Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Wenn die Hefe fehlt

Warum der NSU-Prozess in München läuft, wie er läuft und das BKA nicht sehr glaubwürdig ist

Von René Heilig, München *

Die Wahrheit ist ein seltenes Gut. Auch vor dem Münchner Gericht, das die individuelle Schuld von Mitgliedern und Helfern der Naziterrortruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) feststellen soll.

Egal zu welcher Tages- oder Jahreszeit man zum Münchner Justizgebäude in der Nymphenburgerstraße läuft – es riecht nach Malz. Der Grund ist simpel, schräg gegenüber dem streng bewachten Gerichtseingang befindet sich die Löwenbräu AG. Durch große Fenster sieht man große kupferne Sudbottiche.

Um ein gutes Bier zu brauen, nimmt man Gerste, wahlweise Weizen, dazu Wasser. Nach erprobten Rezepten läutert man das Ausgangsgemisch, kocht und kühlt es. Zu guter Letzt gibt man Hefe hinzu. Die lässt alles zu dem reifen, was nicht nur in München und Umgebung wie ein Grundnahrungsmittel behandelt. Doch wehe, die Hefe fehlt!

So ähnlich ist das beim Prozess gegen Beate Zschäpe, die Frau aus der sogenannten Zwickauer NSU-Zelle, und vier weitere als Helfer der Neonazi-Terrorbande Angeklagte. Seit fast 77 Tagen wird gegen sie verhandelt. Zu neuen Erkenntnissen über das rassistische Wüten der rechtsextremistischen Terrorbande ist man dennoch kaum gelangt. Es fehlt »Hefe«.

In dieser Sitzungswoche versuchten ein paar Rechtsanwälte der Nebenkläger ein paar Krümel in den Verhandlungssaal zu werfen. Doch noch bevor die wirklich echte Blasen schlagen konnten im Einerlei von bekannten Zeugenaussagen und Ermittlungsergebnissen, beendete der Vorsitzende Richter Manfred Götzl den möglichen Gärprozess. Fragen von Walter Martinek, der den beim Heilbronner Anschlag 2007 schwer verletzten Polizisten Martin Arnold vertritt, führten bei Götzl schon zu Stirnrunzeln. Doch als dann Opferanwalt Yavuz Narin tiefer in Bewertungen des Bundeskriminalamtes zur Neonaziszene eindringen wollte, gefiel dem Vorsitzenden »die Art und Weise nicht«, in der er die Fragen stellte. »Sie erklären immer etwas!«

Etwas erklären scheint notwendig, angesichts der offenkundigen Schlampigkeit der Ermittlungen. Man fragt sich, wie gerade das Bundeskriminalamt (BKA) das Versprechen der Kanzlerin zur vollständigen Aufklärung der beispiellosen Mordserie, das sie den Hinterblieben der zehn Todesopfer und den Dutzenden Verletzten gegeben hat, einlösen will?

Am Mittwochabend wurde ein junger BKA-Ermittler als Zeuge aufgerufen, der die wesentlichen Erkenntnisse seiner Behörde zum NSU-Mord an der Polizeimeisterin Michèle Kiesewetter zusammenfassen sollte. Laut Anklage haben Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos Kiesewetter und ihrem Streifenkollegen Arnold hinterrücks in die Köpfe geschossen, als die am frühen Nachmittag des 24. April 2007 auf der Heilbonner Theresienwiese im Schatten eines Trafohäuschens Pause machten.

Der Kriminalist aus Meckenheim begann seinen Bericht höchst eloquent – um in einem Desaster zu enden. Aus dem rettete ihn der Vorsitzende nur noch durch Vertagung. Eine Woche hat das BKA nun Zeit, seinen Zeugen gründlich zu briefen.

Angeblich haben die Ermittler des BKA und anderer Dienststellen auf der Suche nach den Mördern das Umfeld der 25-jährigen Polizistin gründlich aufgehellt. Sie stammt aus dem thüringischen Oberweisbach und tat Dienst bei der Bereitschaftspolizei im baden-württembergischen Böblingen. Sie hatte sich in ihren letzten Dienst am 25. April in Heilbronn hineingetauscht. Zuvor, vom 19. bis 21. April, hatte Kiesewetter Urlaub gehabt, war in der Heimat gewesen und hatte ihrer Mutter zum Geburtstag gratuliert.

War da etwas vorgefallen, das ihren Tod erklärt? Nein, sagte der BKA-Beamte. Dass Einheimische von »Oberbraunbach« sprechen, weil der Ort von Neonazis heimgesucht wird, hat der Ermittler nie gehört. Er hat von der Gaststätte »Zur Bergbahn« in Lichtenhain, das ist ein paar Gehminuten von Oberweisbach entfernt, gehört. In der trafen sich noch 2006 über hundert Nazikameraden und NPD-Mitglieder. Der Wirt ist der Schwager des in München als NSU-Helfer angeklagten Ralf Wohlleben und er kannte die drei untergetauchten Neonazis aus Jena. Er hatte sogar mal etwas mit Beate Zschäpe.

Doch er sagte – wie der BKA-Ermittler einen Bericht anderer wiedergab – »glaubwürdig« aus, dass weder Mundlos noch Böhnhardt oder Zschäpe seit ihrem Verschwinden 1998 jemals in seiner Kneipe waren. Auch sein Kellner, gleichfalls ein ehemaliger Neonazi, bestätigte das. Na also! Hat die Polizei Kneipengänger oder andere Einwohner des Ortes befragt? Nein. Nur eine alte Freundin von Kiesewetter, die nichts mitzuteilen wusste, das dem BKA neue Ermittlungsansätze geboten hätte.

Wenn in der Thüringer Heimat alles in Ordnung war, vielleicht finden sich Mordmotive und mögliche Täter, wenn man die Polizeieinsätze durchleuchtet, an denen Kiesewetter teilgenommen hat. Da war nichts, wusste der BKA-Zeuge. Seltsam, er behauptete zugleich, dass es sich für ihn nicht mehr ergründen ließ, an welchen Einsätzen die Bereitschaftspolizistin überhaupt teilgenommen hatte. Nur dass es 199 waren, sei bekannt.

Der »Ermittler« irrt. Zumindest für das Jahr 2006 lässt sich jeder Einsatz samt Einsatzzweck aus den Akten der Heilbronner Sonderkommission »Parkplatz« ablesen. Wie kommt es, dass Journalisten das recherchieren können und der BKA-Zeuge nicht? Eigentlich hätte der Zeuge auf gleicher Wissensebene sein müssen, schließlich behauptete er, die »Altakten«, also jene, die bis Ende März 2012 angefallen sind, gründlich ausgewertet und zusammengefasst zu haben. Wieso eigentlich nur die? Weil sich aus dem, was seither die Stuttgarter LKA-Kommission »Umfeld« ermittelt hat, keine unmittelbaren Berührungspunkte ergeben hätten, sagt der Zeuge. Woher weiß er das, wo er doch die »Umfeld«-Ermittlungsergebnisse gar nicht kennt?

Verheerend sind auch die vor dem Prozess ausgebreiteten BKA-Erkenntnisse über die Mitgliedschaft von Böblinger Bereitschaftspolizisten bei der regionalen Rassistenbande »European White Knights«, einem Ableger des Ku-Klux-Klans. Kiesewetters Gruppenführer, der auch am 25. April den Einsatz in Heilbonn leitete, gehörte dazu.

Während der KKK-Anführer Achim Schmid, ein V-Mann des Landesverfassungsschutzes, tönte, er könne eine ganze Polizeiabteilung aufmachen, begnügte sich das BKA mit der Auskunft der Verfassungsschützer, nur zwei Polizisten hätten mitgemacht. Und weil auch der vom Verfassungsschutz bezahlte Anführer Schmid das behauptete und zudem meinte, dass der Verein sich aufgelöst habe, noch bevor Kiesewetter in Böblingen die Uniform anzog, klang wieder einmal alles »glaubwürdig«. Kennt das BKA wirklich nicht die sächsischen Ermittlungsergebnisse – Codename »Terzett« –, in der Schmids Kontakte nach Sachsen niedergelegt sind? Warum sagen dem BKA-Zeugen die Namen »Manole« Marschner und Marcel Degner nichts? Degner, alias Riese, war einer der führenden Blood&Honour-Neonazis im Osten und gesamtdeutscher Kassenwart der seit dem Jahr 2000 verbotenen Organisation. Zudem kassierte er als Thüringer Geheimdienst-V-Mann. Über Marschner und Degner sowie ihre Verbindungen nach Süddeutschland und in die Schweiz hätte der Kriminalist sich ganz einfach kundig machen können – er hätte nur den Bericht des Bundestagsuntersuchungsausschusses lesen müssen.

Zudem hätten Klan und NSU nichts miteinander zu tun gehabt. Sagt Schmid, der es besser wissen müsste. Das sagt aber auch Klanaktivist Thomas Richter, der eigentlich nur auf der 1998 in Jena gefundenen sogenannten NSU-Garagenliste stand, weil er Neonazi-Werbemittel vertrieb. So Richter, der in Ostdeutschland lebt und einst V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz war.

Das BKA hat sich auch nicht mit der Aussage von Kiesewetters Onkel befasst. Der ist selbst Kriminalpolizist. In Thüringen. Er meinte unmittelbar nach dem Mord an seiner Nichte ziemlich konkret, der Überfall deute auf Neonazis hin. Dass die damalige Lebensgefährtin des Onkels, gleichfalls Polizistin, damals schon rechtsaußen dachte und nun als ehemalige Polizistin mit einem bekannten Rechtsextremisten verheiratet ist, brachte das BKA nach Aussage des abgesandten Zeugen gleichfalls nicht zum Nachdenken.

In dieser Woche bestand die Chance, dass das Gericht sich wichtigen Erkenntnissen nähert. Die zunehmenden Beanstandungen von Fragen der Nebenkläger durch die Verteidigung von Zschäpe lassen vermuten, dass man auf guten Wege war – bis der Vorsitzende die Einvernahme des BKA-Zeugen unterbrach. Fortsetzung in einer Woche.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 24. Januar 2014


»Nicht geahnt, dass es so schlimm ist«

Vater von Uwe Böhnhardt sagte vor OLG München aus **

Jürgen Böhnhardt, der Vater des mutmaßlichen Neonazi-Terroristen Uwe Böhnhardt, ist 69 Jahre alt. So wie er gestern hinter dem Zeugentisch saß, wirkt er um einiges älter, kraftlos und ehrlich betroffen. Seine Frau hatte bereits vor Wochen an dieser Stelle gesessen und weitaus energischer gewirkt.

Wie sie beschrieb Jürgen Böhnhardt, wie der jüngste Sohn den Eltern immer mehr entglitt. Uwe schwänzte, knackte Autos, wurde mehrfach verurteilt. Keiner wollte ein Problemkind haben, klagte der Vater. Später absolvierte Uwe eine Maurerlehre, fand aber nur kurzfristig Arbeit. Die Polizei erschien zu Hausdurchsuchungen, fand Dinge, die der Zeuge selbst nicht als Waffen bewerten würde. Sein Sohn musste ins Gefängnis: Er sei verändert wiedergekommen, härter, wollte sich nie wieder etwas gefallen lassen.

Voller Staunen habe der Vater Bilder betrachtet, die die Polizei ihm zeigte: sein Sohn auf Nazidemos in Uniform, Bomberjacke und Springerstiefeln. Derartiges, »das ihn als Rechten auswies«, sei daheim nicht zugelassen gewesen. »Wir haben nicht geahnt, dass es so schlimm ist.«

Die Böhnhardts schöpften Hoffnung, als ihr Sohn sich mit Beate Zschäpe und Uwe Mundlos anfreundete. Sein Uwe und Beate waren »ein nettes Pärchen. Wir haben gedacht, dass es nun besser wird.« Beate sei eine nette, freundliche, junge Frau gewesen. Nicht zu fein, im Haushalt anzupacken. Sie wollte auch lernen, »was eine Frau so können muss«. Fragende Blicke beantwortete er sogleich mit »backen und kochen ...«

Jürgen Böhnhardt beschrieb auch, wie er vom Tod der beiden Uwes erfahren hat. Am 5. November 2011 hatte Beate Zschäpe bei Familie Böhnhardt angerufen und vom Tod der NSU-Mitglieder in Eisenach berichtet.

In dem Zusammenhang wandte sich Vater Böhnhardt an alle, »die Opfer geworden sind von den beiden Uwes«. Es tue ihm »unendlich leid«. Er könne sich gut hineinversetzen in die Situation der Opferangehörigen. Schließlich sei auch sein Sohn Uwe erschossen worden. Natürlich sei es unentschuldbar, was sein Sohn getan haben soll. Doch er wisse auch, wie es ist, einen Sohn zu verlieren, seit kurz vor der Wende Uwes Bruder Peter, damals 16 Jahre alt, tot aufgefunden worden war. Bis heute sind die Todesumstände ungeklärt. Jürgen Böhnhardt war dem Gericht dankbar, dass er und seine Frau nicht belangt wurden, weil sie sich nach dem Untertauchen von Uwe möglicherweise falsch verhalten hätten. hei

** Aus: neues deutschland, Freitag, 24. Januar 2014


Gutachten mit links – ohne links

Nach bestem Wissen und Gewissen hat Professor Heinz-Dieter Wehner aus Tübingen ein Gutachten verfasst, in dem er den Mord an der Polizistin Kiesewetter und den Mordversuch an ihrem Kollegen Arnold rekonstruierte. Er berechnete mit Hilfe von zahlreichen Daten die Stellung und Größe der Schützen.

Die NSU-Terroristen Mundlos und Böhnhardt werden für die Taten verantwortlich gemacht. Und die beiden Neonazis passen eigentlich in die Bilder, die der Gutachter per Computer zeichnete. Bis auf eines: Bei Wehner, der es nicht besser wusste, hatte der Linkshänder Böhnhardt die Mordwaffe in der rechten Hand.

Auch die Jogginghose von Mundlos, auf der man vier Jahre nach der Tat Blutspritzer von Kiesewetter entdeckte, gibt weiter Rätsel auf. Schuld daran ist die Position der feinstaubigen Spritzspuren. Sie sind, so der Gerichtsgutachter, nur bedingt kompatibel zum vermuteten Tathergang auf der Heilbronner Theresienwiese. Glaubt man der Aussage eines Bahnarbeiters, der kurz vor dem Mord zwei durchtrainierte Radfahrer nahe dem Tatort sah, so hatte keiner der beiden eine Jogginghose an. hei




"Ohne Verharmlosung"

NSU-Prozeß. Vater des Neonazis Uwe Böhnhardt dankt Familien der Opfer für den Verzicht auf Rache. Nebenklage sieht »geglättete Ermittlungen«

Von Claudia Wangerin ***


Jürgen Böhnhardt drückte sich ungelenk aus – der Vater eines der mutmaßlichen Haupttäter wirkte auf Prozeßbeobachter traurig und gebrochen, als er am Donnerstag im NSU-Verfahren vor dem Oberlandesgericht München als Zeuge gehört wurde. Er wolle persönlich sagen, »daß mir das unendlich leid tut, was da passiert ist«. Er wolle sein Beileid ausdrücken »den Leuten, die Opfer geworden sind von den Uwes«, zitierte die Nachrichtenagentur dpa den 69jährigen. Sein Sohn Uwe Böhnhardt soll mit Uwe Mundlos und der heutigen Hauptangeklagten Beate Zschäpe die Terrorgruppe »Nationalsozialistischer Untergrund« gegründet haben, die 13 Jahre ohne Fahndungsdruck töten konnte, bevor die beiden Männer nach einem Banküberfall im November 2011 mutmaßlich Selbstmord begingen. Zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge und mehrere Raubüberfälle, bei denen Böhnhardt und Mundlos die ausführenden Täter waren, werden dem Trio in der Anklageschrift zugeordnet. Hinweise auf einen weiteren Anschlag mit einem Verletzten lieferte der als Helfer angeklagte Carsten S. während der Hauptverhandlung.

Böhnhardts Vater sagte am Donnerstag vor Gericht, er selbst habe den Ernst der Lage nicht erkannt, als sein Sohn sich in der Thüringer Neonaziszene radikalisierte habe. Mit Blick auf die Vielzahl von Trauernden und Verletzten sagte der Vater des mutmaßlichen NSU-Killers, er wolle sich bedanken, daß niemand Selbstjustiz geübt oder damit gedroht habe, daß er von niemandem beschimpft oder erpreßt worden sei. »Da muß ich Ihnen eigentlich dankbar sein.«

Er könne sich in die Opferfamilien »reinversetzen«. Sein älterer Sohn Peter sei auch zu Tode gekommen und man habe nie erfahren, wie er gestorben sei. Sein Sohn Uwe habe dumme und bösartige Sachen gemacht. »Das ist ja schon gemeingefährlich, was sie gemacht haben.« Aber Uwe sei ebenfalls tot.

Jürgen Böhnhardt sagte, seine Frau und er hätten nach dem Untertauchen des Trios 1998 noch mehrfach Kontakt zu »den Uwes« und Beate Zschäpe gehabt – zunächst telefonisch, dann habe das Ehepaar sie dreimal in Chemnitz getroffen, immer mit der klaren Forderung, sie sollten sich stellen – und ohne etwas von Mordplänen zu ahnen. Dies hatte auch Brigitte Böhnhardt in ihrer Zeugenaussage Ende letzten Jahres versichert.

Die Zeugenaussage von Jürgen Böhnhardt stand nach übereinstimmenden Berichten deutlich im Kontrast zu der des Vaters von Uwe Mundlos. Dieser hatte im Dezember nicht nur den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl provoziert, indem er im Zeugenstand Brotzeit machte und zur Beschimpfung des Richters als »kleiner Klugsch …« ansetzte. Siegfried Mundlos hatte auch wiederholt schwere Vorwürfe gegen die Sicherheitsbehörden erhoben, da sein Sohn und dessen Freunde schon kurz nach ihrem Untertauchen hätten festgenommen werden können.

Diesen und ähnliche Vorwürfe erheben auch mehrere Anwälte von Nebenklägern, darunter Rechtsanwalt Alexander Hoffmann, der eine Verletzte des rassistischen Kölner Nagelbombenanschlags im Jahr 2004 vertritt. Er sah jedoch bei Siegfried Mundlos und Brigitte Böhnhardt die Tendenz, die Schuld für die Entwicklung ihrer Söhne auf Dritte zu schieben. Nicht so bei Jürgen Böhnhardt: »Seine Entschuldigung ist die erste in diesem Prozeß, die ganz gerade heraus und ohne jede Verharmlosung erfolgte«, befand Hoffmann im Anschluß.

Dabei will der Nebenklageanwalt die Behörden nicht aus der Verantwortung entlassen. Am Mittwoch abend sprach Hoffmann in einer Pressemitteilung von »geglätteten Ermittlungen«, nachdem vor dem Münchner Gericht erneut Zeugen zum Mundlos und Böhnhardt angelasteten Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 in Heilbronn gehört worden waren. »Wie eine Beweisaufnahme aussieht, wenn vom BKA bis zum Gericht alle staatlichen Beteiligten versuchen, Widersprüche unter den Tisch zu kehren, zeigt der heutige Verhandlungstag zum Mord in Heilbronn«, so Hoffmann am Mittwoch. Ein Ermittler des Bundes­kriminalamts habe sich im Zeugenstand »zunächst nur rudimentär« an die Aussage von Kiesewetters Onkel, einem Thüringer Staatsschutzpolizisten erinnern wollen, der von sich aus vor der Aufdeckung des NSU eine Verbindung zwischen dem Mord an seiner Nichte und den »Türkenmorden« hergestellt hatte.

*** Aus: junge Welt, Freitag, 24. Januar 2014


Zurück zum NSU-Prozess

Zum NSU-Prozess (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage