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"Bürgerlich" fremdenfeindlich

Rechtspopulisten und Neonazis mobilisieren in mehreren Städten zu Aufmärschen

Von Susan Bonath *

In wenigen Wochen wuchs in Dresden die Zahl der Demonstranten, die den montäglichen Aufrufen einer Initiative gegen die herbeifabulierte »Islamisierung des Abendlandes« folgten, auf bis zu 7.500 Menschen an. Ein Bündnis aus Initiativen und Parteien will kommenden Montag mit einem Sternmarsch unter dem Motto »Dresden für alle« dagegenhalten. Zu den Aufrufern gehören auch das Islamische Zentrum, die Jüdische Gemeinde, christliche Kirchen und das Bündnis »Dresden nazifrei«. Blockaden, mit denen die PEGIDA-Demonstranten am vergangenen Montag gestoppt wurden, planen sie diesmal nicht.

So sind am Montag abend sechs antifaschistische Demonstrationszüge in Dresden vorgesehen. Vom Bahnhof Neustadt soll es um 16:30 Uhr losgehen, vom Dresdner Zoo und vom Fritz-Förster-Platz ab 17 Uhr. Die anderen Routen starten um 18 Uhr an der Dresdner Synagoge, der Annenkirche und am Bahnhof Mitte. Zusammentreffen wollen sie gegen 19 Uhr vor dem Rathaus am Denkmal der Trümmerfrau. »Wir wollen zeigen, dass wir für ein Dresden stehen, das Raum für alle gibt, unabhängig von ihrer Herkunft, religiösen Weltanschauung, ihrem Geschlecht oder ihrer sexuellen Orientierung«, heißt es im Aufruf. PEGIDA verbreite ein diffuses Angstbild und fokussiere es auf Menschen, die nicht in deren Weltbild passten, kritisieren sie.

In Kassel mobilisiert der PEGIDA-Ableger KAGIDA (Kassel gegen die Islamisierung des Abendlandes) für Montag zu einem Marsch »gegen Glaubenskriege auf deutschem Boden«. Vorige Woche bekam die Gruppe laut Polizei nur etwa 80 Teilnehmer zusammen. Dem Aufruf gefolgt waren lokalen Medienberichten zufolge einige NPD-Funktionäre, darunter der hessische Landesorganisationsleiter Stefan Jagsch, der nach Angaben der Frankfurter Rundschau bis Juni dieses Jahres in einem Jobcenter gearbeitet hatte, und Hessens NPD-Geschäftsführer Daniel Lachmann. Auch Anhänger der braunen Kameradschaft »Freie Kräfte Schwalm-Eder« (FKSE) und Leute aus der Hooligan-Szene seien gesichtet worden. Der Aufmarsch wurde von 500 Gegnern verhindert. Erstmals kündigt ein weiterer Ableger DÜGIDA für Montag eine islamfeindliche Demonstration in Düsseldorf an.

PEGIDA gibt sich bürgernah, »bangt« propagandistisch »um die Zukunft unserer deutschen Kinder«. Schuld an sozialen Missständen sei nicht etwa das Profitgeschacher im kapitalistischen Ausbeutungssystem. Die Übeltäter seien vielmehr die Flüchtlinge, allen voran Muslime. Auf diesen Zug sind nicht nur NPD-Verbände aufgesprungen. Auch die rechten Initiativen »Chemnitz wehrt sich« und »Chemnitz stellt sich quer - Nein zur Asylerstaufnahme«, die zusammen virtuell knapp 10.000 Anhänger vereinen, bewerben PEGIDA als »Volksfront«. Für den gestrigen Freitag abend hatten sie zu einem Aufmarsch in Chemnitz gegen das dortige Flüchtlingsheim aufgerufen.

Im sächsischen Schneeberg trommelt weiterhin der NPD-Funktionär Stefan Hartung als Kopf der »Initiative Schneeberg wehrt sich« für rassistische Fackelläufe »gegen die Ansiedlung krimineller Asylbetrüger«. Am letzten Sonnabend konnte er immerhin rund 750 Personen in der Kleinstadt im Erzgebirge zusammenbringen. Seine »Lichtelläufe« sind eine Neuauflage vom Vorjahr. Vom Herbst 2013 bis Januar 2014 waren ihm bis zu 1.800 Menschen gefolgt.

In Berlin-Marzahn ruft unterdessen ein breites Bündnis dazu auf, einem am Montag zum sechsten Mal in Folge geplanten Aufmarsch von Neonazis und deren Anhängern entgegenzutreten. Vor einer Woche hatten dort rund 500 Rechte und Mitläufer gegen ein geplantes Containerlager für Flüchtlinge an der Landsberger Allee protestiert. Gegendemonstranten berichteten, dass von diesen auch Gewalt angedroht worden sei.

* Aus: junge Welt, Samstag, 6. Dezember 2014


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