Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Bundeswehr hat in Schulen überhaupt nichts zu suchen"

In NRW weigern sich SPD und Grüne, das Kooperationsabkommen mit der Bundeswehr aufzukündigen. Gespräch mit Jasper Prigge *


Jasper Prigge aus Nordrhein-Westfalen ist Bundessprecher der Linksjugend [’solid].

SPD und Grüne haben vergangene Woche im Schulausschuß des Landtags von Nordrhein-Westfalen dem Antrag der Linksfraktion nicht zugestimmt, das Kooperationsabkommen des Schulministeriums mit der Bundeswehr aufzukündigen. Wie haben die beiden Parteien das begründet?

CDU und FDP waren naturgemäß für diese Kooperationsvereinbarung – sie wurde ja von der von beiden Parteien vormals gestellten Landesregierung beschlossen. SPD und Grüne haben sich dem einfach angeschlossen.

Sie argumentieren, die Bundeswehr gehöre in die Schule, damit sich Schülerinnen und Schüler über authentische Positionen informieren könnten. Letztlich waren alle – außer der Linkspartei! – dafür, am Kooperationsvertrag festzuhalten und damit die Bundeswehrwerbung an Schulen fortzusetzen. SPD und Grüne wollen den Vertrag lediglich dahingehend überarbeiten, daß den Jugendoffizieren Vertreter von Friedensorganisationen zur Seite gestellt werden. Das funktioniert schon deshalb nicht, weil Bundeswehroffiziere hochbezahlt und bestens ausgebildet sind – während Friedensaktivisten ehrenamtlich und unentgeltlich arbeiten.

Und wie stellen SPD und Grüne sich das konkret vor?

Das Land NRW will Friedensorganisationen 30000 Euro zur Verfügung stellen. Wenn deren Vertreter aber an Schulen aufträten, würden sie damit die Bundeswehr-Reklame legitimieren. Für uns ist klar: Die Bundeswehr hat in Schulen überhaupt nichts zu suchen! Schließlich lädt man auch keine Nazis ein, im Unterricht mit Antifaschisten zu diskutieren.

Und wie kritisch die eingeladenen Organisationen wären, ist auch fraglich – denn die Landtagsmehrheit würde sich mit Verweis auf »extremistische« und »militante« Friedensgruppen sehr genau aussuchen, wer ins Klassenzimmer gehen darf. Das paßt ja auch zur Strategie von CDU und FDP auf Bundesebene, linke Gruppen als extremistisch zu bezeichnen, um ihnen die Fördermittel zu kürzen.

Welche Gründe sind bei SPD und Grünen zu vermuten, den Schülern diese Bundeswehrschulungen zuzumuten?

Wir gehen davon aus, daß die rot-grüne Minderheitsregierung zum einen das Thema nicht ernst nimmt und zum anderen aus strategischen Gründen so entscheidet. Nachdem das Bundesverfassungsgericht den Landeshaushalt gekippt hat, ist sie angeschlagen und will sich auch keine weiteren Auseinandersetzungen leisten. Aus unserer Sicht verhindert sie so allerdings fortschrittliche Politik.

Wie nehmen die Jungsozialisten, also die Jugendorganisation der SPD und die Basis der Grünen, diese Entscheidung wahr?

Innerhalb der beiden Parteien sehe ich nicht, daß darüber diskutiert wird; SPD und Grüne machen gar nicht bekannt, daß sie den Antrag der Linksfraktion abgelehnt haben. Sicherlich fürchten sie, daß ihre Basis das kritisch sieht. Schließlich gibt es auch in der Bevölkerung keine Zustimmung für eine Militarisierung an Schulen.

Die Linke argumentiert, das Abkommen müsse gekündigt werden, weil es gegen geltendes Schulrecht verstoße ...

Schulen haben eine Neutralitätspflicht gegenüber politischen Kräften – die Bundeswehr wirbt hier aber für die Politik der schwarz-gelben Regierungskoalition, die Kriege in aller Welt führen will.

Was läuft bei solchen Auftritten von Bundeswehroffizieren ab?

Indoktrination, Planspiele. Ein wichtiger Teil der Bundeswehr-Werbung ist »Karriere mit Zukunft«. Sie soll speziell Jugendliche ansprechen, die Angst haben, keinen Job zu bekommen. Nach der Aussetzung der Wehrpflicht will man so künftige Personalprobleme lösen.

Gibt es an den Schulen Widerstand, nachdem diese Entscheidung von SPD und Grünen bekannt wurde?

In NRW hat sich vor einem Monat das Netzwerk »Schule ohne Bundeswehr« gegründet, bei dem unter anderem die Landesschülerinnenvertretung, die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) NRW, die Kölner Initiative »Bundeswehr wegtreten«, die Junge GEW sowie die DGB Jugend NRW und antifaschistische Initiativen mitwirken. Wir wollen Schülervertretungen, Lehrer und Schulleitungen an den einzelnen Schulen mobilisieren, Auftritte der Bundeswehr abzusagen.

* www.lsvnrw.de/

Interview: Gitta Düperthal

* Aus: junge Welt, 22. März 2011


Zurück zur Seite "Schule und Bundeswehr"

Zurück zur Homepage