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Militarisierung schreitet voran

Kritik an Bundeswehr auf Hessentag

Von Michael Schulze von Glaßer, Stadtallendorf *

Auf dem Hessentag sind sowohl die werbende Bundeswehr als auch Antimilitaristen präsent. Die Friedensaktivisten wenden sich gegen die geplante Kooperationsvereinbarung zwischen dem hessischen Kultusministerium und der Bundeswehr.

Sie hatten wohl damit gerechnet. Mehrere Polizisten und Feldjäger patrouillierten am Samstag vor dem Stand der Bundeswehr auf dem diesjährigen Hessentag. Eine antimilitaristische Aktion konnten sie dennoch nicht verhindern. Mit einem Transparent postierten sich einige Friedensaktivisten vor dem »KarriereTreff« der Bundeswehr, Sattelschlepper und Zelte, in denen die Armee versucht Nachwuchs zu rekrutieren. »Es geht darum ein Zeichen gegen Militarisierung zu setzen«, erklärte ein Aktivist.

Auf dem bis zum 6. Juni dauernden Hessentag in Stadtallendorf nahe Marburg ist die Bundeswehr gleich an zwei Standorten vertreten. Auf dem »Platz der Bundeswehr« im Zentrum der 21 000 Einwohner zählenden Stadt wirbt sie mit bunten Werbeständen. Am Stadtrand sollen Panzer und anderes militärisches Großgerät die Menschen zur Armee locken. Auf Flugblättern forderten die Friedensaktivsten ein Ende des Afghanistan-Einsatzes. In Sprechchören verlangten sie ein Ende der Bundeswehr-Einsätze an Schulen. Diese werden in Zukunft wohl noch zunehmen

Anfang des Jahres kündigte das hessische Kultusministerium an, eine Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr abschließen zu wollen. So soll den rhetorisch und didaktisch geschulten Jugendoffizieren der Bundeswehr der Zugang in die Schulen noch einfacher gemacht werden. Zudem wird in der Vereinbarung voraussichtlich die Ausbildung von Lehrkräften durch die Armee festgeschrieben. Dies umfassen zumindest die in anderen Bundesländern unterzeichneten Vereinbarungen. Im Oktober 2008 wurde die bundesweit erste Kooperationsvereinbarung zwischen der Bundeswehr und dem Landesschulministerium in Nordrhein-Westfalen geschlossen, es folgten Verträge im Saarland, in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. 2009 erreichten die 94 hauptamtlichen und 300 nebenamtlichen Jugendoffiziere bei über 4 400 Veranstaltungen mehr als 115 000 Menschen - vor allem Kinder und Jugendliche. Gegenüber den Vorjahren, in denen sie auf bis zu 130 000 Schüler trafen, ein Rückgang, der allerdings lediglich darauf zurückzuführen ist, dass nicht alle Dienstposten der Jugendoffiziere besetzt waren. Die Ausbildungsarbeit von Referendaren haben die Jugendoffiziere hingegen seit 2005 erheblich ausgebaut. 2005 wurden fünf Veranstaltungen mit 103 Teilnehmern durchgeführt, im vergangenen Jahr nahmen bereits 1 073 Nachwuchslehrkräfte an 27 Veranstaltungen teil. Zusätzlich haben sich über 3 200 Lehrkräfte durch Jugendoffiziere aus- und fortbilden lassen. Auch Wehrdienstberater waren 2009 an Schulen aktiv: bei rund 12 600 Veranstaltungen wurden mehr als 280 000 junge Menschen erreicht.

Das Schulministerium und die Armee in Hessen müssen sich mit Kritikern auseinandersetzen: »Wir werden sehr genau beobachten, ob die Bundeswehr objektiv informiert oder manipulativ die Gefahren eines Soldatenlebens kaschiert«, so Omar El Manfalouty von der Landesschülervertretung. Auch Linkspartei und SPD kritisieren die geplante Vertragsunterzeichnung. In der evangelischen Kirche gibt es ebenfalls starke Vorbehalte gegen die breite Präsenz der Bundeswehr in Schulen.

Auch in Mecklenburg-Vorpommern ist die Unterzeichnung einer Kooperationsvereinbarung für den 3. Juni geplant. Die Vertragsunterzeichnung soll im Festsaal des Schweriner-Schlosses stattfinden.

In Stadtallendorf sind für Donnerstag sind weitere antimilitaristische Aktionen angekündigt.

* Aus: Neues Deutschland, 31. Mai 2010


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