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"Sicherheitskonferenz" ist Umschlagplatz für Militärplanungen

Presseerklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag

Im Folgenden dokumentieren wir eine Presseerklärung, die der Bundesausschuss Friedensratschlag anlässlich der Münchner "Sicherheitskonferenz" 2004 veröffentlicht hat.


Pressemitteilung

Friedensratschlag: "Sicherheitskonferenz" ist Umschlagplatz für Militärplanungen
  • Kein harmloser und offener "Diskurs"
  • Ausloten von Spielräumen und Grenzen
  • Einbindung der Bundeswehr
  • Friedensbewegung übt "Prävention"
Zur morgen (7. Februar) in München beginnenden "Sicherheitskonferenz" erklärt der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag:

Der Organisator der Konferenz, Horst Teltschik, wird nicht müde zu beteuern, dass es das Normalste von der Welt sei, wenn sich Außen- und Verteidigungsminister und Sicherheitsexperten aus über 40 Staaten zu einem offenen Meinungsaustausch treffen. Damit wird der wahre Sinn der Mammutveranstaltung in München verharmlost. In Wirklichkeit geht es den teilnehmenden "Experten" darum, das militärpolitische Umfeld zu vermessen, in dem die NATO und künftig auch die EU weltweit operieren wollen. Wenn sich während oder am Rande der Sicherheitskonferenz der neue NATO-Generalsekretär mit den Verteidigungsministern aus den USA, Deutschland und anderen NATO-Staaten trifft, werden keine Meinungen ausgetauscht, sondern interne Absprachen und Verabredungen getroffen. Verteidigungsminister Peter Struck hatte schon vor Tagen angekündigt, dass in München u.a. über die Ausweitung des NATO-Einsatzes in Afghanistan sowie über eine mögliche NATO-Präsenz im Irak gesprochen werde. Die Sicherheitskonferenz wurde in den letzten Jahren immer mehr zu einem Umschlagplatz für Militär- und Kriegsplanungen.

Die "Offenheit" der Sicherheitskonferenz wird auch nicht dadurch hergestellt, dass Militärexperten aus Nicht-NATO-Staaten ebenfalls in München dabei sind. Gespräche mit dem russischen Außenminister etwa dienen auch nicht unbedingt dem gegenseitigen Kennenlernen (Iwanow und Bundesaußenminister Fischer sind längst "alte Bekannte"). Vielmehr geht es darum auszuloten, welche - potenziellen - Maßnahmen der NATO, der USA oder der EU auf Ablehnung oder gar Widerstand Russlands stoßen. Umgekehrt wird Russland bemüht sein, seinen so genannten Antiterror-Krieg in Tschetschenien fortsetzen zu können - unbehelligt von öffentlichen Einsprüchen oder diplomatischen Demarchen aus dem Westen. Auf diese Weise werden militärische Spielräume und ggf. Grenzen der NATO/EU sichtbar sowie Einflusssphären und Zuständigkeiten einvernehmlich abgesteckt. Letztendlich geht es in München auch um die Neuvermessung der Welt.

Alle Erklärungen von Bundeskanzler, Außenminister und Verteidigungsminister, Deutschland werde sich im Irak militärisch nicht beteiligen, lenken davon ab, dass die Bundeswehr als "Kompensation" und zur Entlastung der USA in anderen Weltregionen (Afghanistan und Balkan) größere Aufgaben übernimmt. Die Bundesregierung war auch treibende Kraft, die Militarisierung der EU voran zu bringen (vgl. etwa den "Pralinengipfel" zwischen Belgien, Deutschland, Frankreich und Luxemburg im April 2003). Der Ausbau des Eurokorps, die Aufstellung einer EU-Eingreiftruppe von 80.000 Soldaten sowie die Bereitstellung von Bundeswehr-Truppenteilen für die NATO-Eingreiftruppe (NRF) belegen hinreichend, dass die Bundesregierung zielstrebig daran arbeitet, die vom Grundgesetz allein erlaubte Landesverteidigung durch eine "Verteidigung" zu ersetzen, die selbst am Hindukusch nicht aufhört, sondern globale Ausmaße annimmt.

Aus all diesen Gründen hält der Bundesausschuss Friedensratschlag lautstarken demokratischen Protest gegen die Sicherheitskonferenz für ein Gebot staatsbürgerlicher Verantwortung. "Prävention", ein Wort, das von Militärs zunehmend zur Bemäntelung aggressiver Absichten gebraucht wird, bedeutet für die Friedensbewegung, den Militärs schon bei der Vorbereitung von "Präventivkriegen" in die Parade zu fahren und Widerstand zu mobilisieren. Die Demonstranten in München stehen für eine bessere, friedlichere Welt.

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)
Kassel, den 6. Februar 2004


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