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"Wir glauben, dass es zurzeit ausreichende Transparenz in unserem Programm gibt"

Der stellvertretende Außenminister Irans, Araghchi, über das Atomprogramm seiner Regierung und die Bedrohungen von Seiten Anderer

Der Streit um das iranische Atomprogramm bestimmte in weiten Teilen auch die Debatten auf der 42. Münchner "Sicherheitskonferenz". US-Verteidigungsminister Rumsfeld bezeichnete den Iran als einen "Hauptsponsor" des internationalen Terrorismus. Der Iran sei "der zentrale Punkt" im Kampf gegen den Terrorismus. Langfristig könne dieser Konflikt nur dadurch gelöst werden, dass man Partner und Verbündete in der Krisenregion finde, ständigen Druck auf das Land ausübe und es von seinen finanziellen Quellen abschneide. (Siehe die Rede von Rumsfeld im Wortlaut.) Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel widmete sich in ihrer Rede dem Iran. In der anschließenden Diskussion meldete sich der stellvertretende Außenminister Irans, Araghchi, zu Wort. Seine sehr ruhig und sachlich vorgetragenen Argumente stehen nicht nur in deutlichem Kontrast zu dem hier zu Lande vermittelten Bild vom säbelrasselnden und aufgeputschten Iran. Sie relativieren auch manches von dem, was von Seiten der EU und der Bundesregierung - von Washington ganz zu schweigen - seit Wochen und Monaten dem Iran vorgworfen wird: Dass er nämlich in provokativer Weise gegen die Auflagen und Bestimmungen des Nichtverbreitungsvertrags verstoße.
Wir dokumentieren im Folgenden den Diskussionsbeitrag von Araghchi nach der Konferenzniederschrift.



ARAGHCHI: Danke, Frau Bundeskanzlerin, für Ihre sehr wertvollen Ausführungen und Bemerkungen, abgesehen von dem Teil, der sich mit meinem Land beschäftigte. Mein Land ist das jüngste Opfer von Massenvernichtungswaffen und chemischen Waffen, und Sie kennen diese Geschichte. Mein Land war immer ein aktiver Verfechter der internationalen Organisationen wie der IAEO. Wir haben auch den Nicht-Weitergabevertrag ratifiziert. Wir sind für die nukleare Abrüstung und die Nicht-Weitergabe.

Der Iran hat niemals versucht, Nuklearwaffen zu erhalten, und fast drei Jahre enger Zusammenarbeit mit den IAEO-Inspektoren beweisen das. Wir wurden sehr eindeutig von der IAEO inspiziert. Wir haben unsere Anlagen, sogar unsere militärischen Anlagen, für die internationalen Inspekteure geöffnet. Wir haben auch das Protokoll implementiert, sodass alle Details unseres Programms eindeutig sind. Ich frage, warum man dies als eine Bedrohung betrachtet. Wir haben vor kurzem mit Forschung und Entwicklung in einem Nuklearprogramm begonnen, und Sie haben gesagt, wir hätten die „rote Linie“ überschritten. Es überrascht uns, dass kleine Aktivitäten in unseren Laboratorien als eine Bedrohung und als ein Überschreiten der „roten Linie“ betrachtet werden. Es gibt andere Länder auch in unserer Region mit mehr als 200 nuklearen Gefechtsköpfen, die eindeutig die Resolution des Sicherheitsrats verletzen. Mit der Besetzung anderer Länder wird das Recht der Palästinenser verletzt. Das betrachtet man nicht als eine Bedrohung, aber Laboraktivitäten im nuklearen Bereich für friedliche Zwecke werden als Bedrohung und als ein Überschreiten der „roten Linie“ betrachtet. Sie wissen, dass es in Europa Länder gibt, die Nuklearwaffen besitzen und die anderen drohen, sie einzusetzen. Man betrachtet dies nicht als eine Bedrohung.

Wir haben nach dreijährigen Verhandlungen mit unserer Forschungs- und Entwicklungsaktivität im Rahmen unseres Nuklearprogramms begonnen, und wir glauben, dass es zurzeit ausreichende Transparenz in unserem Programm gibt. Es gibt keine Notwendigkeit, unseren Forschern und Wissenschaftlern zu sagen, sie sollen mit ihrer Arbeit aufhören, nicht forschen, nichts tun und überhaupt nicht an das Programm denken. Das ist ein Programm, das nur friedlichen Zwecken dient.

Wir haben mit den europäischen Ländern, den E3, drei Jahre lang Verhandlungen voller guter Absichten geführt. Wir haben unser Bestes gegeben, um zusammenzuarbeiten. Wir haben unsere ganzen Aktivitäten vorläufig unterbrochen, und wir haben das gemacht, was uns möglich war. Aber nach drei Jahren der Verhandlungen sind wir mit leeren Händen von dannen gezogen, und wir haben keine Möglichkeit für die Zukunft unserer Tätigkeiten. Das ist eine Aktivität, die friedlichen Zwecken dient.

Exzellenz, Sie wissen, dass wir jetzt auf Grund der falschen Verhandlungstaktik der Europäer in diese Situation geraten sind. Wir hätten durch Verhandlungen sicherlich leicht eine Lösung erzielen können, und es war nicht notwendig, jetzt diesen Konflikt heraufzubeschwören. Sie sagen, es gebe noch Platz und Raum für eine friedliche Beilegung dieses Disputs. Was uns anbelangt, so haben wir bereits unsere Bereitschaft betont, bezüglich des wichtigsten, empfindlichsten und sensitivsten Anteils unseres Programms weiter zu verhandeln, nämlich der Brennstoffproduktion für kommerzielle Anwendungen. Der nächste Schritt in unserem nuklearen Programm soll dazu führen, dass wir eine Formulierung finden, die das möglich macht, und das eben durch Verhandlungen mit den Europäern.

Aber ich glaube, wenn dieser Fall jetzt an den Sicherheitsrat weitergegeben wird, dann - das müssen wir ganz eindeutig sagen - gibt es ein Gesetz unseres Parlaments, das besagt, dass wir alle freiwilligen Aktivitäten unterbrechen werden. Die Eskalation in diesem Bereich ist doch zu sehen. Ich hoffe, dass Europa nicht diesen Konfrontationskurs einschlagen wird; denn wenn der Fall an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen geleitet wird, hat unsere Regierung auf Grund unseres Gesetzes nämlich nur die Möglichkeit, die Aktivitäten wieder aufzunehmen.

Sie haben gesagt, dass unser Programm als eine Bedrohung gilt. Mein Land hat stets eine sehr konstruktive Rolle in unserer Region gespielt. Wegen der Kürze der Zeit möchte ich das nicht vertiefen. Sie kennen unsere Regel für Afghanistan. Wir wollen die Dinge in Afghanistan und im Irak stabilisieren. Aber eine Bedrohung von uns können wir nicht hinnehmen. Es gibt immer Länder, die uns bedrohen, und das wird ignoriert. Man lässt das außen vor. Man spricht über einen Regimewechsel im Iran; auch das wird ignoriert. Ich möchte Sie bitten, Exzellenz, doch eine faire Vorgehensweise gegenüber dem Iran zu wählen und keinen doppelten Standard hinsichtlich dieser sehr wichtigen Frage zuzulassen. Ich danke Ihnen!


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