Die herrschende Asylpraxis ist "staatlicher Rassismus"
Heiko Kauffmann (pro asyl) zum Tag der Menschenrechte
Zum Internationalen Tag der Menschenrechte (10. Dezember)
haben Flüchtlings- und Menschenrechtsgruppen in mehreren
Städten zu Mahnwachen, Demonstrationen und Kundgebungen gegen Rassismus
aufgerufen. In
Ingelheim fand am 9. Dezember 2000 eine Mahnwache gegen die
Abschiebung von Flüchtlingen statt. Redner war Heiko Kauffmann, Sprecher von pro asyl. Wir dokumentieren aus seiner Rede wesentliche Auszüge:
Nirgendwo zeigen sich die inhumanen Auswirkungen des neuen Asylrechts so
deutlich wie in den gegenwärtigen Bedingungen der Abschiebungshaft und der
Durchführung der Abschiebung selbst. Menschen wurden und werden in
Deutschland inhaftiert, ohne eine strafbare Handlung begangen zu haben.
Abschiebungshaft ... ist ein Instrument der Abschreckungsmaxime. Flüchtlinge
zu zermürben, zu demütigen und zu entmündigen, um sie so schnell wie möglich
außer Landes bringen zu können: Abschiebungen - egal wohin, mit fast allen
Mitteln, um fast jeden Preis ...
Wir erleben gerade die Stunde der Heuchler:
So richtig und wichtig die gesellschaftliche Debatte über Rechtsradikalismus und
die Bereitschaft zum Handeln gegen den Terror von rechts ist:
-
Wenn aber der eine Teil der politischen Klasse aus politischem Kalkül weiterhin
das rassistisch ausbeutbare Gefasel von der deutschen Leitkultur propagieren und
-
der andere Teil derselben sich darauf beschränkt, mit Appellen an die Zivilcourage
und Beschwörung der ,Gemeinsamkeit der Demokraten' den wachsenden
Rechtsextremismus und die Zunahme von Gewalt zu individualisieren und mit
aufwendigen Maßnahmen und Programmen dagegen zu ,pädagogisieren',
-
dann war der ,Aufstand der Anständigen', dann war die Demonstration am 9.
November nur eine proklamierte vorgetäuschte Einheitsfront gegen rechts - mehr
dem beschädigten deutschen Ansehen und wirtschaftlichen Interessen geschuldet
als der Sorge um die Angst und die Not der Flüchtlinge und Migranten/innen ...
Nein, gegen Rassismus und Gewalt helfen niemals allein Demonstrationen und
Appelle.
Der von vielen beklagte und von UN-Gremien - wie dem Ausschuss zur Beseitigung
der Rassendiskriminierung - wiederholt heftig kritisierte Umgang mit Flüchtlingen in
Deutschland - etwa bei der Aufnahme, im Verfahren, bei der sozialen Versorgung
und im gesamten System der Abschiebepraxis - ist ein Spiegelbild des
gesellschaftlich transportierten und akzeptierten Rassismus. Strukturelle und
institutionelle Ungleichheiten, die zu unterschiedlichen Formen rassistischer
Diskriminierung führen, verletzen nicht nur die Menschenrechte und die Würde der
Betroffenen: sie sind auch Nährboden für Fremdenfeindlichkeit und rechtsextreme
Gewalt ...
Wer ernsthaft und glaubhaft gegen Rechtsextremismus vorgehen will, muss
Flüchtlingen und Migranten/innen endlich Rechte geben und aufhören, sie per
Gesetz zu Menschen zweiter Klasse zu machen!
Die Erfahrungen der Flüchtlinge belegen tausendfach, was die Ergebnisse
wissenschaftlicher Untersuchungen zu Tage fördern und wogegen sich
Menschenrechtsorganisationen, lokale Initiativen, Nichtregierungsorganisationen
bis hin zu UN-Gremien seit Jahren ohne die notwendige Unterstützung des Staates
und der Regierungsparteien eingesetzt haben: dass Rassismus aus der Mitte der
Gesellschaft und aus dem Geist der Gesetze kommt ...
Wer sich mit den Hintergründen und Ursachen von Antisemitismus und Rassismus
in der Gesellschaft auseinander setzt, der muss auch nach den staatlichen
Anteilen daran fragen, sprich: nach institutionellen, strukturellen und gesetzlichen
Ausgrenzungen und Diskriminierungen gegenüber Flüchtlingen in Staat und
Gesellschaft ...
Erst die Defizite und Mängel in diesem Bereich ermutigen rechtsextremistische
Täter und geben ihnen das Gefühl, in Übereinstimmung mit einem
Mehrheitskonsens zu handeln. Um die Schutzlosigkeit und Rechtlosigkeit der
Flüchtlinge zu überwinden, ist die Politik deshalb gefordert, durch
gesetzgeberische Maßnahmen sicherzustellen, dass sie in Deutschland nicht
mehr als Menschen zweiter Klasse behandelt werden können ...
Deshalb fordern wir heute, zum Tag der Menschenrechte, die rot-grüne
Regierungskoalition in Berlin auf, ... das gesamte System der Abschiebepraxis in
Deutschland ... auf den politischen Prüfstand zu bringen und die gegenwärtige
Praxis abzuschaffen.
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