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Krieger ganz menschlich

Königsbronner Gespräche von Reservistenverband & Co: Ministerin von der Leyen entwirft Zukunftsbild der Truppe mit vielen Frauen. Weiter intensive Armeewerbung an Schulen

Von Jana Frielinghaus *

Etwa 120 Menschen hatten sich am Wochenende im baden-württembergischen Königsbronn versammelt, um unter dem Motto »Ihre ›Sicherheit‹ bedeutet Krieg« gegen ein Treffen von Militärs und Militärlobbyisten zu protestieren. Bis in den Tagungsraum seien »Soldaten-sind-Mörder«-Rufe zu hören gewesen, berichtete die Korrespondentin der Schwäbischen Zeitung.

Dort, in der alten »Hammerschmiede«, waren auf Einladung des Bundeswehrverbandes und des Reservistenverbandes hochrangige Vertreter der Truppe und der deutschen Armee verbundener Bildungseinrichtungen zusammengekommen. Sie diskutierten unter anderem darüber, wie diese für Frauen attraktiver gemacht und wie die Bevölkerung vor »Cyberattacken« geschützt werden könne. Zu den von dem CDU-Bundestagsabgeordneten Roderich Kiesewetter initiierten dritten »Königsbronner Gesprächen« (siehe dazu auch jW vom 26.3.) war neben Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und dem Wehrbeauftragten des Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP), auch die Generalstabsärztin Erika Franke angereist.

Um die »menschliche Seite der Sicherheitspolitik« sei es gegangen, ließen Bundeswehr- und Reservistenverband in einer gemeinsamen Pressemitteilung wissen. Die Ministerin ging demnach auf die Attraktivität des »Dienstes« für junge Leute ein. »Wir haben eine ›Generation Y‹. Junge Leute, die sich eine gute Balance aus Arbeiten und Leben wünschen«, erklärte sie – und sprach darüber, daß auch bei der Bundeswehr gesichert sein müsse, daß deren Angehörige sich um Kinder, aber auch um ihre »alternden Eltern« kümmern können. »Wenn Soldaten nicht trotz, sondern wegen der Bundeswehr für ihre Familien da sind, dann sind wir sicherheitspolitisch auf einem guten Weg«, sagte die Ministerin. Sie sprach auch vom »Handlungsdruck für die Nachwuchsgewinnung« nach dem Wegfall der Wehrpflicht – die offenbar der Hauptgrund dafür ist, daß die Truppe so sehr um junge Frauen buhlt. Die seien die »große Chance der Bundeswehr«, so von der Leyen. Dieser Einschätzung schloß sich der Chef des Bundeswehrverbandes, Oberstleutnant André Wüstner, an: Die Armee müsse »weiblicher« werden, forderte er. Sie habe »gar keine andere Wahl«. Weiter verlangte er mehr öffentliche Informationen über die Vielfalt der Berufe, die man beim Militär wählen könne.

»Cybersicherheit für Bürger und Institutionen« war das große Thema des Abgeordneten und Oberst a.D. Kiesewetter. Wobei es ihm offenbar vor allem um die Sicherheit der Truppe vor der Veröffentlichung von Informationen über deren Wirken etwa im Afghanistan-Krieg ging. Durch die Enthüllungen der Plattform Wikileaks etwa seien »Informanten in Afghanistan in Lebensgefahr« geraten, da »ihre Daten publik wurden«. Die Politik, kritisierte der CDU-Mann, konzentriere sich noch immer vor allem auf den Schutz individueller Daten und nicht auf den der »kritischen Infrastruktur«.

Unterdessen zeigt die Antwort auf eine kleine Anfrage der Linke-Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke, daß die Truppe weiter intensiv um Jugendliche wirbt. Wie Jelpke am Montag mitteilte, hat die Bundeswehr im vergangenen Jahr mehr als 400000 Kinder und Jugendliche »auf dem Schulgelände agitiert«. Die Bildungseinrichtungen würden damit »nach wie vor für Propaganda- und Rekrutierungszwecke mißbraucht«, erklärte die Politikerin. Die Karriereberater der Armee hätten trotz eines Rückgangs der Jahrgangsstärken »ihre Einsatzzahlen aus dem Jahr 2012 beibehalten«. 26000 Kinder und Jugendliche hätten 2013 Kasernenbesuche mitgemacht. Außerdem sei die Bundeswehr auf 600 Ausstellungen, Jobmessen, Projekttagen und ähnlichen Veranstaltungen an Schulen beteiligt. Etwas weniger erfolgreich seien lediglich die Jugendoffiziere gewesen, die mit 117000 Schülern rund 23000 weniger erreicht hätten als im Jahr zuvor. Jelpkes Resümee: Die Bundeswehr setze weiter darauf, »in der Regel minderjährige Schüler anzusprechen«. Dies sei eine »grobe Mißachtung des Neutralitätsgebotes, dem Schulbildung unterliegt«. Schulen dürften nicht zu »Propagandaanstalten des Militärs umgewidmet werden«, forderte die Abgeordnete.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 1. April 2014


Königsbronn ist sicher

Militärkonferenz rief Proteste hervor

Von Peter Nowak **


Die Bundesakademie für Sicherheitspolitik lud am Wochenende zu den »Königsbronner Gesprächen«. Sie sind bei Friedensaktivisten ähnlich beliebt wie die Münchner Sicherheitskonferenz.

Seit Jahren sorgt sie für Proteste von Antimilitaristen – die Münchner Sicherheitskonferenz. Doch wer kennt schon die Königsbronner Gespräche, die am vergangenen Wochenende zum dritten Mal in der gleichnamigen Gemeinde in der schwäbischen Ostalb stattfanden? Der Deutsche Reservistenverband, der das Treffen veranstaltet, schreibt auf seiner Homepage, dass sich die Königsbronner Gespräche »neben der Münchner Sicherheitskonferenz … zu einem Magnet für Diskussionen rund um die Sicherheitspolitik entwickelt« habe.

Zu den Mitorganisatoren gehören die Theodor-Molinari-Stiftung, das Bildungswerk des Deutschen Bundeswehrverbands und die Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS). Eine wichtige Rolle bei der Koordination spielt der CDU-Bundestagsabgeordnete und Oberst a. D. Roderich Kiesewetter. Stolz vermerkt er auf seiner Homepage, dass Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen in diesem Jahr das Treffen eröffnete. Schließlich ging es dort um eines ihrer zentralen Themen: »Frauen in der Sicherheitspolitik.« Das zweite Thema in Königsbronn war die Cyberkriminalität, die auch auf der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz eine zentrale Rolle spielte.

Dieses Jahr gab es eine weitere Gemeinsamkeit zwischen den Treffen in der bayerischen Landeshauptstadt und der schwäbischen Gemeinde: Antimilitaristen organisierten Gegenproteste. Am 29. März beteiligten sich knapp 120 Teilnehmer in Königsbronn an einer Demonstration, die von regionalen Friedensgruppen, Gewerkschaftern, Mitgliedern linker Parteien und autonomen Antifaschisten getragen wurde. Bei den Königsbronner Gesprächen werde »unter dem Deckmantel beschönigender Rhetorik von aktuellen Herausforderungen globaler Sicherheitspolitik die Vorbereitung und politische Legitimierung militärischer Einsätze im Dienste einer expansiven imperialistischen Außenpolitik Deutschlands« betrieben, erklärt der Sprecher des Protestbündnisses Marcel Kallwass. Im nächsten Jahr solle auch bundesweit zu den Protesten mobilisiert werden. Die Antimilitaristen beziehen sich in ihrem Aufruf auf Georg Elser, der mit seinem missglückten Attentat auf Hitler einen Krieg verhindern wollte. Sein Geburtsort ist Königsbronn.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 2. April 2014


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