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Truppe im Stadion

Auf der Suche nach Rekruten: Die Bundeswehr nutzt Fußballvereine als Werbeträger. Effekt der Militärreklame ist allerdings geringer als erhofft

Von Ulla Jelpke *

Auf der Suche nach neuen Rekruten drängt die Bundeswehr massiv in die Sportstadien. Manche Fußballvereine verdienen daran nicht schlecht: 127000 Euro hat etwa Hertha BSC Berlin im vergangenen Jahr für seine Kooperationsbereitschaft erhalten. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion hervor, die jW vorliegt.

268000 Euro ließ sich die Bundeswehr im Vorjahr die Werbemöglichkeiten in Stadien kosten. An die Stelle des Hertha-Vertrages trat jetzt ein Kooperationsabkommen mit dem Berliner Fußball-Verband (BFV), der auf seiner Internetseite zur Bundeswehr-»Karriere«-Seite verlinkt und in Verbandszeitungen Anzeigen für die Bundeswehr schaltet.

Ein verläßlicher Partner der Truppe ist Hannover 96. Im vereinseigenen Stadion finden regelmäßig die Neujahrsempfänge der 1. Panzerdivision statt. In der aktuellen Ausgabe der DFG-VK-Mitgliederzeitschrift Zivilcourage heißt es zudem, der Vereinspräsident habe auch schon mal gelbe Schleifen an Besucher verteilt – das Symbol von Militaristenverbänden zur »Solidarität« mit Soldaten im Einsatz. Von der Bundeswehr erhält der Erstligist im laufenden Jahr über 33000 Euro, dafür gibt es militärische Bandenreklame, aber auch redaktionelle Beiträge in der Vereinszeitung. Noch bis Ende Juni darf sich die Bundeswehr als »official supplier« des Hamburger SV bezeichnen. 71000 Euro aus dem Etat für Nachwuchswerbung standen für die auslaufende Saison bereit, um neben Bandenwerbung bei Heimspielen auch drei Militär-Spots zu je 30 Sekunden auf der Videoleinwand des Stadions vorführen zu können. Mit im Preis enthalten waren ganzseitige Anzeigen in zehn Ausgaben des Fanmagazins und 16 Eintrittskarten, die wiederum als Präsente im Rahmen bundeswehreigener Reklame gedacht waren.

Für andere Sportvereine, überwiegend im Osten Deutschlands, stehen weitere 50000 Euro bereit. Den Löwenanteil erhält der FC Carl Zeiss Jena mit 30000 Euro. Die Bundeswehr hofft, auf diese Weise die Aufmerksamkeit jener Altersgruppe zu erreichen, die sich »in der Phase der Berufsorientierung« befindet, wobei die Altersspanne mit bis zu 30 Jahren angegeben wird.

Wie schwer sich die Bundeswehr damit tut, den benötigten Nachwuchs zu finden, machte am Freitag eine Meldung der WAZ deutlich: Zum aktuellen Quartalsbeginn hätten lediglich 615 freiwillige Wehrdienstleistende ihren Dienst angetreten, 60 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Intensives »Jugendmarketing« ist für die Truppe also essentiell, was aber nicht ohne interne Konflikte vor sich geht: Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hatte im Vorjahr dazu ermahnt, bei der Nachwuchswerbung nicht die Illusion zu verbreiten, »als könne die Bundeswehr ein Leben wie auf einem Ponyhof bieten«. Wer das erwarte, der tauge am Ende nicht als Soldat. Tatsächlich ist die Quote der Abbrecher hoch. Fast 30 Prozent quittieren den Freiwilligen Wehrdienst vorzeitig. An der Konzeption der Reklame hat sich aber nichts geändert: Erst Anfang Juni beendete die Bundeswehr ein als »Bw-Beachen« bezeichnetes Sportevent, das »Fun und Action« verhieß und mit dem Gewinn eines »Fun-Wochenendes« in Dresden lockte. Teilnehmen durften nur 16- und 17jährige mit deutscher Staatsbürgerschaft, potentielle Wehrdienstleistende also. Doch die »jugendgerechte Bewerbung« verfängt offenbar nicht so wie gewünscht: Statt der ursprünglich erwarteten 1000 Teilnehmer waren es am Ende lediglich 540. Kosten dafür: 440000 Euro.

Die Linksfraktion hat am Sonntag eine Übersicht über die im Sommer bevorstehenden Werbetermine der Bundeswehr veröffentlicht. Sie enthält fast 300 Teilnahmen an Messen, weit über 100 Veranstaltungen von »Karriereberatern« vor Schülern und Jugendlichen, 100 Seminare von Jugendoffizieren sowie Veranstaltungen an Arbeitsämtern. Die Übersicht soll antimilitaristische Gruppen bei der Koordinierung von Protesten unterstützen.

* Aus: junge Welt, Montag, 24. Juni 2013


»Gegen die Militarisierung der Bildung zur Wehr setzen«

Kongreß in München wird beraten, wie man die Bundeswehr aus den Schulen heraushält. Ein Gespräch mit Renate Bayer **

Renate Bayer ist aktiv in der »AG Friedliche Schule und Hochschule« der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di

Sie laden für den kommenden Samstag zur Tagung »Zivilklausel verankern – Kooperationsvereinbarung kündigen« in München ein. Worum geht es da genau?

Genauer gesagt laden der Landesverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, GEW und der Landesbezirk ver.di unter dem übergeordneten Motto »Widerstand in Bayern bündeln« ein. Gerade in Bayern, wo die größte nationale Forschungsdichte für die Rüstungsindustrie besteht, steckt die Auseinandersetzung um eine Zivilklausel noch in den Kinderschuhen. Daneben wollen wir die Kräfte bündeln, die sich gegen das Kooperationsabkommen der Bundeswehr mit dem Kultusministerium engagieren. Wir wollen diesen Forderungen anläßlich der kommenden Landtagswahlen Nachdruck verleihen. Zu Wort kommen sollen diejenigen, die sich in Bayern bereits dafür engagiert haben, z.B. die Augsburger Studenten, die sich gegen einen Rüstungspark in der Nähe ihrer Uni wehren. Eingeladen sind also Beschäftigte, Studenten, Lehrer, Schüler, Eltern – alle, die sich gegen die Militarisierung der Bildung zur Wehr setzen wollen.

Läßt sich an der bereits 2010 unterzeichneten Kooperationsvereinbarung zwischen der Bundeswehr und dem Kultusministerium in Bayern, die den Jugendoffizieren der Armee Zugang zu Schulen sichert, noch etwas ändern?

Gerade die Jugend soll ja für das Konzept der Interventionsarmee – der »Armee im Einsatz« – und für die Inhalte der verteidigungspolitischen Richtlinien gewonnen werden. Als Multiplikatoren werden verstärkt die Lehrer von der Bundeswehr angesprochen. Es gibt schon Resolutionen gegen das Kooperationsabkommen etwa vom Bayerischen Jugendverband und dem Bayerischen Elternverband. Ob wir das Kooperationsabkommen zu Fall bringen oder nicht: Der Kampf um die Köpfe muß geführt werden!

Wir müssen gerade als Gewerkschafter immer wieder klarstellen, daß die Interessen der Krisenverursacher an Rohstoffen und Absatzmärkten, an der Vorherrschaft in der Welt, nicht unsere Interessen sind. Und wir wollen nicht, daß schon Kinder für Militarismus begeistert werden.

Die Bundeswehr wirbt auch immer stärker in Radio und Fernsehen, in Schülerzeitungen. Das Verteidigungsministerium ist sogar Mitherausgeber von Unterrichtsmaterialien zur »Sicherheitspolitik«. Wollen Sie auch gegen die mediale Werbung des Militärs etwas unternehmen?

Wichtig wäre, daß sich überall Widerstand regt: Daß die Auseinandersetzung in den Schulen von Lehrern, Eltern und Schülern geführt wird; daß Studenten, Wissenschaftler und nichtwissenschaftliche Beschäftigte sich gegen die Rüstungsforschung an Universitäten engagieren; daß Schulen Beschlüsse gegen den Auftritt der Bundeswehr an ihren Einrichtungen durchsetzen, wie es schon einige Schulen getan haben. Wir wollen mit unserer Tagung den Widerstand, der sich in Bayern regt, zusammenführen.

Die Veranstaltung findet im DGB-Haus in München statt – der Gewerkschaftsbund hat zuletzt eher mit seiner Nähe zur Bundeswehr und zu Verteidigungsminister de Maizière für Schlagzeilen gesorgt …

DGB-Chef Michael Sommer hat klar gegen die Beschlußlage des DGB verstoßen. Soeben hat sich die GEW auf ihrem Hamburger Gewerkschaftstag dagegen positioniert. Aus ver.di erreichten Sommer viele Protestbriefe. Mit der Erklärung »Wir widersprechen«, die aus dem Münchner Gewerkschaftshaus kommt, haben sich bundesweit viele Gewerkschafter solidarisiert. In dieser Erklärung heißt es: »Wir müssen alles dafür tun, um gegen diesen Schulterschluß des DGB mit der deutschen Kriegspolitik die alte und wieder hochaktuelle Erkenntnis zu setzen: ›Bei der Masse der arbeitenden Männer und Frauen liegt die Entscheidung über Sein und Nichtsein des heutigen Militarismus‹«, Rosa Luxemburg, 1871 bis 1919, – in diesem Sinn laden wir auch zu unserer Tagung ein.

Interview: Michael Schulze von Glaßer

** Aus: junge Welt, Montag, 24. Juni 2013


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