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Felicia Langer erhält das Bundesverdienstkreuz: Eine Auszeichnung, die sie verdient

Die Gegner schäumen - wir gratulieren! Dokumentiert: Pro und Kontra

Dass Felicia Langer für Ihre jahrzehntelange Arbeit als Menschenrechtsanwältin in Israel das Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland erhalten würde, konnte nicht unbedingt erwartet werden. Denn Frau Langer passt sich nicht so recht ein in die von Kanzlerin Merkel verkündete Staatsräson der unbedingten Solidarität mit Israel. Zu erwarten war indessen die Entrüstung der Israel-Lobby und deren heftige Angriffe auf die mutige Anwältin, die in der Aufforderung an Bundespräsident Köhler gipfelten, ihr den Verdienstorden wieder abzuerkennen.

Im Folgenden dokumentieren wir ein paar Stimmen Pro und Kontra Langer, wollen aber nicht verhehlen, dass wir selber die Ehrung der Frau für gerechtfertigt und überfällig halten und ihr für die Auszeichnung von Herzen gratulieren. Felicia Langer hat sich um die gerechte Sache der Palästinenser verdient gemacht - als Anwältin in Israel und den von Israel besetzten Palästinensergebieten und hier in der Bundesrepublik Deutschland, wo sie seit Jahren für einen gerechten Frieden im Nahen Osten streitet. Ihr vor kurzem erschienenes Buch "Um Hoffnung kämpfen" legt beredtes Zeugnis von ihrem Kampf ab.


1) Zwei Pressestimmen

Zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Felicia Langer

Im Berliner Tagesspiegel (Dienstagausgabe) wettert Charles A. Landsmann über die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Felicia Langer (Auszug):

Für Felicia Langer ist die Welt schwarz und weiß. Ohne Grau- und erst recht ohne Farbtöne. Israel repräsentiert für sie die dunkle Seite, die Palästinenser sieht sie ausnahmslos in strahlender Helligkeit. Ist ihr dafür nun vor einer Woche in Stuttgart das Bundesverdienstkreuz verliehen worden? Oder dafür, daß sie seinerzeit, als ZK-Mitglied der Kommunistischen Partei Israels, Ehrengast Erich Honeckers war?

Für ihren Kampf für die Menschenrechte der Palästinenser hat sie sicherlich internationale Auszeichnungen verdient, für ihre grobschlächtigen Verleumdungen Israels und ihr Lob für Mahmud Ahmadinedschads antisemitische Genfer Rede aber auch mindestens ebenso viele Anklagen nach Antirassismusgesetzen. Dieter Graumann, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, bezeichnete sie nach Angaben der Jerusalem Post als »militante und fanatische Israel-Hasserin«.

Felicia Langer ließ in den über 20 Jahren ihrer Anwaltstätigkeit für die Palästinenser in Israel niemanden kalt. Für die übergroße Mehrheit war sie des Teufels. Sie machte als unverzagte Stalinistin Politik, obwohl ihr Vater unter Stalin im Gefängnis saß. 1990, nach Abflauen der ersten Intifada, verabschiedete sie sich von ihrem Kampf, ihren palästinensischen Freunden und Mandanten, den Ungerechtigkeiten der israelischen Militärjustiz, von den Genossen der KP, von Israel und ging nach Tübingen. Sie, die Linksextreme, tat es mit den gleichen Worten, mit denen sich der rechtsnationale Ministerpräsident Menachem Begin Jahre zuvor nach dem ersten Libanonkrieg zurückgezogen hatte: »Ich kann nicht mehr.«

(…) Die meisten Israelis waren froh, daß sie weg war. Lebenszeichen von ihr aus Deutschland wurden nur am Rande, wenn überhaupt, zur Kenntnis genommen: ihre Autobiografie, der Alternative Nobelpreis, oder jetzt das Bundesverdienstkreuz. »Was, sie lebt noch?« zeigen sich die Älteren überrascht. »Wer ist das?« fragen die Jungen.

Stefan Hupka schreibt in der Badischen Zeitung (Ausgabe vom 21. Juli) unter der Schlagzeile »Das Kreuz mit den Verdiensteten« u.a.:

Für das Ordensreferat des Bundespräsidialamtes hat der Fall auch sein Gutes: Schonung des Budgets. Verleiht man bestimmten Persönlichkeiten ein Bundesverdienstkreuz, dann geben andere ihres unter Protest zurück. Mit etwas Geschick und Politur kann die Behörde so stets eine komfortable Ordensmenge vorrätig halten, ohne nachbestellen zu müssen.

Im Ernst: Ausgezeichnet wird mit dem Bundesverdienstkreuz fraglos auch ein gewisses Maß an Würde und Reife. Dazu gehört nach dem Common sense, daß ein Ausgezeichneter aus Respekt vor dem Bundespräsidenten und seinen Orden es unterläßt, die Aberkennung des Verdienstkreuzes bei einem anderen zu fordern. Auch wenn’s schwerfällt.

So viel Contenance ist der Publizist und Verdienstordensträger Ralph Giordano (86) aus Köln offenbar nicht bereit aufzubringen. Er verlangt schäumend vom Stuttgarter Staatsministerium, der Schriftstellerin Felicia Langer (78) aus Tübingen das in der Vorwoche im Namen des Bundespräsidenten verliehene Bundesverdienstkreuz wieder abzuerkennen. Und droht kaum verhohlen mit der Rückgabe des seinigen – woran den mediengewandten Seidenschalträger am Ende die eigene Eitelkeit hindern dürfte.

Giordano, prominente jüdische Stimme Deutschlands, wirft der Israelin Langer vor, sie spiele mit ihrer Kritik an Menschenrechtsverletzungen Israels den Todfeinden des Judenstaats in die Hände. Er nennt seine Kollegin die »schrillste Anti-Israel-Fanfare in Deutschland«. Unterstützung bekommt Giordano durch einige Scharfmacher aus dem Zentralrat und konservative Teile der Israel-Lobby. (…)

Aus: junge Welt, 22. Juni 2009 (Rubrik "Abgeschrieben")

2) Brief an den deutschen Bundespräsidenten

Wien, 22. Juli 2009

Sehr geehrter Herr Bundespräsident:

Im Namen der Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost (Österreich, die zur Gruppe der „European Jews for a Just Peace“ gehört, sowie als Gründerin der Wiener Frauen-Friedensinitiative Frauen in Schwarz - Teil einer Frauenbewegung, die 1988 in Israel von FriedensaktivistInnen gegründet wurde – möchte ich Ihnen meinen Dank aussprechen für die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an die israelische Menschenrechtsaktivistin Frau Felicia Langer.

Frau Langer ist ein Symbol für Mut und Ehrlichkeit für alle von uns, die von einer gerechten Lösung der tragischen Situation im Mittleren Osten träumen und dafür arbeiten. Sie hat ihr Leben und ihre Stimme denen gewidmet, die kaum gehört werden: den Palästinensern in den Besetzten Gebieten und in Israel selbst. Sie ist unermüdlich in ihrer Unterstützung für eine friedliche Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts, was ihr immer wieder große Schwierigkeiten einbringt. Nichts desto weniger hat sie ihr Glaube an Gerechtigkeit nie zaudern lassen. Nie hat sie gezögert, den hohen Preis zu zahlen, den ihre Überzeugung und ihre Arbeit von ihr fordern. Sie weiß, dass ein dauerhafter Friede zwischen Israelis und Palästinensern nur auf Gerechtigkeit basieren kann und widmet sich und ihr Leben dieser Sache.

Österreich und Deutschland haben schwer zu tragen an ihrer Vergangenheit und den grauenvollen Vergehen an Juden und anderen Minderheiten während der Zeit der Nationalsozialismus, doch sollten sie nun nicht schweigen über die Menschenrechtsvergehen und Verletzungen internationalen Rechts des Staates Israel selbst.

Abschließend möchte ich sagen, dass die von der deutschen Bundesregierung an Felicia Langer verliehene Auszeichnung einer Persönlichkeit zugedacht wurde, die sie verdient: einer Frau, die mutig, ehrenwert und rechtschaffen ist,

Mit vorzüglicher Hochachtung,
Paula Abrams-Hourani **

** Präsidentin der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost (Österreich)

3) Zum neuen Buch von Felicia Langer

Felicia Langer: Um Hoffnung kämpfen
Lamuv Taschenbuch 345, 240 Seiten, ISBN 978-3-88977-688-4, 9,90 Euro


Kein Frieden in Nahost: Sie möchte jedoch dem Hass eine Kraft entgegensetzen, die Liebe, die sie selbst erfahren hat. Sie ist erfüllt von Hoffnung. Einer Hoffnung, für die gestritten werden muss, gegen das Unrecht.

In diesem sehr persönlichen Buch schildert Felicia Langer, was sie bestärkt, sich für Versöhnung und Frieden einzusetzen.

Felicia Langer, Israeli, Anwältin und Trägerin des Alternativen Nobelpreises, des „Right Livelihood Award“, schloss 1990 ihre Anwaltskanzlei in Jerusalem aus Protest, weil sie keine Chance mehr sah, vor Militärgerichten etwas für ihre Klienten erreichen zu können. Sie zog 1990 nach Deutschland, ins „Land der Täter“, um „von hier aus für die Rechte der Palästinenser zu kämpfen.“ (Ludwig Watzal, Neue Zürcher Zeitung)

2005 erhielt Felicia Langer für ihr Eintreten für die Menschenrechte den Erich-Mühsam-Preis. Zuletzt erschienen „Felicia Langer – Die Frau, die niemals schweigt – Stationen eines Lebens“ (Lamuv Taschenbuch 337) und Felicia Langer: „Die Entrechtung der Palästinenser – 40 Jahre israelische Besatzung“ (Lamuv Taschenbuch 342).

Alice Schwarzer: „Felicia Langer hat nicht den einfachen Weg gewählt. Ihre Eltern, polnisch-jüdische Großbürger, flüchten mit dem Kind vor den Nazis nach Russland. Ihr Vater stirbt an den Folgen der stalinistischen Gefängnisse. Die meisten ihrer Verwandten werden in Konzentrationslagern ermordet. Und ihr späterer Mann überlebt fünf KZs. 1950 folgt sie ihrer Mutter nach Israel ...
Felicia Langer, die am eigenen Leib die Erfahrung der Vertreibung, Misere und Demütigung mitgemacht hat, ist auch in Israel nicht bereit, die Augen zu verschließen: Für sie sind die Palästinenser keine ‚dreckigen Araber‘.
1959, als ihr Sohn sechs ist, fängt sie an, Jura zu studieren, 1965 wird sie Anwältin – ‚um zu helfen‘. Wem will sie helfen? Den Ärmsten der Armen in Israel, den vertriebenen, gefolterten und ermordeten palästinensischen Männern, Frauen und Kindern ... Sie, eine Frau allein, stellt sich gegen den Terror der Politik der Eisernen Faust: Die junge Anwältin holt die Gefolterten aus den Gefängnissen, kämpft mit den Familien in den zerstörten Häusern um das Recht auf Verbleib und informiert weltweit die Öffentlichkeit ... Felicia Langer ... will nicht mithassen, sondern ‚mitlieben‘, wie Antigone.“


Quelle: Ankündigung des Lamuv-Verlags; www.lamuv.de

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