit dieser Anspielung verwies er auf die US-amerikanischen Atombombenabwürfe, bereits bevor er die Gedenkstätte gesehen hatte.

Gastgeber Mitsuhiro Kimura und seine Issuikai-Bewegung bezweifeln öffentlich das Ausmaß von Japans Gräueltaten in seinen Kolonien. Sein eigenwilliges Geschichtsbild stellte Kimura denn auch gleich zu Konferenzbeginn den applaudierende Delegierten vor. Japan sei noch immer von der US-Armee besetzt, so Kimuras Auslegung des japanisch-amerikanischen Sicherheitsabkommens. Erst wenn die USA ihre Truppen vollständig abzögen und die japanischen Selbstverteidigungskräfte die Landesverteidigung wieder allein übernähmen, sei die Nachkriegszeit vorbei und Japan ein unabhängiges Land, erklärte Kimura. Seine Organisation wurde in den 70er Jahren von Anhängern des Poeten Yukio Mishima gegründet, dem es nicht gelungen war, die Selbstverteidigungskräfte zu einem Staatsstreich zu animieren.

Deutsche Rechtsaußen-Vertreter waren bei der Konferenz nicht zugegen. Doch beim nächsten Mal will Issuikai-Chef Kimura auf jeden Fall auch deutsche Rechtsparteien dabei haben. »Irgendwann wollen wir eine Allianz aller patriotischen Vereinigungen der Welt schaffen«, philosophierte er beim Mittagessen. Dazu müsste er sich allerdings auch mit den Nationalisten seiner koreanischen und chinesischen Nachbarn verbrüdern. Demnächst in Budapest

Das sei nicht einfach, gibt Kimura zu. Schließlich liefern sich japanische Nationalisten regelmäßig heftigste Propagandagefechte mit ihren asiatischen »Brüdern«, so, wenn ein neues Geschichtsbuch auf den Markt kommt, das Japans Kriegsverbrechen an Koreanern und Chinesen verharmlost. Kimuras Nahziel ist deshalb die Institutionalisierung der europäisch-japanischen Nationalistentreffs. Alle zwei Jahre wünscht sich Kimura ein solches Treffen. So lange wird er gar nicht warten müssen: Bela Kovacz von der ungarischen Jobbik lud alle Teilnehmer für Ende Oktober nach Budapest ein, um gemeinsam das 25-jährige Bestehen seiner Partei zu feiern.

* Aus: Neues Deutschland, 16. August 2010


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