Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Auftrag: Rückhalt schaffen

Spielfilme, Serien, Dokumentationen: Öffentlich-rechtliche Fernsehanstalten helfen, die Bevölkerung an weltweite Militärinterventionen der Bundeswehr zu gewöhnen

Von Michael Schulze von Glaßer *

Königsufer Dresden, 22. November 2010, 20.15 Uhr: Nur wenige finden sich in der Dunkelheit bei naßkaltem Herbstwetter vor den Absperrgittern der Polizei, um dem Großen Zapfenstreich der Bundeswehr zu lauschen. Dennoch ist die Militärzeremonie unter dem Motto »20 Jahre Armee der Einheit« im nachhinein ein Erfolg für die Bundeswehr, denn die ARD übertrug sie live in die Wohnzimmer der Republik. So sahen an dem Montag 2,95 Millionen Menschen vor den Bildschirmen mit Stahlhelmen und Fackeln ausgestatteten Soldaten und einen strammstehenden Verteidigungsminister – immerhin eine Quote von 8,7 Prozent. Direkt darauf folgte im ARD-Programm passenderweise »Deutsche Dynastien – Die Guttenbergs«. Darin wird märchenhaft die Familiengeschichte des aktuellen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenbergs (CSU) erzählt. »Wichtig für Karl-Theodor zu Guttenberg ist es, nicht den bequemsten Weg zu gehen, sondern andere und sich selbst durch Leistung zu überzeugen«, heißt es in der Produktion des Bayerischen Rundfunks. Kritische Stimmen zur Familie oder zum Minister– wie es sie beispielsweise im Rahmen der Kundus-Affäre gab– finden sich in der Reportage nicht. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten setzen aber nicht nur Militärzeremonien und den Verteidigungsminister ins gewünschte Licht, sondern versuchen auch, für die deutschen Auslandsinterventionen Rückhalt in der Bevölkerung zu schaffen.

Das ZDF zeigte am 17. November die Reportage »Der Krieg bleibt –Die schwierige Heimkehr vom Hindukusch«. Bei der Produktion scheint es eine enge Zusammenarbeit mit dem Militär gegeben zu haben. Das gezeigte Bildmaterial besteht oft aus Originalvideos der Helmkameras deutscher Afghanistan-Kämpfer. Drei Soldaten werden in der Sendung porträtiert. Sie berichten über ihre Erfahrungen im Ausland, die Probleme danach und dürfen für den Einsatz werben: »Es ist ja letzten Endes des deutschen Volkes Wille, den wir da unten ausführen, den Auftrag, und deswegen wäre es sehr, sehr wünschenswert, daß unser Volk mehr dahinter steht«, sagt einer der Soldaten. Verteidigungsminister zu Guttenberg darf in der Sendung erklären, daß es keine Option sei, aus Afghanistan abzuziehen, da die Al-Qaida-Kämpfer aus Afghanistan dann das heimatliche Deutschland gefährden würden. Auch Witwen gefallener Bundeswehrsoldaten kommen zu Wort und werben um mehr Zustimmung für den Einsatz, damit ihre Liebsten nicht umsonst »gefallen« sind.

Auch der öffentlich-rechtliche Nachrichtensender Phoenix besticht durch eine Affinität zur Armee: auf dem Kanal wird alljährlich am 20. Juli das Bundeswehr-Gelöbnis vor dem Berliner Reichstag ausgestrahlt. Dabei steht dem Phoenix-Moderator auch immer ein hochrangiger Militär zur Seite, der die Märsche und gespielten Lieder beim Militärritual kommentiert und sie dem Zuschauer daheim erklärt. So schafft es die Bundeswehr vor schönster Kulisse unter dem eingemeißelten Spruch »Dem deutschen Volke« in die Wohnzimmer der Republik und suggeriert eine Nähe zu Volk und Parlament.

Militainment

Ein oft aufgegriffenes Beispiel für Militainment – Unterhaltungsproduktionen, in denen Militär dargestellt wird und die teilweise auch direkt vom Militär unterstützt werden – aus Deutschland ist die Serie »Die Rettungsflieger« des ZDF. 1997 startete die erste ­Staffel, nach 108 Folgen wurde die elfte und letzte Staffel im April 2007 ausgestrahlt. In jeder Folge werden familientaugliche kleine Melodramen gespielt: Ein Unfall passiert, und die Bundeswehr kommt mit ihrem SAR-Hubschrauber, um die Opfer zu retten. Die Bundeswehr unterstützte die noch heute manchmal ausgestrahlte Serie durch die Bereitstellung von Equipment, Piloten und führte Beratungen und Schulungen durch. In jedem Abspann erscheint: »Mit freundlicher Unterstützung der Bundeswehr«. Auch in die offizielle Website zur Serie – www.rettungsflieger.bundeswehr.de – ist die Armee eingebunden. Neben reinen Informationen findet sich Werbung für einen Job als Hubschrauberpilot bei der Bundeswehr – die Armee nutzt die ZDF-Serie einvernehmlich zur Nachwuchsrekrutierung.

Es sind aber nicht nur Dokumentationen, Reportagen, Serien und Live-Berichte mit denen die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten dem Militär unter die Arme greifen: Am 2. Februar 2009 zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr zeigte die ARD den Spielfilm »Willkommen zuhause«. Im Film geht es um einen deutschen Soldaten, der nach seinem Afghanistan-Einsatz an einer Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) leidet. Dabei verfolgt der Film eine klare politische Linie: »Willkommen zuhause« ist der erste deutsche Fernsehfilm, der sich mit dem zur Zeit brennend aktuellen Thema der Folgen von Friedensmissionen der Bundeswehr für die rückkehrenden Soldaten auseinandersetzt. Intensiv und realistisch thematisiert das Drama die Überforderung eines jungen Soldaten, dessen Psyche mit den Erlebnissen im Krisengebiet nicht fertig wird. Und die Überforderung seiner heimatlichen Umgebung, die in ihrer friedlichen Alltäglichkeit nicht damit rechnet, sich mit Kriegsfolgen auseinandersetzen zu müssen. Der Ort Deidesheim [in dem der Film handelt, jW] wird damit zu einem Spiegel der bundesdeutschen Gesellschaft, die Strategien für die Integration von traumatisierten Soldaten entwickeln muß«, heißt es in der Pressemappe des Films. Einige Tage nach Ausstrahlung verabschiedete der Bundestag mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen einen Antrag, der die Einrichtung eines Zentrums zur Behandlung von PTBS vorsah. Ein Antrag der Linksfraktion, der ebenfalls die bestmögliche Heilung der Soldaten vorsah, aber darüber hinaus noch forderte, die Soldaten erst gar nicht in gefährliche Auslandsmissionen, in denen sie traumatisiert werden könnten, zu schicken, fand keine Mehrheit. So soll die deutsche Bevölkerung mithilfe von Filmen wie »Willkommen zuhause« in Zukunft auf noch mehr unheilbar psychisch verwundete Soldaten durch weltweite Interventionen eingestellt werden.

Armee fürs Kino

Auch im Kino wird um die Gunst der Bevölkerung für weitere Armeeeinsätze geworben: Im November 2007 lief der von der Bundeswehr unterstützte Film »Mörderischer Frieden – Snipers Valley« des deutschen Regisseurs Rudolf Schweiger bundesweit an. »Mörderischer Frieden« ist eine Koproduktion der Unternehmen BlueScreen, Kaleidoskop Film und den öffentlich-rechtlichen Sendern Bayerischer Rundfunk, Südwestrundfunk und Arte – die Öffentlich-Rechtlichen sollen besonders zur Finanzierung beigetragen haben. Die am Film beteiligten rühmen sich damit, als »erster deutscher Kinofilm die Geschichte junger Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz« darzustellen.Die Handlung dreht sich um zwei junge Bundeswehr-Soldaten der KFOR im Kosovo 1999. Dort herrscht zwar offiziell Frieden, doch unterschwellig bekriegen sich Serben und Albaner. Bei einem Angriff auf einen Checkpoint retten die deutschen Soldaten eine junge Serbin – es kommt zu einer Liebesbeziehung zwischen Soldat und Serbin. Am Ende greift ein von einem hetzerischen albanischen Anführer angestachelter Mob das Haus der jungen Serbin an. Der Mob kann aber gestoppt werden. Die spät eintreffende Bundeswehr kann die Lage letztlich beruhigen – Kritik am Militäreinsatz im Kosovo und seiner Vorgeschichte, des völkerrechtswidrigen Aggressionskrieges gegen Jugoslawien 1999, gibt es in dem Film nicht. Statt dessen Bilder eines deutschen Panzerkonvois und fliegender Bundeswehr-Hubschrauber.

Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat sich den neuen Aufgaben der Bundeswehr angepaßt und stellt sie in den Fokus ihrer Sendungen. Natürlich muß über die deutschen Auslandseinsätze und die damit verbundenen Risiken für die Soldaten berichtet werden, fast immer sind die Sendungen und Filme aber einseitig und werben ganz im Sinne von Regierung und Militär für noch mehr. Dabei werden viele Produktionen sogar direkt von der Bundeswehr unterstützt. So wird mit den in der Bevölkerung erhobenen Steuergeldern und Gebühren die Bevölkerung auf Kriegskurs gebracht.

* Von Michael Schulze von Glaßer ist zuletzt im PapyRossa-Verlag erschienen:
An der Heimatfront. Öffentlichkeitsarbeit und Nachwuchswerbung der Bundeswehr. 260 Seiten, zahlr. s/w-Fotos, 16 Euro

Aus: junge Welt, 6. Dezember 2010



Zurück zur Seite "Schule und Bundeswehr, Werbestrategien der Bundeswehr"

Zur Medien-Seite

Zurück zur Homepage