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Der Wettlauf um fruchtbaren Boden

Auch arabische Staaten versuchen vermehrt, ihre Ernährungslage durch Landnahmen im Ausland zu verbessern

Von Mona Alami, Beirut *

Arabische Staaten bemühen sich seit den Hungerrevolten 2008 zunehmend um den Erwerb von Ackerland auf der ganzen Welt, um dort Nahrung für den Eigenbedarf zu produzieren.

Die arabische Welt hat aus den Brotrevolten der vergangenen Jahre eine wichtige Lehre gezogen: dass nämlich politische Stabilität nicht ohne Ernährungssicherheit zu haben ist. Die Erkenntnis hat jedoch eine Zunahme der Landnahmen oder Land Grabs in Drittländern bewirkt, die wiederum die Existenz von Indigenen und Kleinbauern bedroht. Nach Angaben der Weltbank wurden im Jahr 2011 weltweit etwa 80 Millionen Hektar Agrarflächen von ausländischen Staaten erworben.

Zwischen 2007 und 2008 löste die Verteuerung der Nahrungsmittel in Ägypten und Marokko massive Proteste aus. »Dadurch sahen sich die arabischen Länder veranlasst, sich Gedanken darüber zu machen, wie sie den steigenden Nahrungsmittelbedarf ihrer Bevölkerungen decken können«, meint Devlin Kuyek von GRAIN. Die Organisation unterstützt Kleinbauern und soziale Bewegungen in dem Bestreben, kommunal kontrollierte und biodiversitätsbetonte Nahrungssysteme zu schaffen.

Der Anstieg der internationalen Nahrungsmittelpreise wird durch verschiedene Faktoren wie Bevölkerungs- und Städtewachstum, dem Rückgang der Trinkwasserquellen, einer verstärkten Nachfrage nach Rohstoffen und Biotreibstoffen sowie Spekulationsgeschäften mit Agrarland verursacht. Angesichts dieser Gefahren bemühen sich die arabischen Länder zunehmend darum, Farmland in anderen Staaten zu erwerben. Dies geschieht meist in Form von Pachtverträgen über eine Laufzeit von 25 bis 99 Jahren.

Laut GRAIN sind die Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) nach dem derzeitigen Stand zu zwölf Prozent an diesen weltweiten Deals beteiligt. Ägypten folgt mit sechs Prozent und Saudi-Arabien mit vier Prozent. »Dennoch ist es schwierig, den gesamten Umfang des Land Grabs zu beziffern, da sich viele Verträge noch in der Verhandlungsphase befinden und meist schwer zu durchschauen sind«, sagt Sarwat Hussain von der Weltbank.

Regierungen mehrerer Mitgliedsstaaten der Golf-Kooperationsrats (GCC) – Bahrain, Kuwait, Oman, Katar, Saudi-Arabien und die VAE – wollen ihre Bürger durch gezielte Maßnahmen dazu bewegen, in die Nahrungsproduktion im Ausland zu investieren, um die Versorgung im eigenen Land zu stabilisieren. Die Regierungen haben dazu unter anderem Investitionssubventionen und -garantien eingeführt sowie Staatsfonds eingerichtet, die sich auf den Agrarsektor konzentrieren.

Regierungen handeln häufig über Staatsfonds die Bedingungen für den Erwerb oder die Pacht von Agrarland aus. Nach Angaben von GRAIN hat die äthiopische Regierung entsprechende Verträge mit Investoren aus Saudi-Arabien, Indien und China geschlossen. Ausländische Investoren kontrollieren inzwischen die Hälfte des urbaren Landes der äthiopischen Region Gambela.

Einflussreiche saudi-arabische Geschäftsleute schließen Verträge in Senegal, in Mali und in anderen Staaten ab, die ihnen die Kontrolle über Hunderttausende Hektar der ertragreichsten Gebiete gewähren. »Die saudi-arabische Firma Al-Amoudi hat Zehntausende Hektar Land im Südwesten Äthiopien erworben, um von dort aus Reis zu exportieren«, berichtet Kuyek.

Diese Landnahmen führen zur Vertreibung indigener Völker und Kleinbauern. »Die Menschen sind besorgt über den Ausverkauf ihrer lokalen Ressourcen«, sagt Kuyek. Aus diesem Grund sind auf lokaler Ebene Gruppen entstanden, die gegen die von ihren Regierungen ausgehandelten Landverkäufe protestieren. Für die Betroffenen wird es immer schwieriger werden, sich erfolgreich zur Wehr zu setzen, zumal sich die Ernährungssicherheit vielerorts zu einer Frage des politischen Überlebens entwickelt hat. IPS

* Aus: neues deutschland, Dienstag 5. August 2014


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