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Krieg und Frieden im Klassenzimmer

Friedensinitiativen loben Handreichung für Schulen in Sachsen-Anhalt

Von Hendrik Lasch, Magdeburg *

Wenn die Bundeswehr in Sachsen-Anhalts Schulen über Sicherheitspolitik informiert, soll auch die Friedensbewegung zu Wort kommen. Sie lobt das – auch wenn der Auftrag sie an Grenzen bringt.

Hat die Bundeswehr in Afghanistan für Frieden gesorgt? Welchen Effekt hatten die Bomben der Nato im Jugoslawienkrieg? Soll oder muss der Westen in einen brutalen Krieg wie in Syrien mit militärischer Gewalt eingreifen? Wer solche Fragen aufwirft, kann mit kontroversen Diskussionen rechnen – wenn er an die richtigen Gesprächspartner gerät. In den Schulen in Sachsen-Anhalt soll es künftig diesen Meinungsstreit zu Fragen von Sicherheit und Frieden verstärkt geben. Dafür sorgt eine Handreichung, die das Kultusministerium kürzlich veröffentlichte und von Vertretern der Friedensbewegung begrüßt wird – obwohl es zwischenzeitlich einen halben Rückzieher gab.

Die Handreichung sieht vor, dass Auftritte von Vertretern der Bundeswehr in den Schulen künftig durch Einladungen an Friedensinitiativen ergänzt werden sollen. Diese sollten »gleichberechtigt zu Wort kommen«, um die »Darstellung konträrer Standpunkte abzusichern«, heißt es in dem Papier, das im Schulverwaltungsblatt veröffentlicht wurde. »Das war stets eine unserer Grundforderungen«, sagt Helmut Adolf von der Bürgerinitiative »Offene Heide«, die sich gegen die militärische Nutzung der Colbitz-Letzlinger Heide engagiert und am Sonntag zum 259. monatlichen Friedensweg lädt.

Auch der Friedenskreis Halle lobt die Regelung, die nach den Worten von Sprecher Christof Starke »bundesweit einmalig« ist. Der Friedenskreis, der im Mai 25 Jahre alt wird, veranstaltet schon jetzt Projekttage und Planspiele an Schulen, bei denen etwa Entwicklungshelfer auftreten. Den Schülern sollen auf diese Weise »Handlungsmöglichkeiten in eskalierenden Konflikten« vermittelt werden. »Das ist zunehmend gefragt«, sagt Starke: »Es gibt mehr Anfragen, als wir befriedigen können.«

v Der Satz legt einen Schwachpunkt der Initiative offen: Anders als bei der Bundeswehr, die derzeit in Sachsen-Anhalt drei Jugendoffiziere an Schulen schicken kann und zuletzt 240 Veranstaltungen pro Jahr anbot, sind die Möglichkeiten der Friedensinitiativen begrenzt. Mitglieder der »Offenen Heide« arbeiten ausschließlich ehrenamtlich. »Die Kapazitäten der Bundeswehr müssen wir durch stärkeres Engagement kompensieren«, sagt Adolf. Die Initiative, die bisher selten und nur dank persönlicher Kontakte an Schulen eingeladen wurde, will nun zunächst ein Konzept für solche Veranstaltungen erarbeiten. Beim Friedenskreis Halle fehlt es nicht an Material und Ideen, aber an Geld. Bisher gibt es nur für einzelne schulische Angebote eine Projektfinanzierung. Wenn jeder Auftritt der Militärs durch einen eigenen ergänzt werden solle, »werden wir an Grenzen kommen«, räumt Starke ein.

Im SPD-geführten Kultusministerium sieht man das offenbar ähnlich. Sprecher Martin Hanusch hatte zunächst darauf verwiesen, dass den Friedensinitiativen nur die Möglichkeit zu Auftritten eröffnet werden solle: »Ob sie diese auch wahrnehmen können, kann durch die Handreichung nicht beeinflusst werden.« Inzwischen soll das Papier modifiziert werden: Gegebenenfalls könnten demnach auch Lehrer den Part der Friedensbewegung übernehmen. Damit werde »ein schwieriger Weg geöffnet«, sagt Thomas Lippmann, Landeschef der Bildungsgewerkschaft GEW, und mahnt, der »Grundgehalt der Handreichung« dürfe nicht »im Nachhinein verwässert werden«. Die GEW verweist darauf, dass die steuerfinanzierte Bundeswehr personelle Ressourcen habe, wie sie den Friedensinitiativen nicht zur Verfügung stehen. Diese sollten deshalb mehr Unterstützung erfahren. Statt dessen Lehrer in die Bresche zu schicken, hält Helmut Adolf von der »Offenen Heide« für den falschen Weg: »Dann könnten sie ja auch gleich noch den Part der Bundeswehr übernehmen.«

* Aus: neues deutschland, Freitag, 2. Januar 2015


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